ÖVP-Frauen grollen Leitl: „Keine Hascherln“

(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
  • Drucken

Wirtschaftskammerpräsident Leitl erntet Kritik wegen seiner Aussagen zu geforderten Extra-Lohnerhöhungen weiblicher Beschäftigter. ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm fordert völlig neue Gehaltssysteme.

Wien/Ett. „Die Frauen sind keine Hascherln, sie sind selbstbewusst. Ich kenne keine Hascherln und ich arbeite mit vielen Frauen.“ Die Leiterin der ÖVP-Frauen, die niederösterreichische Nationalratsabgeordnete und Bürgermeisterin Dorothea Schittenhelm, machte am Freitag im Gespräch mit der „Presse“ aus ihrer Verärgerung über ihren ÖVP-Parteifreund Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl kein Hehl. Grund waren Leitls Aussagen im ORF-Radio zum Gewerkschaftsvorstoß für Extra-Kollektivvertragsrunden, um die Löhne von Frauen außertourlich anzuheben. Leitl meldete offen Vorbehalte an: „Es ist doch ein entwürdigender Vorschlag für die Frauen, wenn man sagt, jetzt brauchen wir für euch arme Hascherln noch eine Extrarunde.“

Schittenhelm ist ungehalten wegen dieser Art der Diskussion über die Gehälter weiblicher Beschäftigter: „Man soll den Frauen endlich das zugestehen, was sie tatsächlich an Wissen und Können einbringen und ihre Leistung entlohnen.“ Für die ÖVP-Politikerin ist es höchste Zeit, die im Schnitt bestehende Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern zu schließen: „Es sind ganz einfach Ungerechtigkeiten vorhanden.“ Und weiter: „Es ist mir unverständlich, dass es im Jahr 2011 solche Unterschiede gibt.“

Die ÖVP-Frauensprecherin verweist auf den jüngsten Einkommensbericht des Rechnungshofes, der im Frühjahr im Parlament beraten wurde. Demnach kämen bei den Vollzeitbeschäftigten weibliche Vertragsbedienstete im öffentlichen Dienst im Schnitt auf 92 Prozent des Gehalts der Männer, bei Angestellten in Büros seien es 66 Prozent, bei Arbeiterinnen 68 Prozent. Besonders groß sei die Einkommenskluft im selbstständigen Bereich, etwa bei Fachärzten oder Rechtsberatern.

Schittenhelm ist freilich alles andere als begeistert vom Vorschlag der Privatangestelltengewerkschaft (GPA) für Sonderlohnrunden, um die Gehälter der Frauen zusätzlich zu den jährlichen Lohnerhöhungen anzuheben: „Ich bin dafür, wenn nichts anderes nützt.“

Leitl: Mädchen lassen Chancen liegen

Die ÖVP-Frauenchefin drängt im Zuge der Kollektivvertragsverhandlungen aber vorrangig auf eine Totalreform aller Gehaltssysteme durch die Sozialpartner, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter: „Wesentlich wäre, eine völlige Neubewertung der Arbeit vorzunehmen“, meint sie. Das müsse beispielsweise gerade im Dienstleistungssektor und im Sozial- und Pflegebereich, aber auch bei Kindergärtnerinnen höhere Löhne zur Folge haben. Davon würden Frauen, die in diesen Branchen besonders häufig tätig sind, profitieren.

Leitl sieht einen wichtigen Ansatzpunkt bei der Job-Entscheidung. Das fange schon bei der Berufswahl an, da sollten Mädchen intensiver beraten werden. „Friseur, Büro und Verkäuferin ist sehr ehrenwert, aber wenn jedes zweite Mädchen in diese drei Berufe geht, obwohl wir 250 Berufe haben, dann müssen wir auch unseren jungen Damen sagen, dass sie eigentlich tolle Chancen liegen lassen, wo dann die Burschen eher zugreifen.“ Frauen hätten es verdient, jedes Jahr mit ihren Sorgen und Anliegen bei den Lohnverhandlungen berücksichtigt zu werden, betonte der Wirtschaftskammerchef.

Genau diesen Punkt griff GPA-Vorsitzender Wolfgang Katzian, der mit GPA-Bundesgeschäftsführerin Dwora Stein Mitte der Woche die neue Debatte über die Löhne der Frauen in Schwung gebracht hat („Die Presse“ berichtete), später in einer Reaktion auf. Er begrüßte ausdrücklich Leitls Bekenntnis, Anliegen und Probleme von beschäftigten Frauen stärker zu berücksichtigen.

Gewerkschaft ortet Probleme bei Karenz

„Wir werden die Verhandler der Wirtschaftskammer bei den kommenden Kollektivvertragsrunden an den Worten ihres Präsidenten messen“, so Katzian. Aktuell gehe es um die Anrechnung von Karenzzeiten bei Lohnentwicklungen. Die Arbeiterkammer fordert, Firmen müssten endlich ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen, seit März in Stelleninseraten das Einkommen für die ausgeschriebenen Tätigkeiten anzugeben. Die AK werde Mitglieder darin unterstützen, Verstöße zur Anzeige zu bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.