Wahlkampagne: Das Leid mit den Ländern

(c) Reuters (Denis Balibouse)
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Früher betraf es nur die ÖVP, jetzt trifft es auch die SPÖ: Die Machthaber in der Provinz sind sich selbst am nächsten, ihre Motivation, wahlzukämpfen, ist enden wollend.

Bis zur Ära Wolfgang Schüssels war es die liebste Nebenbeschäftigung der schwarzen Länderchefs gewesen: das Obmann-Schlachten. Im Demontieren waren sie stets erfolgreicher als im Küren einer Parteiführung. Alois Mock, Josef Riegler und Erhard Busek litten darunter. Besonders der städtische Intellektuelle Busek war den hemdsärmeligen Volkstribunen aus der Provinz ein Dorn im Auge.

Seit geraumer Zeit können auch die Sozialdemokraten in der eigenen Partei miterleben, wovon sie früher nur in der Zeitung lasen, wenn es um die ÖVP ging. Ausgerechnet Alfred Gusenbauer, in dessen Windschatten Landespolitiker – in der Steiermark und in Salzburg – die Mehrheitsverhältnisse umdrehen konnten, war das erste Opfer seiner Landesfürsten.

Besser der andere regiert

Im Zweifel ist den regionalen Häuptlingen ihr eigenes Hemd näher als das Schicksal des Bundesparteichefs im fernen Wien. Und ein Kanzler aus der eigenen Partei, das hat sich mittlerweile schon im Land herumgesprochen, bringt schlechte Wahlergebnisse. Da ist es besser, der „Klassenfeind“ regiert, gegen den sich dann prächtig von der Provinz aus opponieren lässt. Gabi Burgstaller eroberte so Salzburg, Franz Voves die Steiermark, und Michael Häupl baute seine Bastion in Wien aus.

Doch damit war es mit der Angelobung des Kabinetts Gusenbauer vorbei. Sinkende Umfragewerte in Wien und Salzburg machten Häupl und Burgstaller nervös. Mit Alfred Gusenbauer sei keine Wahl mehr zu gewinnen, hieß es – kurz bevor der Ast endgültig abgeschnitten wurde, auf dem der Kanzler saß.

Ouvertüre zur Demontage

Burgstallers spektakulärer Abgang als stellvertretende Bundesparteichefin der SPÖ war nur die Ouvertüre zur Kanzler-Dämmerung. Die Salzburgerin ließ Alfred Gusenbauer ausgerechnet vor einer Regierungsklausur und nur sechs Tage vor dem Wahlgang in Tirol im Regen stehen. Wenig später kündigte sie öffentlich an, ganz sicher nicht Gast beim – dann wenig später abgesagten – „Kanzlerfest“ sein zu wollen.

Michael Häupl wiederum, der eigentlich der Erfinder Alfred Gusenbauers im Jahr 2000 gewesen war, hatte in den vergangenen Monaten nichts unversucht gelassen, Gusenbauers Kanzler-Karriere abzukürzen. Es blieb allerdings beim Maulheldentum. Zur Tat schritt Häupl nicht. Er begnügte sich mit ständigen verbalen Sticheleien, die das Opfer zermürben sollten. Zumal er wusste, dass Gusenbauer schon in der Gewerkschaft, bei den Pensionisten sowie beim – innerparteilich nach wie vor nicht unwichtigen – Bundespräsidenten Heinz Fischer und bei Altpolitikern wie Franz Vranitzky unten durch war.

Da Häupl, dort Pröll

In der ÖVP ist die Häupl-Rolle als jovialer, weinseliger Königsmacher Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll zugedacht. Wilhelm Molterer tut gut daran, sich nicht mit ihm anzulegen. Pröll scheint derzeit zwar nicht in Laune zu sein, sich einen neuen Obmann anzuschaffen. Aber leicht hat es der ÖVP-Chef auch nicht mit ihm. Zuletzt war Molterer von Pröll öffentlich gerüffelt worden, da sich dieser mehr personelle Signale von der Regierungsumbildung gewünscht hätte. Auch war der Niederösterreicher kein großer Freund von Neuwahlen, da seine Funktionäre erst zu Jahresbeginn für ihn landauf landab gerannt waren. Die Motivation, nun schon wieder in einen aufreibenden Wahlkampf zu gehen, ist bei Erwin Pröll und seinen Freunden enden wollend. Ähnliches gilt für die Funktionäre der Tiroler Volkspartei, die erst am 8. Juni Landtagswahlen zu schlagen hatten.

Und auch Oberösterreichs Josef Pühringer stand aus diesem Grund auf der Neuwahl-Bremse. Oberösterreich wählt im Herbst 2009. Ebenso wie Vorarlberg. Da will man nicht schon jetzt alle Resourcen verheizen. Gegen Pröll ist Pühringer allerdings ein Leichtgewicht. Dessen Widerstand wird Molterer aussitzen.

Problemzone Kärnten

Den Widerstand aus Kärnten hatte auch Alfred Gusenbauer in diesem Frühjahr noch ausgesessen. Wochenlang hatten ihn Gaby Schaunig und ihre Genossen gequält: Ultimativ forderten sie immer wieder die Abschaffung der Studiengebühren und die Vorverlegung der Steuerreform. Nun hat sich dieses Problem erledigt. Gusenbauer ist weg, Schaunig auch. Und der designierte SPÖ-Chef Werner Faymann hat ein neues Problem: Wie macht er die marode Landespartei im Süden fit für den Wahlkampf? Und zwar für den bundesweiten im Herbst 2008 und den landesweiten im Frühjahr 2009.

Denn es würde Koalitionsverhandlungen zweifellos erleichtern, wenn das BZÖ nicht mehr ins Parlament käme. Wären die Orangen 2006 an der Vier-Prozent-Hürde gescheitert, hätte es eine rot-grüne Mehrheit im Parlament gegeben. Doch ein Jörg Haider im Aufwind, der nun seine direkte Konkurrentin im Land zermürbt hat, wird dem BZÖ wohl wieder den Einzug in den Nationalrat sichern. Das war schon bei den vergangenen Nationalratswahlen so.

AUF EINEN BLICK

Wer quält die Parteichefs? Bei der SPÖ waren das zuletzt Michael Häupl und Gabi Burgstaller, die knapp vor der Tirol-Wahl ihre Funktion als Vize-Chefin Gusenbauers hinschmiss. In der ÖVP kritisierte Erwin Pröll Parteiobmann Wilhelm Molterer für dessen „mangelnden Weitblick“. Josef Pühringer enthielt sich im ÖVP-Parteivorstand bei der Abstimmung über Neuwahlen der Stimme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2008)

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