Christen: „Unheilige Allianz zwischen Marxisten und Wirtschaft“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Für Parteichef Alfons Adam ist es die erste Aufgabe des Staates, die Generationen-Folge in Österreich zu sichern.

Die Presse: Im März haben „Die Christen“ bei der NÖ-Landtagswahl 0,84 Prozent erzielt. War das nicht eine Ernüchterung?


Alfons Adam: Es hat sehr viele Freunde gegeben, die uns ermutigt haben, weiterzumachen.

Woher sollen Ihre Wähler kommen?


Adam: Nach der Analyse nach der Tiroler Landtagswahl haben wir die Hälfte aus dem Bereich der Nichtwähler bekommen. Und dann von allen anderen Parteien.

Kooperieren „Die Christen“ mit den christlichen Kirchen?


Adam: Nein. Wenn man damit offizielle Verbindungen meint, dann nicht. Es gibt sehr viele Priester, die uns unterstützen, auch Pastoren.


Sie haben zwei große Programmpunkte: Religion und Familie/Kinder. Ist das nicht etwas wenig?


Adam: Wir haben vier Schwerpunkte: Familie, Lebensschutz, Erziehung/Bildung und Kultur. Wir wissen, dass diese Bereiche eng miteinander zusammenhängen. Allein in unserem Programm zur Familie steckt ein gewaltiges Pensum drinnen an politischen Aussagen.

Ein aktuelles Thema im Wahlkampf ist die Zuwanderung. Jene aus christlichen Ländern müsste ihnen willkommen sein, muslimische Zuwanderer eher nicht.


Adam: Wir sehen die Situation anders, als sie diskutiert wird. Wir wollen eine grundlegende Wende erreichen, dass die Österreicher wieder Kinder bekommen, eigene Kinder, viele Kinder, die gesund leben, in Familien heranwachsen. Wenn diese Trendwende eintritt, wird man sehen, ob wir 20 Prozent Fremde im Land haben.

Zur Familie, Stichworte wie Scheidung oder Abtreibung: Da haben Sie unter allen Parteien eine beinahe isolierte Meinung.


Adam: Unserer Meinung nach ist es die erste staatspolitische Aufgabe, die Generationenfolge zu sichern. Viele Kinder, die gesund heranwachsen – das können sie nur in intakten Familien. Wir sind uns sicher, dass die heutigen Probleme – Scheidungen, Scheidungswaisen. Komatrinken, Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen, Ausufern der Aggressivität –, keine Naturkatastrophen sind, sondern hausgemacht. Nämlich durch den Sexkoffer in den Achtziger-Jahren, durch eine Erziehung in Richtung Unzucht und sexueller Ausschweifung und jetzt das Gendermainstreaming als Leitprinzip der Politik. Und das dient nur vordergründig der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, in Wirklichkeit ist es ein Generalangriff auf den christlichen Glauben.

Die Scheidungsrate nähert sich derzeit der 50-Prozent-Marke.


Adam: Deswegen haben wir das Schwerpunktthema Kultur. Das verstehen wir nicht als Theaterprogramm, sondern als Gesamtänderung der Lebenseinstellung. Natürlich wollen wir keinen totalitären Staat, der vorschreibt, wie die Leute ihr Leben gestalten sollen. Wir wollen, dass die Leute heiraten, ihre Aufgabe als Väter und Mütter wahrnehmen lernen.

Beide Familienteile sind zumeist berufstätig.


Adam: Wir glauben, dass die Mutter als solche berufstätig ist, dass sie den wichtigsten Beruf überhaupt ausübt. Aber sie kann das heute oft nicht. Das ist eine unheilige Allianz zwischen Marxisten und Wirtschaft. Wir haben den Verdacht, dass das unter anderem eine Maßnahme ist, bei der Gendermainstreaming als Leitprinzip schon bei Kindern angewendet werden soll, damit sie rechtzeitig umerzogen werden.


Ihre Definition des Gendermainstreaming?


Adam: Das ist im Effekt die Abschaffung vom Mann und Frau als biologisches Geschlecht, es soll nur ein soziologisches geben. Jeder soll sich aussuchen können, was er sein will, homosexuell, heterosexuell, transsexuell. Eine deutsche Soziologin hat das so ausgedrückt: Wir bekommen jetzt statt Ehe und Familie Promiskuität, Homosexualität, Inzest und Pädophilie. Und das wäre dann die neue Gesellschaft, der neue Mensch. Das ist das neue Leitbild. Wir haben in allen Ministerien Gender-Beauftragte, in allen Schulen. Wir haben den Verdacht, dass ein Grund für Kinderkrippen und verpflichtendes Vorschuljahr ist, dass man die Kinder rechtzeitig in diese Richtung indoktrinieren kann.

Welche der kandidierenden Parteien steht Ihnen am nächsten?


Adam: Das können wir jetzt gar nicht sagen. Alle Parteien sind der Meinung, dass Gendermainstreaming eine gute Sache ist.

Nicht die ÖVP als christlich-soziale Bewegung?


Adam: Das ist fast der gefährlichste Gegner in dem Sinn, dass die Leute glauben, bei der christlichen Volkspartei gibt es kein Gendermainstreaming. Das für unsere Sache das Schlimmste.

Gibt es einen Politiker, der für Sie sozusagen ein Vorbild ist?


Adam: Der letzte, der mit einfällt, ist Julius Raab (Anm.: ÖVP-Bundeskanzler 1953-61).

Wenn sie den Einzug in den Nationalrat nicht schaffen: Ist das das Ende Ihrer Partei?


Adam: Ganz sicher nicht.

ZUR PERSON: PARTEIGRÜNDER, FAMILIENAKTIVIST

Alfons Adam (64) ist Rechtsanwalt in Neulengbach (NÖ) und hat die Partei „Die Christen“ im Jänner 2006 gegründet. Sie trat bei den Landtagswahlen im März 2008 in Niederösterreich (0,84 Prozent) und im Juni in Tirol (1,4 Prozent) an. „Die Christen“ verstehen sich als überkonfessionell, man will Katholiken, Evangelische, Orthodoxe und Evangelikale gleichermaßen ansprechen.

Adam kommt aus der Paneuropa Union (NÖ-Landesobmann in den Achtzigerjahren) und war im Lebensschutzbereich aktiv (Verein Pro Vita). Er hat sieben Kinder, 21 Enkel, einen Urenkel. [Michaela Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2008)

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