Filmkunst, die Geld verdient

Filmkunst Geld verdient
Filmkunst Geld verdient(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Clips und Spots der Produktionsfirma Jenseide verbreiten künstlerische und kommerzielle Botschaften, oft sogar gleichzeitig. Und das vor allem auch "viral" im Netz.

Es war eine Studenten-WG, aus der heraus Jakob Kubizek und Peter Sihorsch die Filmproduktionsfirma Jenseide gegründet haben: „Unsere ersten Musikvideos haben wir quasi aus dem Schlafzimmer heraus produziert“, erzählen sie. Heute haben die beiden ihr Studio in einer ehemaligen Greißlerei in der Wiener Florianigasse. Früher waren sie ein loses Kollektiv, das einfach Spaß am Medium Film hatte und für Musiker im eigenen Umfeld Videos drehte. Inzwischen ist Jenseide eine Filmproduktionsfirma, der es tatsächlich gelingt, das künstlerisch-kreative Schaffen auch noch mit kommerziellem Erfolg zu verbinden. Und das bei gleichmäßig hohen Ansprüchen.

Virale Werbefilme. Sihorsch studierte Agrarwissenschaften an der Wiener Boku, produzierte dort auch Naturdokus, Kubizek war mit seinem Multimedia-Art-Studium in der Ausbildung schon etwas näher am späteren Berufsfeld. Was als Nebenbeschäftigung von musik- und filmbegeisterten Studenten begann, entwickelte sich zum „echten“ Job. Für die bereits damals bekannte Band Naked Lunch produzierte man 2003 einen Videoclip. Auf dem Weg vom Dreh zurück nach Wien wurde man sich einig: Als Musikvideo-Produzenten braucht man einen Namen. „Bei den damals noch jenseitigen Arbeitsbedingungen und wegen eines Songs von Blumberg kamen wir auf ,Jenseide‘.“ Zusätzlich zu diesem Kunstwort hat man sich den Zusatz „The new sensitivity in media creation“ verpasst.

Dass sich die Videos und Filme von Jenseide auch für kommerzielle Werbung eignen, das musste dem Team auch erst einmal jemand sagen. 2006 kam der erste Auftrag für einen Kinospot für die Oberösterreichische Landesausstellung. Es war der Startschuss für den kommerziellen Erfolg, weitere Spots folgten, unter anderem für FM4, das Erste-Bank-Kartenorchester, die Biermaschine für die Trummer-Privatbrauerei und zuletzt die PEZ-Zuckerl. Zu den Auftraggebern zählen auch renommierte Werbeagenturen wie Demner, Merlicek & Bergmann, Young & Rubicam und Jung von Matt.

Vor allem mit der Produktion von „Web-Viral-Spots“ hat sich Jenseide einen Namen gemacht in der Branche. Kurze Filme, die sich auf den Pinnwänden im Netz verbreiten. „Wir lassen uns von unseren Ideen leiten, drehen Feature-Filme, weil wir etwas zu erzählen haben“, meint Peter Sihorsch. Die fixfertigen Ideen von anderen, die will man nicht umsetzen, deshalb legt Jenseide Wert darauf, in die Konzeption neuer Filme von Anfang an mit eingebunden zu sein.

Je nach Projekt holt man sich bis zu dreißig Leute zur Umsetzung ins Team, eine Stadt aus Zuckerln wie beim Stop-Motion-Film für Pez-Film will schließlich erst gebaut werden. Man versucht es mit einfachen Mitteln, die aber durchaus Wirkung zeigen: Das Web-Viral mit der Trummer-Biermaschine wurde 350.000 Mal aufgerufen. Dabei demonstriert eine simple Flipperkugel eine Kettenreaktion zahlreicher Bestandteile der Bierproduktion und erzählt dabei, wie das Bier zu Bier wird und wie es in die Gläser und Kehlen der Konsumenten kommt. Selbst außerhalb Europas fand der Spot Verbreitung.

„Dabei wurde dieser Spot nicht mal von Seeding-Agenturen unterstützt“, meint Jakob Kubizek. Solche platzieren die Filme auf passenden Blogs und bei Multiplikatoren auf Facebook, von denen aus sich die Botschaften mit Extraschub durchs Netz verbreiten und Klicks summieren sollen. Die „Biermaschine“ war ein Selbstläufer, der beim Film-Forum Linz als bester Imagefilm ausgezeichnet wurde und 2011 auch bei den W3-Awards in Los Angeles zwei Mal die Gold-Auszeichnung abräumte. Diesen Erfolg konnte Jenseide im letzten Jahr wiederholen, mit einem Viral für die Erste Bank.

„Branded Content“ und künstlerischer Anspruch schließen einander nicht aus. Kubizek und Sihorsch wollen Werbung machen, „die man gern anschaut“: „Die Spots sollen nicht auf die Nerven gehen, sondern mit der Idee selbst Aufmerksamkeit bei den Usern erregen“, meint Kubizek. Einige wurden bereits im Fernsehen und im Kino gezeigt. Spielfilme und Dokumentationen gehören auch schon zum Portfolio der Produktionsfirma. Jenseide finanziert dabei selbst mit: Wie etwa bei der Doku zum 30-Jahr-Jubiläum der sandinistischen Revolution in Nicaragua. Zwei Wochen gingen sie dafür vor Ort im Kinobus auf Tour. Unterwegs waren sie auch für das Roadmovie „Nowhere Train“, für den fünf österreichische Musiker mit dem Zug durch Österreich tingelten, bei ihren spontanen Auftritten auf Bahnhöfen gefilmt wurden und sich im Zuge dessen zu einer Band formierten, die inzwischen sieben Mann stark ist. Jakob Kubizek ist einer von ihnen, als Gitarrist.


One-Hit-Wonder. Am Beginn seiner Karriere, noch vor der Filmproduktion bei Jenseide, landete Kubizek als Teil der Band Superformy mit dem Song „Pop will save the World“ einen Erfolg. Der Vertrag mit einem großen Label war bereits unterzeichnet, groß durchstarten hätte man können, theoretisch. Doch der große Durchbruch kam nicht. „Wir sind damals zu unbedarft an die Sache herangegangen und haben zu inkonsequent an der Karriere gearbeitet.“ Zur Zeit arbeitet Jenseide an einem Format für das Fernsehen, das Wirtschaft und Kultur verbinden und noch dazu cross-medial gelebt werden soll: Partner aus der Print-, Web- und Fernsehwelt hat die Filmproduktion mit im Boot. Die Produktion startet noch heuer.

Ideen Säen

„Virals“ sind Videoclips oder Werbespots, die zielgerichtet für die Verbreitung im Internet produziert werden. Wie ein „Virus“ verbreitet sich der Content über Social Media, Postings, E-Mails im Netz.

„Seeding“: Für die strategische Platzierung der produzierten Filme und Inhalte werden oft Agenturen eingesetzt. Sie versuchen die Botschaften auf passenden Blogs oder auch bei Multiplikatoren auf Plattformen wie Facebook unterzubringen, damit sie sich von dort aus verbreiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2013)

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