Steiermark: ÖVP kündigt die Koalition in Graz

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Bürgermeister Siegfried Nagl beendete die Zusammenarbeit mit den Grünen, weil sie sich gegen eine Bürgerbefragung stellten. Neuwahlen sind vorerst nicht geplant.

Wien. Die Reininghausgründe im Grazer Westen sind seit Anfang der 1990er-Jahre ein Zankapfel. Nun ist auch die Koalition zwischen ÖVP und den Grünen daran zerbrochen. Am Mittwoch hat Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) den Grünen überraschend die Zusammenarbeit gekündigt. „Wer nicht mit mir für Graz arbeitet, ist kein Partner für mich“, sagte Nagl. Der Grund: Nagl wollte die Grazer Bürger zum Ankauf der Reininghausgründe befragen, fand dafür in den vergangenen Wochen aber keine Mehrheit.

Am Dienstag verwehrten schließlich auch Vizebürgermeisterin Lisa Rücker und die Grünen dem Bürgermeister ihre Zustimmung. Erst vor zwei Wochen hatten sie gemeinsam den Fahrplan für die Bürgerbefragung präsentiert. Auch bei den Themen Umweltzone sowie Murkraftwerk gab es zuletzt Meinungsverschiedenheiten. „Ich bin ein geduldiger Mensch“, sagte Nagl. „Aber ich verstehe die Grünen nicht mehr.“

Rücker bleibt, Wahl im Jänner

Seit 2008 regiert die ÖVP gemeinsam mit den Grünen. Im Jänner 2013 steht planmäßig die Gemeinderatswahl an – daran dürfte sich trotz Koalitionsende nichts ändern. Nagl möchte in der Stadtregierung vorerst auf das Spiel der freien Kräfte setzen. Soll heißen: Die Grünen bleiben in der Regierung, Rücker bleibt Vizebürgermeisterin. Von Neuwahlen will Nagl noch nichts hören, von Fall zu Fall werde er sich strategische Partner suchen.

Fix ist aber, dass die Grünen nach der nächsten Gemeinderatswahl kein Partner mehr für die Grazer ÖVP sein werden. „Wenn es zu einem Bruch mit den Grünen vor der Wahl kommt, dann ist das wohl auch keine Option auf die Zukunft mehr“, stellte der Bürgermeister klar. In Sachen Bürgerbefragung will Nagl nun mit der SPÖ zusammenarbeiten – und die Bevölkerung noch vor dem Sommer zum Thema Reininghausgründe befragen. Verhandlungen sollen kommende Woche geführt werden. Ob der geplante Termin (22. Juni) hält, ist allerdings fraglich.

Die Grünen erklärten indessen, weiterhin grundsätzlich hinter dem Projekt Reininghausgründe zu stehen. Für 75 Millionen Euro will die Stadt das 54 Hektar große ehemalige Brauereigelände im Westen von Graz von privaten Investoren kaufen. Ein neuer, ökologisch vorbildlicher Stadtteil soll dort errichtet werden. Seit Anfang der 1990er-Jahren wurden immer wieder verschiedenste Konzepte für ein neues Viertel entwickelt. Auch hat das Areal immer wieder die Besitzer gewechselt, baulich getan hat sich aber nie wirklich etwas.

Nagl will nun unter Ägide der Stadtregierung und mit Unterstützung mehrerer Banken die Entwicklung vorantreiben. Doch den Grünen waren die Details, auch jene der Bürgerbefragung, nicht ausgereift genug. „Da gibt es noch einiges Offenes, und wir sehen nicht ein, warum man sich nicht die Zeit nehmen soll, eine seriöse und gut aufbereitete Befragung zu machen“, sagte Vizebürgermeisterin Rücker. Die Grünen wollten über den Sommer weiterverhandeln bzw. ausformulieren und erst im Herbst die Bürger befragen.

Grüne: „Wahltaktische Gründe“

„Der Bürgermeister hat schlichtweg die Nerven weggeworfen“, sagte Rücker nach dem Koalitionsbruch. Nagl habe der parteiinternen Zerrissenheit und den vielen Einflüsterern in seiner Partei nicht standgehalten und den „fortschrittlichen Kurs mit uns Grünen“ verlassen. Hinter Nagls Entscheidung vermutet Rücker wahltaktische Gründe.

Kritik kam auch von den anderen Stadtparteien. KPÖ-Stadträtin Elke Kahr sagte, Nagl handle wie ein „Hasardeur am Spieltisch“ – die Grünen hätten sich viel zu lange vor den Karren der ÖVP spannen lassen. Und BZÖ-Chef Gerald Grosz sagte: „Die Koalitionsauflösung kommt um vier Jahre zu spät.“

Auf einen Blick

Seit 2008 regieren ÖVP (23 von 56Mandaten) und Grüne (acht) gemeinsam in Graz. Am Mittwoch kündigte Bürgermeister Siegfried Nagl die Koalition, weil ihn die Grünen bei einer Bürgerbefragung nicht unterstützten. Im Jänner wird plangemäß ein neuer Gemeinderat gewählt. Bis dorthin setzt Nagl auf „das Spiel der freien Kräfte“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2012)

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