„Unabhängigkeit der Justiz gefährdet“

Symbolbild Gerichtssaal
Symbolbild Gerichtssaal(c) Clemens Fabry
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Ein Beirat des Europarats aus Richtern sieht den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien nicht genug vor Druck von außen geschützt.

Wien. Der Schutz der Unabhängigkeit der Justiz vor übermäßigem Druck könnte in mancher Hinsicht gefährdet sein: Zu diesem Schluss kommt der Beirat europäischer Richter (CCJE) beim Europarat nach einer Analyse des Landesverwaltungsgerichts Wien. Der Beirat aus Richtern aus den 47 Europaratsstaaten hat sich konkret die Position des Präsidenten und dessen Stellvertreterin angesehen. Das Expertengremium vermisst eine saubere Trennung zwischen der Landesregierung und dem Gericht, das die Rechtmäßigkeit der Verwaltung kontrollieren soll.

Der Beirat kritisiert, dass der Präsident im freien Ermessen und ohne richterliche Mitwirkungsmöglichkeit von der Wiener Landesregierung bestellt wird. Dabei sei es für die Unabhängigkeit der Gerichte wichtig, dass die Richter unabhängig von der Exekutive und der Legislative vorzugsweise von einem Justizrat bestellt werde; ein solcher existiert in unterschiedlicher Ausformung in der Mehrzahl der europäischen Staaten, nicht aber in Deutschland und Österreich.

Gerügt wird auch der Umstand, dass der Präsident nicht auf dieselbe Weise bestellt wird wie die Mitglieder des Gerichts, zu deren Ernennung bereits bestellte Richter Vorschläge erstatten. Auch wäre es nach Ansicht des Beirats von Vorteil, wenn der Präsident bereits vor seiner Bestellung Rechtsprechungserfahrung gesammelt haben müsste (was für die Bestellung einfacher Mitglieder allerdings nicht gilt).

Das Europarats-Gremium stößt sich weiters daran, dass der Präsident weitreichende Befugnisse etwa in Hinblick auf die Ressourcen und deren Zuweisung habe, ohne dass sichergestellt wäre, dass der Chef des Gerichts dabei keinen Weisungen der Landesregierung unterliege. Das ist in der Bundesverfassung seit einem einschlägigen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2000 nur für das Verhältnis zwischen Bundeskanzler und Präsident des Verwaltungsgerichtshofs sichergestellt und gilt nur bei einigen wenigen Landesverwaltungsgerichten, nicht aber in Wien.

„Weisungen bedeutungslos“

Dieter Kolonovits, Präsident des Verwaltungsgerichts Wien, sagt zur „Presse“, dass Weisungen möglich wären, aber praktisch keine Rolle spielten. Die Bestellung der Richter einschließlich der Präsidenten obliege bei allen Verwaltungsgerichten bis hin zum VwGH kraft der Verfassung bei den obersten Organen der Verwaltung.

Zur Einsetzung eines Justizrates sei es trotz jahrzehntelanger Diskussionen bisher nicht gekommen, unter anderem deshalb, weil die finanziellen Ressourcen letztlich doch von der Regierung gesteuert werden müssten. Kolonovits warnt auch davor, Parallelen zwischen der Bestellung von Präsidien in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Verwaltungsgerichten zu ziehen. Während dort der Personalsenat der jeweils übergeordneten Instanz Vorschläge mache, stehe jedes Verwaltungsgericht für sich allein da. Dass deren Mitglieder sich aber selbst ihren Präsidenten aussuchen, sei unvorstellbar.

Der CCJE wurde auf Antrag der Vereinigung der Europäischen Verwaltungsrichter (AEAJ) tätig, deren Präsidentin Edith Zeller ist. Diese ist Mitglied des Verwaltungsgerichts Wien; die AEAJ hat aber Stellungnahmen auch zu anderen europäischen Verwaltungsgerichten eingeholt. (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2019)

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