Vienna Interiors zeigt Wien von innen

Traum in Nass. Die frei stehende Badewanne und alles rundum: zählt auch zu den Aufgaben.
Traum in Nass. Die frei stehende Badewanne und alles rundum: zählt auch zu den Aufgaben.Joanna Pianka
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Die Gestalterinnen von Vienna Interiors vertiefen sich in die Räume der Stadt. Und in die Logik hinter den Oberflächen.

Raumgefühl. Innenarchitektinnen Ulrike Pohl und Lilia Maier im La Mercerie, das sie gestalteten.
Raumgefühl. Innenarchitektinnen Ulrike Pohl und Lilia Maier im La Mercerie, das sie gestalteten.Die Presse (Carolina Frank)

So eine Stadt hat ganz schön viel Raum. Zwischen den Häusern. Das nennt man Straßen. Aber vor allem in den Häusern. Das Äußere, das würde ja alle etwas angehen, deshalb erspart man ihm gern gestalterische Aufmerksamkeit. Das Innere dagegen: meist so privat, dass man Schönheit nicht versehentlich mit verschenkt an die Allgemeinheit. Da kann man sich schon ein wenig Mühe geben. Oder zumindest in den semiöffentlichen Sphären: wie in Lokalen, in denen man sich Atmosphäre mit einer Melange oder einem Schnitzel eine Zeit lang erkauft. Das Wiener Innere, das reicht von mittelalterlichen Katakomben bis Roof-Top-Bars der Gegenwart, vom Souterrain bis weiter über die Beletage hinaus. Da haben die unterschiedlichsten baukulturellen Epochen Räume hinterlassen: in der Rubrik „großzügig und prächtig", mit Stuck und Fischgrät-Parkett, aber vor allem in der Kategorie: zwei Meter 50 hoch und Hauptsache, Rendite. Aber an den charmanteren Stadtecken kratzen auch mal Gastronomen den Lack von alten Geschäftsportalen, weil drinnen dereinst Kaffee duften und Kassen klingeln sollen. Und hinter mancher Glasfassade setzen Büros nach innen freundlichere Gesten als nach außen, vor allem welche, die länger dauern als Weihnachtsfeiern. Da gibt es viel zu tun für zwei Innenarchitektinnen, die sich auch für das Innere Wiens zuständig fühlen: Ulrike Pohl und Lilia Maier. Mit ihrem Büro Vienna Interiors helfen sie den Menschen beim Ausmalen – ihrer eigenen Vorstellungen. Und danach auch beim Schlüpfen in die haarscharfe Umsetzung einer anfänglich vagen Ahnung. Ulrike Pohl und Lilia Maier, sie sehen oftmals schneller als ein Bauherr, wo­rauf ein Raum hinauslaufen kann. Da huschte ihnen auch gleich ein Bild vors innere Auge, als sie in das Geschäftslokal kamen, an jenem Eck Wiens, wo alles Mögliche gern als „französisch" apostrophiert wird. Auch weil das Straßenpflaster so charmant kleinteilig ist wie die Strukturen im Erdgeschoß. An der Kreuzung Servitengasse mit der Berggasse ist Wien im Inneren noch französisch geworden. Auch weil sich Vienna Interiors das gemeinsam mit dem Bauherrn, Gastronom Gregory Gouillard, so ähnlich ausgemalt haben. Ein Glücksfall, sagt Pohl. Denn eines würde nicht funktionieren: „Wenn Kunden sagen, entscheiden Sie, Sie sind die Innenarchitektin." Alles Mögliche könnten sie ihren Kunden abnehmen, Verantwortungen und etwas unromantischere Designphasen wie etwa Genehmigungsverfahren, aber letztendlich nicht die Entscheidungen. Und davon liegen so einige entlang des Designprozesses.

Bestandsaufnahme. „Was brauch’ ich, was will ich, was gefällt mir." Pohl und Maier helfen gern beim Herauskitzeln der Antworten. Gedanken lesen, so weit sind sie noch nicht. In die Zukunft schauen dagegen ist Teil des Jobs. In der alten Drogerie an der Ecke Servitengasse und Berggasse, da schwebte schon etwas von La Mercerie, dem französischen Café und Bistro. „Die Atmosphäre war schon von Anfang an vorhanden, dieses Cosy-Gefühl. Wir mussten sie nur zugänglich machen für Gastronomie", sagt Pohl. Dafür mussten die Innenarchitektinnen wie üblich tiefer schürfen, als es die Oberflächen vermuten lassen. Denn die Logik der Räume, die spannt sich gern erst dahinter auf. Vor allem wenn man sie auch beheizen, be- und entlüften, barrierefrei ausgestalten und behördlich genehmigen lassen will. Doch die gestalterische Aufgabe war schnell klar: Tun, als ob nichts geschen wäre. „Es sollte so wirken, als wäre alles schon immer selbstverständlich da gewesen", sagt Maier. Und vieles vom Interieur war es tatsächlich. Die Bodenfliesen. Die Holzvertäfelungen. Aus Resten davon ließen sie die Theke zusammenzimmern. Und aus den Auslagen, in die schon lang keiner schaute, wurden Nischen, aus denen man so wunderbar schauen kann. Die Sitze dort sehen aus, als hätte man sie aus alten Zug-Compartments herausgeschnitten. Nur dass vor den Scheiben nicht die Stadt vorbeizieht, sondern das Stadtleben.

Stilgerecht. Räume und Benutzer müssen auch erst zuei­nander finden.
Stilgerecht. Räume und Benutzer müssen auch erst zuei­nander finden.(c) Joanna Pianka

Ulrike Pohl und Lilia Maier studierten Innenarchitektur in Deutschland. Dort hatte Pohl schon einige Hotels gestaltet. Maier war im Ausstellungsdesign umtriebig und später in Wien eher in jenen Räumen, die schon einiges an Zeit und Geschichte durchweht hatte, im Feld der Altbausanierung. Irgendwann hatten sie sich beide in ein anderes Projekt eingeklinkt: ins Familienleben. Und nebenbei in die Aufgabe, Menschen und Möbel, die zu ihnen passen, zusammenzuführen. Vor fünf Jahren fanden Pohl und Maier schließlich selbst zueinander, gründeten das Büro Vienna Interiors. Seitdem befassen sie sich mit Oberflächen und den Tiefen der Logik dahinter, mit Decken, Wänden und damit, was davor und dazwischen steht. Aber vor allem auch mit einem Boden, mit dem sich gerade Bauherren nicht allzu gern einlassen: dem Boden der Tatsachen. Friseure kämpfen auch damit, dass ihnen die Kunden ihre Handy-Displays entgegenhalten. So will ich das. Aber auch Innenarchitektinnen müssen Kundenwünsche sanft mit dem abgleichen, was man außerhalb von Pinterest und Instagram Wirklichkeit nennt. „Die frei stehende Badewanne zum Beispiel", sagt Maier. Alle wollen sie. Aber kaum jemand hat ein Badezimmer, das groß genug ist, dass sie auch passen könnte. Trotzdem gehört das „Passend"-Machen zu den Hauptaufgaben. Aber auch Herzen brechen, die an ein paar illusorischen Vorstellungen hängen. Die Architektinnen fühlen vor. Und stupsen die Kunden an, auch in sich selbst hineinzufühlen. „Der Kunde muss sich seine Bedürfnisse überlegen, aber auch, wie sein Tagesablauf, seine Gewohnheiten, seine Prioritäten aussehen", sagt Pohl, „viele sagen inzwischen etwa auch, sie bräuchten gar keine Küche mehr." Eher einen Ort, an dem das Take-Away-Food auf Teller umgeschlichtet wird. „Aber manche wollen trotzdem die tollsten Küchengeräte." Für den Fall, dass es doch einmal so weit wäre. Oder damit die Gäste etwas zum Staunen haben, während man das Sushi vom Lokal unten im Erdgeschoß verspeist.

Nette Geste. Ein Empfangs­tresen aus ­Corian für ACP IT Solutions.
Nette Geste. Ein Empfangs­tresen aus ­Corian für ACP IT Solutions. (c) Beigestellt

Konventionen biegen. Zumindest ist schon in die Wiener Wohnkonvention gesickert, dass die Küche ein offener Ort des Wohnens ist und kein abgeschlossener Raum des Arbeitens. Genauso wie die Erkenntnis, dass man Sofas auch in der Raummitte platzieren kann „und von zwei Seiten bespielen und nutzen", wie Maier sagt. An anderen Stellen müssen die Innenarchitektinnen die Konventionen noch ein bisschen nachbiegen, um die Kunden auch vom Mainstream ein wenig abzweigen zu lassen. Vor allem, meint Pohl, müsse man den „klassischen Mittelauslass an der Decke" so hinnehmen, als Vorgabe für das Beleuchtungskonzept. Doch wenn man von den Normen abweichen will, dann sollte man schon möglichst früh, bei der Planung der Immobilie drumherum, damit anfangen. Jedenfalls wandeln sich die Technologien schneller als die Wohnkonventionen. Und die Standards, die der Immobilienmarkt massenweise ins Angebotsregal wirft. „Da gibt es Grundrisse, die von uns auch erst mal bewohnbar gemacht werden müssen", sagt Maier. „Wir hatten auch schon Bauträger als Kunden, die Wohnungen mit den Grundrissen nicht verkaufen konnten. Dann haben wir sie eingerichtet. Und innerhalb von ein paar Wochen waren sie weg." Da waren sie wieder gefragt: die Bilder, die Pohl und Maier schnell vors innere Auge huschen, wenn sie in die Innenräume Wiens kommen.

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