Wie man den Sachwalter vermeidet

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Neues Gesetz bringt mehr Autonomie und mehr Familie: Mit 1. Juli fällt das „Monopol“ des Sachwalters.

Wien. Fragt man im Bekanntenkreis, wovor sich Menschen am meisten fürchten, dann folgt nach Tod und Krankheit bald eines: die Angst, einmal nicht mehr „Herr der eigenen Sinne“ zu sein. Derzeit stehen in Österreich 50.000 Menschen unter Sachwalterschaft. Eine hohe Zahl, die mit der zunehmend formalisierten Geschäftswelt, aber auch der steigenden Lebenserwartung zusammenhängt.

Denn unter den „Besachwalterten“, wie es im schönen Bürokratendeutsch heißt, sind neben Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung immer mehr Senioren, die unter Altersdemenz leiden. Gerade diese Gruppe könnte aber gut selbst vorsorgen. Das neue Sachwalterrechtsänderungsgesetz, das mit 1.Juli in Kraft tritt, bietet nun solche Alternativen zum Sachwalter. Mehr Autonomie, mehr Rechte für die Familie, lautet das Motto. Aber auch: Weniger Sachwalterschaften, weniger (teure) Gerichtsverfahren, weniger Kontrolle. Hier die wichtigsten Neuerungen im Überblick:

Die Vorsorgevollmacht: Sie ermöglicht geistig Gesunden, eine Person ihres Vertrauens zu bestimmen, die sie vertreten soll, wenn sie selbst nicht mehr entscheiden können.

Man kann einen oder mehrere Stellvertreter für verschiedene Angelegenheiten (Vermögen, Gesundheit) festsetzen und dazu Vorgaben machen. Die Wirksamkeit ist an ähnliche Formerfordernisse wie das Testament gebunden. Ein Formular wurde vom Justizministerium kürzlich online gestellt (siehe Link). Werden dem Bevollmächtigen besonders wichtige Entscheidungen übertragen (z. B. Einwilligung in schwerwiegende medizinische Behandlungen oder dauerhafte Veränderung des Wohnorts), ist eine Belehrung durch Rechtsanwalt oder Notar nötig. Wer will, kann die Vollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registrieren lassen. Tritt die anvisierte Situation ein – man verliert die „erforderliche Geschäftsfähigkeit oder Einsichts-und Urteilsfähigkeit oder Äußerungsfähigkeit“ –, muss der Bevollmächtigte die Wirksamkeit der Vollmacht registrieren lassen (wichtig vor allem für Bankgeschäfte). Dazu braucht man ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen. Die Vollmacht kann jedoch jederzeit – auch ohne Geschäftsfähigkeit! – widerrufen werden. Falls nötig, wird dann ein Sachwalter bestellt. Das passiert auch, wenn der Verdacht eines Missbrauchs besteht. Offen sind die Kosten für die Beratung bzw. Errichtung durch Notare oder Rechtsanwälte (die bloße Registrierung kostet zwischen 12 und 20 Euro). Die Rechtsanwälte überlegen eine „Package“-Lösung, ähnlich wie bei der Patientenverfügung. Diese kostet 120 Euro.


Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger: Eltern, volljährige Kinder, Ehegatten und Lebensgefährten dürfen Alltagsgeschäfte erledigen.

Die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger greift, wenn man auf Grund geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung die Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens nicht mehr besorgen kann und keine Vorsorgevollmacht besteht. Die Vertretungsbefugnis „legalisiert“ damit einen rechtlichen Graubereich. Soweit sie ausreicht, braucht man keinen Sachwalter. Sie umfasst u.a. die Zustimmung zu „kleineren“ medizinischen Behandlungen, die Geltendmachung von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen, aber auch die Möglichkeit, Geld vom Konto der erkrankten Person abzuheben. Gerade Letzteres macht Martin Schauer, Professor für Zivilrecht an der Uni Wien, Sorgen: „Die Regelung ist dazu angelegt, Missbräuche zu verdecken.“ Denn im Unterschied zum Sachwalter wird der Vertetungsbefugte nicht automatisch gerichtlich kontrolliert. Und anders als bei der Vorsorgevollmacht wurde die Person ja nicht vom Betroffenen ausgesucht.

„Ausschließen kann man nie etwas“ sagt Michael Stormann, Abteilungsleiter im Justizministerium, „aber man soll die Autonomie der Familie anerkennen“. Immerhin besteht die Möglichkeit, vorab einen Widerspruch gegen die Vertretung registrieren zu lassen. Man kann die Vertretung auch jederzeit ablehnen, dann kann aber – ebenso wie bei Missbrauchverdacht – ein Sachwalter bestellt werden. Widersprechen sich mehrere Angehörige, gilt keine Erklärung. Umstritten ist, ob die Befugnis „kraft Gesetzes“ eintritt oder erst, wenn sie ein Angehöriger im ÖZVV nach Vorlage des ärztlichen Zeugnisses registrieren lässt.


Bessere Betreuung durch den Sachwalter.

Eine Privatperson darf nicht mehr als fünf, ein Anwalt oder ein Notar nicht mehr als 25 Sachwalterschaften übernehmen. Einmal pro Monat muss man mit den Pflegebefohlenen persönlich Kontakt haben. Das Justizministerium will dadurch eine Massenbetreuung (bis zu 1000 Sachwalterschaften pro Kanzlei) vermeiden. Rechtsanwalts- und Notariatskammer halten dagegen, dass die Spezialisierung einer Kanzlei nur bei mehr Sachwalterschaften sinnvoll ist – auch wirtschaftlich. Dem trägt nun auch ein Kompromiss Rechnung: Weist eine Kanzlei dem Gericht nach, dass ihr System funktioniert, darf sie mehr Fälle übernehmen. Sachwalterschaften, die abgegeben werden müssen (bis 1. Juli 2012), werden auf Kollegen, vor allem auf die Sachwaltervereine verteilt. „Wie wir das ohne zusätzliche Ressourcen schaffen sollen, weiß ich allerdings nicht“, sagt Monika Vyslouzil vom Verein „Vertretungsnetz“.

Sachwalterverfügung und Clearing-Stellen.

Eigentlich selbstverständlich: Natürlich darf man vorab nicht nur eine Vertrauensperson (siehe Vorsorgevollmacht) bestimmen, sondern auch einen konkreten, vom Gericht zu bestellenden Sachwalter (Sachwalterverfügung). Mit Clearing-Stellen ist die Aufwertung der Sachwaltervereine gemeint. Sie sollen, noch bevor ein Sachwalter bestellt wird, darüber beraten, welche Art der Vorsorge im konkreten Fall die richtige wäre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2007)

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