Die Historikerin Sophie Ledebur erforscht, wie sich das Unwissen über mögliche Straftaten als politisches Argument etablierte.
Nach den vielen Frauenmorden in Österreich in den ersten Wochen des neuen Jahres fehlte sie in kaum einer Meldung: die Dunkelziffer. Die suggerierte Gefahr, die von ihr ausgeht, die Angst und die Ungewissheit lassen sich medial gut verkaufen. Dabei ist die Studienlage zu Gewalt gegen Frauen üppig und das Wissen um die Realität von häuslicher Gewalt groß. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich die österreichische Regierung vorwerfen lassen muss, das Thema für die eigene auf Migration fixierte Agenda zu instrumentalisieren.
Mit den Anfängen des Phänomens der Dunkelziffer – sie gilt als die größte Krux der Kriminalstatistik – beschäftigt sich die Historikerin Sophie Ledebur. Zuletzt arbeitete sie dazu am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien, ab Februar mit einer Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Humboldt-Universität in Berlin. Die Dunkelziffer beschreibt unentdecktes und den staatlichen Behörden nicht bekanntes Verbrechen. Sie bildet die Basis für Bedrohungsszenarien und ruft Handlungsbedarf hervor.