Fritz Neugebauer fordert im Gespräch mit der "Presse" mehr Lehrer für die Volksschulen und kritisiert die Verzögerungstaktik der Regierung bei den Gehaltsverhandlungen. Ein Vertrauensbildend sei dies nicht.
Die Presse: Es scheint fast, als sei das Bildungsvolksbegehren zuletzt in ein Anti-Neugebauer-Begehren umgewandelt worden. Sind die Gewerkschafter die letzten verbliebenen Blockierer?
Fritz Neugebauer: Ich habe dazu nur einmal einen unqualifizierten Beitrag in der „Kronen Zeitung“ gelesen. Aber eines ist klar: Die Lehrergewerkschaften sind reformfreudig und durchaus gesprächsbereit, was die Bildungsdebatte betrifft. Sie haben auch jedes Recht dazu, weil sie den Erfahrungsschatz der zehntausenden Kolleginnen und Kollegen bündeln. Und darauf sollte die Regierung nicht verzichten.
Sie haben das Volksbegehren als „entbehrlich“ bezeichnet. Wo sollte eine Bildungsreform denn ansetzen?
Durch einen zusätzlichen Lehrereinsatz in den Neuen Mittelschulen hat sich schon viel getan. Jetzt muss insbesondere in den Volksschulen nachgebessert werden. Dort sitzen sehr viele Kinder mit nicht deutscher Muttersprache. Da benötigen wir Zweitlehrer oder Begleitlehrer. Zweitens müssten die Erkenntnisse der Frühkindpädagogik viel stärker in die schulische Realität hineinwirken. Wir müssen uns Entwicklungsprozesse von Kindern im vorschulischen Bereich viel stärker bewusst machen. Was wir beim Kleinkind versäumen, ist später schwer aufholbar. Dem sollten wir mehr Gewicht geben. Stattdessen debattieren wir über Schulorganisation.
Ab wie vielen Unterstützern würden auch Sie das Volksbegehren als Erfolg bezeichnen?
Ich habe mich mit dem Volksbegehren gar nicht genauer befasst, weil es zu viele Themen nur oberflächlich behandelt. Das reißt niemanden vom Hocker.
Zu den laufenden Gehaltsverhandlungen der Beamten: Der nächste Termin soll erst nach dem Gewerkschaftskongress stattfinden. Fühlen Sie sich von der Regierung hingehalten?
Die Gewerkschaft ist an einem zügigen Verhandlungsverlauf interessiert und wäre auch am Wochenende und während des Kongresses zur Verfügung gestanden. Die Ministerinnen Gabriele Heinisch-Hosek und Maria Fekter haben uns aber erklärt, dass sie aus terminlichen Gründen nicht können. Es ist eigenartig, dass man innerhalb von fünf Tagen nicht einmal zwei Stunden Zeit für ein Gespräch findet. Ich nehme das zur Kenntnis. Vertrauensbildend ist es nicht.
Ihre Forderung – eine Lohnerhöhung von 4,65 Prozent – wurde als überzogen bezeichnet.
Unsere Berechnungen bauen seriös auf der Inflationsentwicklung und dem Wirtschaftswachstum auf. Wir werden in den Gesprächen versuchen, einen Kompromiss zu finden.
Fritz Neugebauerist Zweiter Nationalratspräsident für die ÖVP und steht seit 1997 der Gewerkschaft öffentlicher Dienst vor. Beim Gewerkschaftstag nächste Woche wird der 67-Jährige erneut für das Amt kandidieren. Die Wiederwahl ist ihm de facto sicher. [APA]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2011)