Von egalitär bis elitär: Die Schulen der Politiker

Der Großteil der Regierungs- mitglieder und sonstiger Polit-Spitzen drückte eine öffentliche Schulbank.

Wien. Die Kinder „roter“ und „grüner“ Politiker – ab in die Privatschule, die Kinder „schwarzer“ und „blauer“ Politiker dagegen in die öffentliche Schule: Diese teilweise ideologisch „verkehrte“ Welt beim Politikernachwuchs (siehe oben) hat seinen Ursprung nicht bei dessen Eltern. Der Großteil der Regierungspolitiker und sonstiger Polit-Spitzen hat selbst eine öffentliche Schule besucht:
Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), seit Jahren ein Verfechter der Gesamtschule für alle 10- bis 14-Jährigen, hat nach der Volksschule in Ybbs an der Donau (1966 bis 1970) von 1970 bis 1978 das Bundesgymnasium in Wieselburg besucht. Es folgte die „klassische“ Karriere eines AHS-Absolventen: das Universitätsstudium der Politikwissenschaft, Philosophie und Rechtswissenschaften an der Universität Wien bis 1987.
Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP), eiserner Kämpfer für das bestehende differenzierte Schulsystems aus Hauptschule und Gymnasium, besuchte nach der Volksschule im oberösterreichischen Steyr und der Hauptschule in Sierning (1965 bis 1969) von 1969 bis 1974 die Höhere Landwirtschaftliche Bundeslehranstalt St. Florian. Von 1974 bis 1980 dann Student der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz.
Frauenministerin Doris Bures (SPÖ), Jahrgang 1962, wie Parteichef Gusenbauer eine Anhängerin der gemeinsamen Schule bis 14, besuchte nach einer integrierten Gesamtschule in Wien die Handelsschule, ehe sie ihre Ausbildung zur zahnärztlichen Assistentin absolvierte.
Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) stammt aus einer Lehrerfamilie, die als SPÖ-nahe gilt. Sie besuchte das Gymnasium in Klagenfurt, das Schuljahr 1971/72 verbrachte sie an einer US-Highschool in Foxcroft, Virginia. Jus-Studium.
Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) hielt es mit der christlichen Tradition ihrer Partei: Sie maturierte am katholischen Privatgymnasium St. Ursula in Wien – die elitäre Bildung ebnete den Weg ins Medizinstudium in Wien.
Innenminister Günther Platter, als Mitglied der ÖVP Verteidiger der dualen Ausbildung aus Theorie an den Berufsschulen und Praxis in Betrieben, war nach der Pflichtschule bis 1973 Buchdruckerlehrling sowie Buchdrucker von 1974 bis 1976, danach Gendarmeriebeamter in Landeck und Imst.
Justizministerin Maria Berger von der SPÖ besuchte von 1962 bis 1966 die Volks-, bis 1968 die Hauptschule, weiter ging es – nicht mehr egalitär – am Neusprachlichen Gymnasium der Kreuzschwestern in Gmunden und von 1970 bis 1974 am Oberstufenrealgymnasium Perg. Nach der Matura ein Jahr Studium der Anglistik und Romanistik, danach der Rechts- und Volkswirtschaft.
Landwirtschaftsminister Josef Pröll (ÖVP) wählte nach der Volksschule für die Jahre 1978 bis 1986 eine öffentliche Schule, das Bundesrealgymnasium Hollabrunn – und dann das Studium der Landwirtschaft.
Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ): katholische Privat-Volksschule Marianum, 1974 bis 1982 BRG in Wien. Studium der Geschichteund Politikwissenschaft.
Sozialminister Erwin Buchinger
(SPÖ), drittes von sieben Kindern: 1973 Matura im Bundesrealgymnasium in Rohrbach, Jus-Studium.

Fachminister: Öffentlich & privat

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ist Verfechterin der Gesamtschule, zu der es nach einem längeren „Einstieg in den Umstieg“ auf ein solches neues Schulsystem kommen soll. Volksschule (bis 1969) und BRG in Wien (bis 1977), Betriebswirtschaftsstudium.
Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP), für ein differenziertes Schulsystem, besuchte erst in der Unterstufe das private Elite-Gymnasium Theresianum in Wien, maturierte aber im öffentlichen Gymnasium Reinprechtsdorferstraße 1976, Philosophiestudium.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer von der SPÖ, in dieser Funktion die höchste Frau im Staat, wählte nach Volks- und Hauptschule die Handelsakademie Vöcklabruck (1968 bis 1973). Soziologiestudium.
Bundespräsident Heinz Fischer, der höchste Mann im Staat, besuchte nach der Volksschule ein Humanistisches Gymnasium. Jus-Studium.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2007)


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