Revolutionierte Rechtsgeschäfte

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Die Technologie, die Bitcoin zugrunde liegt, ermöglicht die Automatisierung von Rechtsgeschäften - und zwar nicht nur von Kaufverträgen.

Wien. Wien Energie testet eine neue Gashandelsplattform, ein Private-Equity-Fonds in der Schweiz baut die eigene Verwaltung neu auf, in Schweden wird seit März ein neues Grundbuchsystem getestet. Was alle drei Entwicklungen gemeinsam haben? Sie setzen alle auf Blockchain-basierte Lösungen.

Erhöhte Datensicherheit

Blockchain ist die Distributed-Ledger-Technologie, die der virtuellen Währung Bitcoin zugrunde liegt. Dabei werden Vorgänge nicht mehr durch eine zentrale Stelle abgewickelt und gespeichert, sondern in einer bei jedem Teilnehmer hinterlegten Datenbank gelagert und automatisch dezentral verwaltet. Zwar leiden im Detail einzelne Anwendungen noch an technischen Unzulänglichkeiten, die konzeptionellen Vorteile sind jedoch bereits jetzt bestechend. Die Technologie schafft bereits jetzt ungleich höhere Datensicherheit und ermöglicht nicht nur die automatisierte Erstellung eines vollständigen Transaktionsverzeichnisses, sondern erlaubt in der Praxis auch den Wegfall verschiedener Intermediäre. Im Falle von Bitcoin betrifft dies etwa insbesondere Banken, aber auch Kreditkartenunternehmen und andere Zahlungsdienstleister.

Abstrakt gesprochen lassen sich mit Blockchain bestehende und vergangene Rechtsverhältnisse automatisch in Echtzeit sicher speichern. Damit hat die Technologie das Potenzial, eine Vielzahl von Branchen grundlegend zu verändern. Zu denken ist dabei einerseits an die De-Intermediarisierung. Während heutzutage viele Rechtsgeschäfte unter Einbindung von Intermediären stattfinden, werden auf Basis von Blockchain direkte Geschäftslösungen zwischen Herstellern und Verbrauchern umsetzbar. Klassische Intermediäre wie Geschäftsvermittler, Treuhänder oder eben Banken bleiben ausgespart. Im radikalen Blockchain-Denken ist jeder Intermediär zwischen Geber und Nehmer ein Intermediär zu viel, schließlich verringert jeder Intermediär die Transaktionseffizienz.

Durch diese Automatisierung werden jedoch nicht nur die Geschäftstätigkeiten von Intermediären herausgefordert. Wenn sich Rechtsverhältnisse in einem Blockchain-System darstellen lassen, erscheint die Implementierung von automatisierten Rechtsgeschäften nur als logische Konsequenz. Die Rede ist dabei von sogenannten Smart Contracts. Dies sind sich selbst abwickelnde Verträge, die zumindest im Kern aus Programmcodes bestehen. Klassische Verträge verschaffen einen Titel, die Setzung des Verfügungsgeschäfts und eben die weitere Vertragsabwicklung hängen, sofern kein Treuhänder zwischengeschaltet ist, vom Bindungswillen jeder Partei ab. Smart Contracts zeichnet hingegen aus, dass zusätzlich das Verfügungsgeschäft automatisch abgewickelt wird. Dadurch können sie Rechtsgeschäfte in der Theorie ganzheitlich abwickeln. Es wäre absolut verkürzt, hier nur an simple Kaufverträge zu denken. Viel mehr lassen sich in der Theorie selbst komplexe Transaktionen über Smart Contracts abwickeln, die heute endlos viele Seiten teilweise standardisierter Vertragsdokumentation erfordern.

Juristen könnten damit in ihren Kernaktivitäten, etwa Treuhandschaften, Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung, gleichermaßen herausgefordert werden. Weitere potenziell betroffene Tätigkeitsfelder sind Eingaben bei Behörden und Gerichten, die ebenfalls weitgehend automatisiert erfolgen könnten. Dem kann man mit einem weinenden und einem lachenden Auge entgegensehen. Während der Zeitaufwand sich verringert, bleibt mehr Zeit für wirklich wichtige juristische Fragen.

Lokomotive für Innovation

Man kann sich daher leicht ausmalen, dass auch Juristen sich zunehmend an die Innovationslokomotive Blockchain anhängen und mittel- bis langfristig die Nachfrage nach juristischen IT-bezogenen Dienstleistungen, insbesondere der Erstellung und Bearbeitung von Smart Contracts, steigt. Außerhalb des juristischen Dienstleistungssektors wälzen die Blockchain-Technologie und die Automatisierung bereits ganze Branchen um, in kleinen und großen Wellen. Welch schöne neue Welt.


Mag. Patrick Kratzenstein ist Konzipient bei Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2017)

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