Geschmacksfrage: Charlie P’s Pub

Geschmacksfrage Charlie
Geschmacksfrage Charlie(c) Julia Stix
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Ein Pub ist ein Pub ist ein Pub. In Wien kann man nun in einem sogar etwas essen.

(c) Julia Stix

INFO

Es klingt wie eine wunderbare Großstadt-legende: Ein ganz normales irisches Pub mit gutem Bier, passablen Fußballübertragungen und schlechtem Mobiliar hat in einem Hinterzimmer ein edles Restaurant eingerichtet. Ein echter Michelin-Stern-Chef werkt dort, wo die Küche bisher das fabrizierte, was die Herren an der Theke gern „Unterlage“ nannten. Vorbei die Fisch- & Chips- & Sandwich-Zeit, vorbei die „Asterix-bei-den-Briten-Klischees“ von mieser angelsächsischer Küche. So eine Legende muss natürlich auch wer in die Welt tragen: In den ersten Kritiken hieß es über das Minirestaurant im Charlie P’s auf der Wiener Währinger Straße begeistert nur: „Wow!“, „Jaaa!“ und „Enjoy!“ Fast hätte ich sexuelle Ausschweifungen von jungen Städtern aus Wien 9, Wien 7 und Wien 19 mit gut gebauten Ex-Pats erwartet, aber mit einem exzellenten Essen rechnete ich dann doch irgendwie.

Gelegentliche Wien-Pub-Besucher überraschen weder die beengten Platzverhältnisse noch der entspannte Schmäh der Kellnerin; die gereichte Speisekarte ein paar Meter von der Manchester-United-Übertragung entfernt dann doch: Es gibt etwa gute Galway-Austern, die sonst leider noch immer gern für provinziellen Inbegriff von Pariser Dekadenz gehalten werden. Es geht lustig weiter, der mit Blutwurst und Apfelstücken gefüllte Teigzopf schmeckt wirklich gut, fast schon weihnachtlich. Fish and Chips vom Kabeljau übertreffen alle hiesigen Pub-versionen bei Weitem, über die Panier-luftigkeit könnte man streiten. Das Sirloin-Steak – Eigentümer und Ex-Pat-Veteran Brian Patton kauft in Österreich – beweist gute Fleischqualität, der Geschmack bleibt seltsam neutral und bei der Konsistenz wäre ein bisschen mehr Butterweich-Erlebnis schön gewesen. Aber wie gesagt: Das ist alles wirklich sehr gut für ein solches Lokal. Aber eben nicht mehr. Patton sei der Erfolg gegönnt, die Gäste am Nebentisch bestellen lieber – gute – Sandwiches als die Edelgerichte. Um die Gourmetautoren zu begeistern, rate ich folgende Konzepte umzusetzen: Statt ödem Luxus und langweiligen Wirtshäusern wäre doch die Errichtung eines edlen American Diner bei der Burger-Brat-Kette hübsch! Oder ein Clubrestaurant an einen Würstlstand angeschlossen! Oder ein schönes Restaurant in einem Heurigen! Wie, das geht nicht? Das wäre nicht authentisch? Ah ja!

Charlie P’s Pub, Wien 9, Währinger Str. 3, Tel: 01/409 79 23; Mo–Fr 16–23, Sa u. So 12–23 h

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