Prammer will, dass Nationalratspräsidenten mit Zweidrittelmehrheit abgewählt werden können. Die ÖVP pocht auf eine Zuständigkeit des VfGH.
Die Vorwürfe gegen den dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) haben die Diskussion um eine Möglichkeit der Abwahl von Mitgliedern des Präsidiums neu angeheizt. SP-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer erinnerte am Dienstag an ihren schon vor längerer Zeit eingebrachten Vorschlag, wonach eine Abwahl auf Antrag von der Hälfte der Abgeordneten nach einer "Abkühlphase" mit Zweidrittelmehrheit möglich wäre.
Nach derzeitiger Rechtslage ist eine Abberufung des Nationalratspräsidenten nicht vorgesehen. In der Vergangenheit wurde sie immer wieder diskutiert, SPÖ und ÖVP konnten sich aber nicht auf ein gemeinsames Modell einigen.
ÖVP hält an ihrem Modell fest
Prammer sieht nun durchaus Chancen: "Ich merke Bewegung in mehreren Parteien". Ob dieser Eindruck stimmt, will sie nun in ersten "informellen Gesprächen" abklären. Zuversichtlich ist sie unter anderem, nachdem ÖVP-Obmann Michael Spindelegger am Wochenende für eine Möglichkeit der Abberufung eingetreten war.
Allerdings hält die ÖVP an ihrem 2010 präsentierten Modell fest, wie ein Sprecher des Vizekanzlers am Dienstag erklärte. Analog zur Minister- oder Bundespräsidenten-Anklage will die ÖVP die Möglichkeit schaffen, Nationalratspräsidenten per Zwei-Drittel-Beschluss beim VfGH anzuklagen, wenn diese die Bundesverfassung verletzt oder eine Freiheitsstrafe ausgefasst haben. Das Höchstgericht hätte dann über den Amtsverlust zu entscheiden.
Prammer hält nichts von einer Verknüpfung mit Rechtsvergehen, sondern wünscht sich eine generelle Möglichkeit zur Absetzung. Zwischen dem Erstbeschluss im Nationalrat und der tatsächlichen Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit schwebt ihr eine Cooling-off-Phase von "sechs Wochen, zwei Monaten" vor.
"Ich denke, dieser Vorschlag ist sehr vorsichtig", so Prammer. Denn natürlich dürfe der NR-Präsident "nicht zum Spielball" und leichtfertig aus dem Amt geworfen werden. Doch das Präsidium brauche auch die Legitimation des Hohen Hauses, und "es kann schon Umstände geben, wo diese nicht mehr gegeben ist".
Ob sie persönlich in den aktuellen Vorwürfen gegen Graf solche Umstände erkennt? "Das würde ich durchaus so sehen", erklärte Prammer. Ganz abgesehen von der Rechtmäßigkeit der Stiftungskonstruktion und -tätigkeit halte sie die Vorgänge für "bedenklich". Die alte Dame sei nicht gut beraten gewesen. Dabei müssten Politiker jedenfalls in ihrem Verhalten und in moralischen Fragen die Grenzen "viel früher" ziehen.
Opposition offen für Gespräche
Die Opposition zeigt sich offen für Gespräche über eine Abwahlmöglichkeit. FPÖ-Vizeparteichef Norbert Hofer sagte im Ö1-"Mittagsjournal", es gelte zwar, "viele Eckpunkte abzuklären". Man wolle sich der grundsätzlichen Debatte aber nicht verschließen. Grünen-Chefin Eva Glawischnig erneuerte ihre Forderung nach Spielraum für die Absetzung "bei politischen Verfehlungen". Und für das BZÖ hielt Verfassungssprecher Herbert Scheibner fest, eine Zweidrittelmehrheit müsse jedenfalls Voraussetzung sein, damit nicht eine Koalition einen "unliebsamen" NR-Präsidenten aus Oppositionsreihen absägen könne.
Causa Graf
Die heute 90-jährige Gertrud Meschar hat 2006 ihr gesamtes Vermögen (rund eine Millionen Euro) in eine Stiftung eingebracht. Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) wurde in den Vorstand berufen. Erst Jahre nach der Gründung der Stiftung habe sie erfahren, dass sie über ihr Vermögen nicht mehr bestimmen kann, sagt Meschar. Die Stiftung soll dann aus dem Vermögen der Frau sowie über einen Kredit einen Hausanteil gekauft haben, in welchem das Gasthaus von Grafs Bruder eingemietet ist. Die Stifterin bezweifelt, ob der Kaufpreis angemessen war, auch habe es bei den Mieteinnahmen Rückstände gegeben. Der Stiftungsvorstand weist die Vorwürfe zurück. Am Wiener Handelsgericht ist ein Verfahren anhängig.
(APA)