Präsidentenamt mit einer Lizenz zum „Unfug“

Heinz Fischer
Heinz Fischer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Vom spürbaren Druck hinter der Tapetentür bis zur Illusion einer perfekten Lösung für die Befugnisse des Staatsoberhaupts: Geständnisse und Geschenke zum Abschied Heinz Fischers bei den Beamtengewerkschaftern.

Wien. So kurz ist der Weg zu einer Einladung für den Bundespräsidenten sonst kaum. „Begegnung mit Heinz Fischer“ lautet das Motto des Abends. Das Staatsoberhaupt, das nach zwölf Jahren am 8. Juli sein Amt an Alexander Van der Bellen übergeben wird, ist gern ins Dachfoyer der Hofburg zu rund 200 geladenen Beamtengewerkschaftern mit ihrem langjährigen Vorsitzenden, Fritz Neugebauer, gekommen. Schließlich ist Fischer seit 52 Jahren bei der Beamtenvertretung. Davor war er Jusstudent und bereits sieben Jahre bei den Privatangestellten, macht nun stattliche 59 Jahre Gewerkschaftsmitgliedschaft.

Neugebauer, der für die ÖVP Zweiter Nationalratspräsident war, ist hier Moderator. Zwischen ihm und dem ehemaligen Nationalratspräsidenten ist vorn zwischen den beiden Sesseln ein kleines Fähnchen der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) aufgepflanzt. „So zwölf Minuten ungefähr“ habe der Gastgeber ihm Zeit für eine Rückschau eingeräumt, sagt der Gast. Er schildert seine persönlichen Anknüpfungspunkte zu früheren Bundespräsidenten der Zweiten Republik. Herzhafte Lacher sind bei Fischers Anekdote garantiert, dass eine Frage bei seiner Matura gelautet habe, was die Rechte und Pflichten des Bundespräsidenten seien.

Zwischen Krenreiben und Missbrauch

Damit landet er direkt bei der aktuellen Debatte über die Befugnisse des Staatsoberhaupts. Passanten hätten ihm gesagt, der Präsident sei „eh zum Krenreiben“ oder ein „Frühstücksdirektor“. Das sei bis zum anderen Extrem gegangen, ein Amtsinhaber könnte die Macht missbrauchen. In den 70 Jahren der Zweiten Republik hätte sich das jedoch „sehr vernünftig entwickelt“. Er habe nichts gegen eine solche Diskussion, stellt Fischer klar. Aber: „Ich glaube, ein wirklich dringendes Bedürfnis gibt es nicht.“

Zum Amüsement der Gäste verweist er auf die verzichtbare Befugnis, den Urlaub des Präsidenten oder Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs zu unterschreiben. „Sonst tät ich sehr vorsichtig sein.“ Heinz Fischer, wie er leibt und lebt. Ja, wer es darauf anlege, könne Unfug anrichten. Aber wer glaube, es gebe in der Kompetenzfrage eine „perfekte Lösung“ und das Amt könne „vollkommen missbrauchssicher“ gemacht werden, der habe sich das Ziel zu hoch gesteckt, warnt er mit Nachdruck.

Die Zuhörerschaft lauscht gebannt. Es dauert, bis in der Publikumsrunde jemand dem bekennenden Fußball- und Rapid-Fan verbal den Ball auf den Elferpunkt legt: die Zusammenlegung der Funktionen des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten, wie sie von der FPÖ angedacht wurde. Fischer muss nur einnetzen. Er könne sich das wegen der Machtbalance nicht vorstellen. „Das würde in der Fachwelt nicht standhalten.“

Fischer macht schließlich vorsichtig klar, dass er die Rolle des Bundespräsidenten beim Ratifizieren von Staatsverträgen für „zu stark“ hält. Das seien im modernen Europa viel mehr derartige Verträge, die anders als Gesetze vom Staatsoberhaupt nicht nur beurkundet würden. „Das könnte ein Diskussionsbereich sein.“ Für Fischer-Verhältnisse ist das schon eine mehr als klare Ansage.

Vermittler im Streit um Lehrerstunden

Fischer gewährt einen Blick hinter die viel zitierte Tapetentür in der Hofburg, der sehr viel über das Politik- und Amtsverständnis des Methusalems im Machtgetriebe der Republik sagt. An einem Freitagnachmittag ereilte Neugebauer der Anruf aus der Präsidentschaftskanzlei, ob er am Montag in die Hofburg kommen könne. Nachsatz: Die damalige Bildungsministerin, Claudia Schmied, sei auch eingeladen. Der Bundespräsident wollte so im Konflikt zwischen Schmied und der Beamtengewerkschaft um eine zwei Stunden längere Unterrichtsverpflichtung der Lehrer vermitteln. Fischer entließ seine beiden Gäste mit den Worten: „Gut schaut's nicht aus, aber schaut's, dass zusammenkommt's!“ Da kehrte der Beamtenchef schon mit einigem Druck aus der Hofburg in die nahe Zentrale in der Teinfaltstraße zurück. Schmied musste schließlich allerdings mangels Rückhalt bei Ex-Bundeskanzler Werner Faymann einen Rückzieher machen. Fischer gesteht im Dachfoyer seinerseits: „Man hat schon dauernd irgendeinen Druck auf sich.“

Präsidentensong und Ehrenzeichen

Nach dem 8. Juli wird er diesen los sein. Das GÖD-Ehrenzeichen in Gold, das sonst nur an Spitzenfunktionäre für besondere Verdienste überreicht wird, ist äußeres Zeichen der Wertschätzung zweier Veteranen in der politischen Arena. Es folgen stehende Ovationen, die Schlange von Beamtengewerkschaftern, die sich mit ihm fotografieren lassen wollen, ist lang. Symbolisch hat Neugebauer zudem den Rahmen für jenes Gemälde mitgebracht, das ab Herbst vom scheidenden Staatsoberhaupt in der Hofburg bleibt. Fischer und Neugebauers lugen gemeinsam durch den Rahmen. Für Zuseher ist es umgekehrt ein Blick zurück auf eine politische Epoche. Fischer hat schon zuvor betont, aus den zwölf Jahren als Bundespräsident erhalte er keine Pension.

Die Draufgabe erfolgt musikalisch. Susanne Sommerer, Sängerin und im Brotberuf Volksschullehrerin in Wien Ottakring, hat den Jazzfan mit schwungvollen Songs schon zuvor erfreut. Ihr persönlicher „President's Song“ ist der Höhepunkt schlechthin.

Mehr Hofräte

Der Hofratstitel war bisher Beamten vorbehalten. Das wird sich ändern: Künftig wird auch Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst dieses Recht eingeräumt. Das ist eine Änderung, die mit der jüngsten Novelle des Dienstrechts zur Umsetzung kommt und vor der Sommerpause des Nationalrats beschlossen wird. Dabei war vor einem Vierteljahrhundert auf SPÖ-Seite sogar eine Abschaffung der Hofräte Thema. Gekommen ist es dazu nicht. Jetzt wird die Zahl der Hofräte auf den wachsenden Bereich der Vertragsbediensteten ausgeweitet. Die Novelle bringt unter anderem auch Verbesserungen für Polizisten im Flüchtlingseinsatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2016)

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