„Rechtspanorama an der WU“

Mehr Härte bei schlechten Studenten

Auch aus dem Publikum kamen Fragen zu unterhaltsrechtlichen Problemen, an Tews, Gitschthaler, Birnbaum, Moderator Kommenda, Kalss und Meyer (v. l.).
Auch aus dem Publikum kamen Fragen zu unterhaltsrechtlichen Problemen, an Tews, Gitschthaler, Birnbaum, Moderator Kommenda, Kalss und Meyer (v. l.). (c) Stanislav Jenis
  • Drucken

Die Fälle, in denen Eltern von ihren Kindern Unterhaltszahlungen zurückfordern, häufen sich. Den Studienerfolg muss man heute laufend nachweisen.

Wien. Es ist schon etwas Besonderes, wenn Kinder ihre Eltern klagen. Aber auch der umgekehrte Fall ist inzwischen immer wieder Thema vor Österreichs Gerichten. Eltern fordern von ihren Kindern wegen mangelnden Erfolgs an der Universität den für sie bereits bezahlten Unterhalt zurück.

Der wahrscheinlich spektakulärste Fall war der einer jungen Frau, die nun 32.000 Euro zahlen muss: 24.000 Euro davon beträgt der Unterhalt, den sie zu Unrecht bezogen hat, 8000 Euro machten die Verfahrenskosten aus. Doch wie kann es überhaupt so weit kommen, dass ein Elternteil und ein Kind vor Gericht um solche Fragen streiten?

„Fast alle Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass es in der Familie gar keine Kommunikation mehr gibt“, berichtete Rechtsanwalt Günter Tews beim letztwöchigen „Rechtspanorama an der WU“. In einem Fall habe eine Studentin nach acht Semestern nur sieben ECTS-Punkte gehabt. „Der Vater hat hier ewig nicht nachgefragt, weil es nach der Scheidung nur Probleme gegeben hat“, erzählte der auf Unterhaltsfragen spezialisierte Jurist. Es habe aber auch den Fall gegeben, in dem ein Vater erstmals vor Gericht die Zeugnisse seiner Tochter gesehen hat. Sie hat von ihm Unterhalt gefordert und erst im Verfahren ihren Leistungsnachweis hergezeigt. Der Vater habe sich dann so über die guten Zeugnisse der Tochter gefreut, dass er sich sogar entschloss, ihr noch ein Zweitstudium zu finanzieren.

Wer als Student mit welchen Leistungen noch ein Recht auf Unterhalt hat, ist gar nicht so leicht zu sagen. „Das Kindesunterhaltsrecht zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es kaum kodifiziert ist. Es handelt sich also um Richterrecht“, betonte Edwin Gitschthaler, Hofrat am Obersten Gerichtshof in einem auch für Unterhaltsfragen zuständigen Senat. Einige Punkte müssten laut Judikatur erfüllt sein, damit ein studierendes Kind ein Recht auf Unterhalt hat: Es muss genug Fähigkeiten für das Studium besitzen, dieses ernsthaft und zielstrebig betreiben, und bei den unterhaltspflichtigen Eltern muss genug Vermögen vorhanden sein. Hingegen sei es ein häufiges Missverständnis, dass Eltern dem Kind nur jenen Bildungsgrad ermöglichen müssten, den auch sie haben. „Das spielt keine Rolle“, sagte Gitschthaler.

Liberale Regeln nur zu Beginn

Grundsätzlich gilt, dass Kinder im Rahmen der durchschnittlichen Studiendauer ihre universitäre Ausbildung absolvieren müssen, nicht aber innerhalb der Mindeststudiendauer. Verschärft hat sich die Judikatur jedoch insofern, als man nun nicht erst nach bestimmter Zeit (etwa nach Studienabschnitten), sondern schon laufend den Studienerfolg des Kindes überprüft. Und zwar anhand der ECTS-Punkte, die das Kind an der Uni erworben hat. Bei den ersten zwei Semestern, die als Orientierungsphase gesehen werden, ist die Judikatur noch sehr liberal und erlaubt selbst Studienwechsel. Danach aber werden konkrete Erfolgsnachweise verlangt.

„Ein zunehmendes Problem in der Praxis ist das Auslandsstudium“, berichtete Gitschthaler. Für dieses müsse man als Student darlegen, warum es denn nötig sei. So gab es den Fall einer Frau, die mit der Begründung im Ausland studieren wollte, dass die österreichischen Universitäten alle so schlecht seien. Das Argument habe freilich nicht gezogen, sagte Gitschthaler. Auch bei Doktoratsstudien würden strengere Regelen gelten: Nur wer bereits besonders schnell und gut studiert hat, habe einen Anspruch darauf, noch bis zur Promotion Unterhalt von den Eltern einzufordern.

Ein grundsätzliches Problem bei Unterhaltsverfahren: „Diese laufen zunächst vor den Rechtspflegern, die personell unterbesetzt sind“, berichtete Brigitte Birnbaum, Rechtsanwältin mit Spezialisierung auf Familienrecht. Aber auch inhaltlich seien die Rechtspfleger manchmal bei komplexeren Fällen überfordert. Erst im weiteren Rechtsweg kommen diese Fälle zu einem Richter. Und gerade wenn sie sich länger ziehen, kann am Ende eine hohe Summe herauskommen, die der Student dann zurückzahlen muss. Auch Birnbaum konnte aus der Praxis von drastischen Fällen berichten. Etwa dem eines Vaters, gegen den die Tochter schon eine Gehaltsexekution einleitete. „Und nach einer Recherche hat er herausgefunden, dass die Tochter seit einem Jahr mehr verdient als er selbst“, sagte die Vizepräsidentin der Wiener Anwaltskammer.

Aber wann muss man einen einmal erhaltenen Unterhalt zurückzahlen? Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) differenziere zwischen gut- und schlechtgläubigen Empfängern, analysierte Susanne Kalss, Professorin für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU. „Und das ist vollkommen gerechtfertigt“, meinte sie. Wenn jemand ein Unterhaltsverfahren in die Länge ziehe, obwohl er wisse, dass er keinen Anspruch auf Alimente mehr habe, sei es in Ordnung, wenn dieser Geld zurückzahlen müsse. Als Signale für fehlende Gutgläubigkeit gelte, wenn dem Studenten schon die Familienbeihilfe gestrichen wurde oder wenn er trotz mehrfacher Aufforderung seine Leistungen nicht offenlegen will.

Arbeiten: Gut oder schlecht?

Die Zeiten, in denen schnelles Studieren das Um und Auf war, seien aber vorbei, berichtete Michael Meyer, Vorstand des Zentrums für Berufsplanung der WU. „Nun korreliert eine längere Studiendauer mit höherem beruflichen Erfolg“, erklärte Meyer unter Verweis auf Statistiken. Das lasse sich damit erklären, dass immer mehr Arbeitgeber bei neuen Mitarbeitern eine berufliche Tätigkeit schon während des Studiums voraussetzen. Ein Umstand, der sich auch einmal auf die Judikatur auswirken könnte. Wobei OGH-Richter Gitschthaler davor warnte, wegen dieser Statistik nun länger zu studieren. Wenn es aber für einen Studenten tatsächlich bessere Berufsaussichten bedeute, wenn er neben dem Studium arbeite, fließe das in die richterliche Bewertung ein.

Verpflichtet sind Studenten grundsätzlich nicht, arbeiten zu gehen. Ein Job könne sogar unterhaltsrechtlich kontraproduktiv sein, erklärten die Experten. Wenn jemand so viel dazuverdiene, dass er mehr habe, als er zum Leben benötige, mindere das die Unterhaltspflicht der Eltern.

DIE NÄCHSTE DISKUSSION

„Rechtspanorama am Juridicum“. Am Montag, dem 19. Juni, findet die letzte Ausgabe der Reihe „Rechtspanorama am Juridicum“ vor der Sommerpause statt. Thema sind diesmal die Staatsverweigerer. Darüber diskutieren Fachleute des Verfassungs- und des Strafrechts sowie der Rechtsphilosophie, aber auch Expertinnen, die das Treiben der Staatsverweigerer aus nächster Nähe beobachten. Veranstalter der Diskussion sind die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien und „Die Presse“. Beginn: 18 Uhr, Dachgeschoß des Juridicums, Eintritt frei!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.