Schiedsgericht

Warum Hartberg die Bundesliga-Lizenz erhielt

Hartberg-Präsidentin Brigitte Annerl jubelte zuletzt nicht nur über den Sieg gegen Lustenau, sondern auch über die Lizenz.
Hartberg-Präsidentin Brigitte Annerl jubelte zuletzt nicht nur über den Sieg gegen Lustenau, sondern auch über die Lizenz.(c) GEPA pictures / Michael Riedler
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Die Entscheidung des Ständigen Neutralen Schiedsgerichts zugunsten der Steirer wurde vielfach kritisiert. Doch sie erfolgte bloß aufgrund einer richtigen Auslegung des Lizenzierungshandbuchs. Eine Verteidigung.

Wien. Die unter meinem Vorsitz getroffene Entscheidung des Ständigen Neutralen Schiedsgerichts der österreichischen Fußball-Bundesliga in der Sache TSV Hartberg führte zu Unmutsäußerungen von „Überraschung“, über „Farce“ bis zur „Ohrfeige“. Auf dem Fußballplatz kommt das vor. Gut wäre aber, wenn jene, die strittige Szenen kommentieren, das Spiel gesehen haben und die Regeln kennen.
In sportlicher Hinsicht reicht das Wissen von Juristen zumindest so weit, dass aufstiegsberechtigt primär jene Mannschaft ist, die in der Meisterschaft besser abgeschnitten hat – nicht etwa jene, die mehr Geld in ein Stadion investieren kann. In erster Linie zählen Tore, nicht Budgets.


Eine andere Sache ist, dass der nach sportlicher Leistung aufstiegsberechtigte Verein zudem gewisse, dem Lizenzierungshandbuch der Bundesliga (LHB) zu entnehmende Mindesterfordernisse vor allem an Infrastruktur und Finanzen zu erfüllen hat. Ob dies der Fall ist, beurteilt in der Bundesliga zunächst deren Senat 5 und sodann bei Einsprüchen deren Protestkomitee. Als dritte Instanz ist außerhalb der Bundesliga das Ständige Neutrale Schiedsgericht eingerichtet. Ein Instanzenzug hat immer nur Sinn, wenn die höhere Instanz zu einer anderen Meinung kommen kann als die untere. Anders als bei staatlichen Gerichten lägen divergierende Beurteilungen beim Fußball sogar besonders nahe, ist doch das Schiedsgericht zwar die dritte, jedoch die erste neutrale Instanz: Erstmals tritt die Bundesliga nicht mehr selbst als Richter auf. Ist jemand im Stadion überrascht, wenn der Schiedsrichter Dinge anders sieht als Spieler?


Zur Kritik am Zeitablauf: Die Entscheidung des Schiedsgerichts kam erst knapp vor den Relegationsspielen. Auch Juristen verstehen gut, dass dies für die Sportler unangenehm war. Dafür sind aber weder Bundesliga noch Schiedsgericht verantwortlich. Vielmehr ist es der – für sich wieder verständliche – Wunsch der Vereine, die notwendigen Lizenzunterlagen erst möglichst spät einreichen zu müssen: Das müssen sie zwar bis 15. März tun, worauf der Senat 5 bis Ende April entscheidet. Die Vereine können aber nach dem LHB noch bis zum Ende der Protestfrist am 11. Mai entscheidende Unterlagen wie etwa fehlende Sponsorverträge nachliefern. Und erst wenn auch das Protestkomitee die Lizenz verweigert, geht der Akt nach Klagserhebung zum Schiedsgericht. Im Fall Hartberg war das am 23. Mai der Fall. Die Reaktionsdauer von sechs Tagen für Aktstudium, Verhandlung und Entscheidung durch einen Dreiersenat am 29. Mai mögen Torhüter, nicht aber Politiker beanstanden.

Gründe mündlich verkündet

Zum Inhalt: Auch bei der Elfmeterfrage sollte nur mitreden, wer die Strafraumszene gesehen hat. Daher ist es auch klar, dass ohne Wahrnehmung des Sachverhalts und der Urteilsgründe niemand die Entscheidung des Schiedsgerichts „nachvollziehen“ kann. Da die Ausführung einer schriftlichen Urteilsbegründung naturgemäß länger als die eines Elfers dauert, hat das Schiedsgericht einmal die wesentlichen Entscheidungsgründe vorab mündlich verkündet. Diese sind bei den Medien entstellt angelangt und daher hier nochmals zu erklären.
Die erste Streitfrage war jene der Verbesserbarkeit: Nach dem LHB kann z. B. jeder Verein, dem für das Budget noch ein Sponsor fehlt, dies bis zum 11. Mai nachbringen: Reicht er bis dahin einen tauglichen Fördervertrag nach, ist alles bestens und er erhält die Lizenz. Es schadet also nicht, wenn bei der Einreichung im März noch nicht alles passt. Seit 2017 gibt es nun die weitere (steuer-)rechtliche Anforderung an die Vereine, dass der Profi-Spielbetrieb in Form einer Kapitalgesellschaft geführt wird. Diese Ausgliederung in eine GmbH war bei Hartberg am 23. April (mit Genehmigung der Bundesliga) real gegeben, nicht aber schon bei der Antragsstellung im März. Ob das ausreichte, war die Streitfrage.


Warum nun nach einstimmiger Meinung des Schiedsgerichts auch beim GmbH-Erfordernis die Verbesserungsmöglichkeit bestand, werden Schulsportler gut verstehen: Wer Ende Mai in Mathematik auf Nicht genügend steht, kann sich im Juni durch eine Prüfung verbessern und in die nächste Klasse aufsteigen. Wäre es verständlich, gälte dasselbe nicht auch für Biologie? Dazu kommt, dass – nun zurück zum LHB – das GmbH-Erfordernis mit Sport und Infrastruktur nichts zu tun hat, sondern es dabei nur um die Gewährleistung steuerrechtlich gleicher Bedingungen in der nächsten Spielsaison (ab 1. Juli 2018) geht.
Hartberg steht hier mit allen anderen Erstligisten völlig gleich. Anders als in manchen Medien zu lesen war, geht es also nicht etwa um eine Rückwirkung der Ausgliederung, sondern darum, dass man dieses Kriterium genauso nachbringen kann wie Anforderungen an die Infrastruktur. Juristen müssen Gleiches gleich und dürfen nur Ungleiches ungleich behandeln. Zuzugestehen ist den Organen der Bundesliga allerdings, dass die strittige LHB-Bestimmung neu war, Erfahrung mit ihr noch fehlte.


Die zweite Frage betraf trockene Juristerei: Die Organe der Bundesliga waren auf Vorbringen des Vereins zum Stadionumbau in Hartberg und dessen Finanzierung – eben in der irrigen Annahme, Hartberg gebühre ohnedies schon wegen des Zeitpunkts der GmbH-Ausgliederung die Rote Karte – nicht mehr ausreichend eingegangen. Daher musste das Schiedsgericht in diesem Punkt manche Themen nachholen, und zwar zugunsten und zulasten des Vereins.

Keine Beanstandung der Liga

Im Wiederholungsspiel ist das Leder wieder rund – jeder kann gewinnen. Bei staatlichen Gerichten führen Verfahrensmängel meist zu einer Zurückverweisung an die Unterinstanz. Mit einer Rückleitung an das Protestkomitee war allerdings keine der Parteien – auch nicht die Bundesliga – einverstanden; dann wäre sich eine Entscheidung vor den Relegationsspielen auch nicht mehr ausgegangen. Und so musste das Schiedsgericht diese Schritte selbst erledigen und kam einhellig zum Ergebnis, dass – vor allem gestützt auf Dokumente, welche Hartberg bereits von 15. März bis 11. Mai eingereicht hatte und die von der Bundesliga nie beanstandet worden waren – auch der Stadionumbau und dessen Finanzierung eine Lizenzverweigerung nicht rechtfertigen.
Das Schiedsgericht ging damit nicht etwa von seiner bisherigen Praxis ab. Lizenzerteilungen auf diesem Weg gab es bislang schon, sie haben nur keinen solchen medialen und politischen Aufruhr ausgelöst. Denn Schulsportler wollen gegen ihre Klassenkameraden gewinnen, wünschen ihnen aber nicht, in Mathe oder Bio durchzufliegen und deshalb nicht mehr mitkonkurrieren zu dürfen.

Rechtsanwalt Univ.-Prof. Raimund Bollenberger lehrt Zivilrecht an der WU Wien und war Vorsitzender des Ständigen Neutralen Schiedsgerichts in der Causa Hartberg.

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