Thermenerhaltung neu: Unsachlich, verfassungswidrig

(c) Michaela Bruckberger
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Die Koalition will ein mietrechtliches Problem lösen und schafft damit ein neues verfassungsrechtliches – eine Kritik.

Innsbruck. Seit letzte Woche der Entwurf für eine Wohnrechtsnovelle 2015 (WRN 2015) den Ministerrat passiert hat, ist der ganz normale Thermenwahnsinn, der seit Jahren das österreichische Mietrecht kennzeichnet, um eine Episode reicher.

Offenbar zwecks Überwindung der Blockadepolitik der SPÖ, die Österreichs Wohnungseigentümer bezüglich der – längst überfälligen – gesetzlichen Sanierung der Problematik der unterbliebenen Verbücherung von Zubehör-Wohnungseigentum seit Monaten in rechtspolitischer Geiselhaft hält, sieht der Entwurf in seinen Artikeln 1, 2 und 4 eine markante Veränderung der Rechtslage bezüglich der Erhaltung des Mietobjekts zu Lasten der Vermieter vor.

Nun lässt sich, je nach ideologischem Standpunkt, über die Sachgerechtigkeit dieses politischen Tauschgeschäfts als solchem vielleicht noch streiten. Nicht ernstlich bestritten werden kann hingegen, dass die geplanten mietrechtlichen Neuregelungen juristisch als misslungen anzusehen sind. Insoweit kann man bloß darüber geteilter Ansicht sein, ob die geplanten Neuerungen „nur“ unsachlich sind oder sich diese Unsachlichkeiten da und dort gar zu Verfassungswidrigkeiten verdichten.

Andere Geräte ungeregelt

Dies beginnt schon damit, dass sich der Entwurf inhaltlich nur auf die Erhaltung von Heizthermen, Warmwasserboilern und sonstigen Wärmebereitungsgeräten in Häusern, in denen sich mehr als zwei Mietobjekte befinden, bezieht. Was demgegenüber bezüglich der Erhaltung sonstiger Geräte und Einrichtungen des Mietobjekts – wie etwa Herde, Kühlschränke und Klimaanlagen – gilt, soll durch die Novelle ebenso wenig beantwortet werden wie die Frage, welche Rechtslage bezüglich der Erhaltung von Heizthermen, Warmwasserboilern und sonstigen Wärmebereitungsgeräten für Mieter in Ein- und Zweifamilienhäusern gilt.

Damit wird nicht nur – und gleichsam sehenden Auges – die hinsichtlich der mietrechtlichen Erhaltungspflichten gegenwärtig bestehende Rechtsunsicherheit in ganz erheblichem Ausmaß prolongiert, sondern auch insofern massiv gegen das Regierungsübereinkommen verstoßen, als sich dieses ja bekanntlich die Schaffung eines gleichen und einheitlichen (!) Mietrechts für alle zum Ziel gesetzt hat.

Wenn man einen Blick auf die vom Ministerialentwurf für die Rechtsänderungen vorgesehenen Übergangsregelungen wirft, muten die inhaltlichen Unsachlichkeiten des Entwurfs indes geradezu harmlos an. Nicht nur, dass die neuen Erhaltungspflichten Vermietern auch bei Mietverträgen aufgebürdet werden sollen, die bereits vor Jahrzehnten abgeschlossen wurden und bei denen der vom Mieter für ein ganzes Jahr (!) geschuldete Mietzins nicht selten weniger ausmacht als die Kosten für den Austausch einer einzigen defekten Heiztherme.

Nein, es sollen diese Neuregelungen auch in Verträge eingreifen, bei denen in der Vergangenheit zwischen dem Vermieter und dem Mieter wirksam (!) vereinbart wurde, dass den Mieter die entsprechende Erhaltungspflicht trifft. Praktisch dürften von diesem Eingriff in bestehende Verträge hauptsächlich die privaten Vermieter von Eigentumswohnungen sowie die Vermieter von Geschäftsräumen betroffen sein. Bereits an dieser Stelle bestehen gute Gründe anzunehmen, dass der Entwurf die Grenze von der „bloßen“ Unsachlichkeit hin zur Verfassungswidrigkeit überschritten hat.

Zweifellos überschritten dürfte diese Grenze insofern sein, als von der Anwendbarkeit des neuen Rechts nur bereits rechtskräftig abgeschlossene Gerichtsverfahren ausgenommen werden sollen, es ansonsten aber offenbar auch umfassend für die Zeit vor seinem Inkrafttreten gelten soll. Praktisch bedeutet dies nichts Geringeres, als dass der Gesetzgeber die bisherige Rechtslage mit einem Federstrich auch rückwirkend „aushebelt“ und solcherart Vermieter Ersatzansprüchen bezüglich der von den Mietern bereits in der Vergangenheit aus eigenem Antrieb ausgetauschten Heizthermen, Warmwasserboiler und sonstigen Wärmebereitungsgeräte aussetzt; dies im Extremfall rückwirkend für die letzten dreißig (!) Jahre. Jedenfalls soll dies nach dem klaren Wortlaut der geplanten Übergangsbestimmungen dann gelten, wenn die Mieter ihre entsprechenden Ansprüche bis zum Zeitpunkt des geplanten Inkrafttretens der Neuregelung am 1. März gerichtlich geltend gemacht haben.

Eine Klageflut statt der anderen

Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass die WRN 2015 das „Kunststück“ zuwege bringt, zwar im Wohnungseigentumsrecht eine drohende Klageflut bei den österreichischen Gerichten zu vermeiden, im Mietrecht hingegen eine derartige Klageflut geradezu in Gang zu setzen. Und man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass diese Klageflut nicht nur die ordentlichen Gerichte, sondern auch und vor allem den Verfassungsgerichtshof beschäftigen würde.

Aber noch ist der Ministerialentwurf für die WRN 2015 vom Nationalrat ja nicht beschlossen, und es ist zu hoffen, dass ihm im Rahmen seiner parlamentarischen Behandlung zumindest der eine oder andere „mietrechtliche Giftzahn“ gezogen wird.


Andreas Vonkilch lehrt Zivilrecht an der Uni Innsbruck. Er berät als unabhängiger Experte u. a. die ÖVP in wohnrechtlichen Fragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

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