Die Schuljause als Glaubensfrage

Schuljause Glaubensfrage
Schuljause Glaubensfrage(c) Fabry
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Die Vormittagsjause der Schüler entspricht in etwa den Essgewohnheiten der Österreicher: zu fett, zu eintönig und zu süß. Die Initiativen für eine bessere Schuljause mehren sich. Die Cola-Automaten dürften aber bleiben.

Wer wissen will, wie jemand die Erziehung seiner Kinder angeht, der braucht nur einmal nach der Schuljause zu fragen. Essen ist generell ein emotional besetztes Thema, das Essen unserer Kinder umso mehr. Ganz besonders jenes, das in der Schule konsumiert wird und von zu Hause kommt. Denn immerhin geht es nicht nur darum, dass man alles richtig macht und den Kleinen die perfekte Jausenbox mitgibt. Den anderen Kindern – und somit indirekt auch den Eltern – bleibt nicht verborgen, was denn der Sitznachbar gerade verspeist.

So lassen sich bei der Frage nach der Schuljause dann doch ein paar Rückschlüsse auf den Erziehungsstil ziehen. Da gibt es etwa die „Schrecklich, was andere ihren Kindern mitgeben, das würden meine nie essen, die haben einen feinen Gaumen“-Fraktion, die ganz besonders stolz darauf ist, dass ihre Kinder eben keine Gummibärli mögen, sondern lieber Weinbergschnecken. Irgendwo im Mittelfeld liegen die „Natürlich ist es schwierig, aber wir versuchen etwas Gesundes mitzugeben“-Eltern, die dann – in der Hoffnung, dass die Kinder so mehr Gefallen daran finden – den Apfel schön geschnitten in die Jausenschachtel geben. Und dann gibt es noch das Pendant zur ersten Kategorie. „Mein Gott, wir haben auch Wurstsemmeln gegessen, hat uns auch nicht geschadet“, sagen jene, die sich – und ihren Kindern – auf keinen Fall etwas verbieten lassen wollen.

So unterschiedlich diese Typen auch sein mögen, dass die klassische Jause – zumindest bei den anderen Kindern – Verbesserungsbedarf hat, will aber niemand abstreiten. Immerhin tauchen regelmäßig erschreckende Zahlen zu den Themen Übergewicht und Essgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen auf. So hat etwa erst vergangene Woche Sipcan, ein Verein für Gesundheitsförderung, gemeinsam mit der Supermarktkette Spar neue Zahlen zur „Ernährungsfalle Schuljause“ präsentiert. Befragt wurden dafür 600 Wiener Gymnasiasten oder Hauptschüler zwischen zehn und zwölf Jahren von dem Meinungsforschungsinstitut GfK. Das Ergebnis ist genauso erwartbar wie ernüchternd: 40 Prozent der Schüler frühstücken nicht täglich, 32 Prozent essen täglich keine Schuljause. Jene 68 Prozent, die das tun, essen normalerweise zu 60 Prozent weißes Brot oder Gebäck, zu 29 Prozent Süßigkeiten und zu 15 Prozent Fast Food.

Der jüngste Ernährungsbericht des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2012 hat keine beruhigenderen Zahlen: 24Prozent der Schulkinder zwischen sieben und 14 Jahren sind übergewichtig, davon acht Prozent adipös. Und: Im Vergleich zum letzten Bericht aus dem Jahr 2008 ist die Zahl der Übergewichtigen gestiegen.


Österreichisches Spezifikum.
So weit, so schlecht. Der einzige Trost: In anderen Ländern ist das nicht anders. Und es wird zumindest schön langsam etwas dagegen getan. Wobei zu unterscheiden ist zwischen jenen Mahlzeiten, die Kinder von ihren Eltern mitbekommen, also den vormittäglichen Schuljausen, und jenen Angeboten, die von der Schule selbst beziehungsweise Zulieferern angeboten werden: In manchen Kindergärten und Schulen wird nämlich nicht nur (bei Nachmittagsbetreuung) das Mittagessen zur Verfügung gestellt, sondern auch die Jause.

Wobei die vormittägliche Schuljause, die die Eltern mitgeben, ein Spezifikum des deutschsprachigen Raums ist. „Das hängt mit den Bildungseinrichtungen und dem Versorgungsgedanken zusammen. In Österreich und Deutschland wird traditionellerweise die Jause von den Eltern mitgegeben. Aber das ändert sich langsam, in Ganztagsschulen ist der Jausenlieferant auch oft der Mittagessen-Lieferant“, sagt Rosemarie Zehetgruber von Gutessen Consulting, die Schulen in puncto Ernährung berät. Selbst Ari Rath hat im Exil in Israel darüber geweint, dass er dort nicht wie daheim ein Jausenbrot mitbekommen hat, wie er in seinem Buch „Ari heißt Löwe“ schreibt.

Aber zurück zu den aktuellen Initiativen. Seit 2011 läuft die Initiative „Unser Schulbuffet“ des Gesundheitsministeriums. Dabei werden Buffetbetreiber auf freiwilliger Basis hinsichtlich eines gesunden Angebots beraten. Das Projekt kostet 1,3 Millionen Euro und läuft im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Ernährung, mit dem der Negativtrend der Übergewichts- und Adipositas-Zahlen bis 2020 umgekehrt werden soll. Ob das allein auf freiwilliger Basis der Buffetbetreiber funktioniert, sei dahingestellt. Mittlerweile haben 273 Schulbuffets mitgemacht. „Das sind 20 Prozent aller Schulen, die einen Pausenverkauf haben“, sagt Projektleiterin Walpurga Weiß. Die Betriebe erhalten eine Urkunde, wenn sie das Angebot den Leitlinien anpassen.

An den gängigen Cola-Automaten in den Schulen ändert das nichts. Denn diese werden nicht nur geduldet, sie sind eine willkommene Einnahmequelle, sind doch jene am Umsatz beteiligt, die solche Automaten aufstellen – also die Schule, die Direktion oder die Elternvereine. Ernährungswissenschaftlerin Zehetgruber würde sich klare Regelungen wünschen. „Gut wäre, wenn Limonaden mit einem Zuckergehalt von mehr als fünf Gramm auf 100 Milliliter nicht angeboten werden.“


Körberlgeld dank Cola-Automaten. Wobei dafür nicht immer ein Verbot notwendig ist. „Ich verstehe, dass die Schulen das Geld der Umsatzbeteiligung brauchen. Man muss es sich mit denen nicht gleich verscherzen. Aber zu Cola gehört ja auch Römerquelle, die haben auch andere Getränke“, so Zehetgruber. Vielen Schulen und Elternvereine gehen oft davon aus, dass sie kein Mitspracherecht haben, und fragen nicht nach einem neuen Angebot.

Andere Initiativen wiederum sind so verblüffend einfach, dass man sich wundert, warum man erst jetzt darauf gekommen ist. So werden etwa beim Schulobstprogramm Schulen mit Obst und Gemüse versorgt, die Hälfte der Kosten übernimmt die EU, die das Projekt unterstützt. „Sonst fallen nicht viele Kosten an, wir haben uns das ausgerechnet: Wenn zweimal wöchentlich Bio-Obst geliefert wird, kostet das die Eltern 15 Euro im Jahr“, so Zehetgruber, die sich mehr solche Initiativen wünschen würde. Denn: „Wenn es einmal da ist, greifen die Kinder auch zu. Es ist so einfach. Initiativen, die an die Motivation der Eltern appellieren, sind auch gut, sie wirken aber viel zu langsam.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2013)

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