Belästigungsvorwürfe: Guess-Chef Marciano zurückgetreten

Paul Marciano wird noch bis Ende Jänner Kreativdirektor der Marke bleiben. Models wie Kate Upton hatten Vorwürfe erhoben.

Nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung ist der Chef und Mitgründer der US-Modemarke Guess, Paul Marciano, als Vorstandschef zurückgetreten. Marciano habe in seiner Kommunikation mit Models und Fotografen "schlechtes Urteilsvermögen" an den Tag gelegt und sich selbst in Situationen gebracht, in denen "Vorwürfe wegen unangemessenen Verhaltens" erhoben werden konnten, verkündete der Konzern.

Marciano werde allerdings noch bis Ende Jänner kommenden Jahres Kreativdirektor des Hauses bleiben, "um eine reibungslose Übergabe der Verantwortlichkeiten" zu ermöglichen. Zuvor hatte der Guess-Verwaltungsrat einstimmig Marcianos Rücktritt gefordert.

Unerwünschte Avancen und Grapschen

Zwei externe Ermittler hätten Vorwürfe von "unangemessenen Kommentaren und Textnachrichten sowie unerwünschten Avancen einschließlich Küssen und Grapschen" untersucht, berichtete das Modehaus. Dabei seien mehr als 40 Personen angehört und 1,5 Millionen Seiten Dokumente gesichtet worden. "Viele der Vorwürfe konnten nicht belegt werden", betonte Guess. Mit fünf Frauen seien außergerichtliche Einigungen erzielt worden, dabei seien insgesamt 500.000 Dollar (425.000 Euro) geflossen.

Die Anwältin Lisa Bloom, die vier der mutmaßlichen Opfer vertritt, zeigte sich erfreut. Allerdings bleibe "noch viel zu tun, wenn Guess wirklich eine Marke sein will, die für Respekt gegenüber Frauen steht". Sie sei "enttäuscht", dass Marciano noch bis Anfang kommenden Jahres bei dem Unternehmen bleiben werde. "Wir glauben nicht, dass ein von so vielen glaubwürdigen Belästigungsvorwürfen belasteter Mann irgendein Unternehmen führen kann - noch dazu eines, dass hauptsächlich an Frauen verkauft."

Kate Upton erhebt Vorwürfe

Das Model Kate Upton hatte Marciano öffentlich beschuldigt, ihre Brüste betatscht und sie aggressiv geküsst zu haben. Marciano bestritt die Vorwürfe. Upton, zeitweise das Gesicht der Modemarke, hatte in einem Interview mit dem "Time"-Magazin geschildert, wie der Guess-Chef sie nach Fotoaufnahmen für Unterwäsche im Juli 2010 belästigt hatte. Einen Monat später habe er bei einem anderen Fototermin wiederholt danach verlangt, mit in ihr Hotelzimmer kommen zu dürfen. Sie habe daraufhin das Telefon abgedreht und die Tür verriegelt. Am nächsten Tag sei sie mit der Begründung gefeuert worden, sie sei "zu fett" geworden.

Bereits 2014 ging es Dov Charney, Mitbegründer der Modemarke American Apparel ähnlich. Nach Vorwürfen sexueller Übergriffe sowie hohen Verlusten musste er gehen. Der Verwaltungsrat enthob Dov Charney mit sofortiger Wirkung aller seiner Ämter. Charney soll dafür bekannt gewesen sein, gelegentlich in Unterhosen durch die Fabriken gegangen zu sein. Mehrere Mitarbeiter hatten ihn der sexuellen Belästigung beschuldigt.

Eigentlich hatte Paula Schneider, die Nachfolgerin von Dov Charney bei American Apparel ja vor, die Modekette zu einem besseren Unternehmen zu machen. Darunter fiel auch die Softporno-Werbeästhetik.

Dass man sich nicht daran gehalten hat, zeigt eine neue Onlinewerbung. Wie Styleit.com berichtet, wurde die Werbung von der britischen Werbeaufsicht verboten, weil das Model minderjährig wirkt (laut American Apparel ist das Model 20 Jahre alt).

Die britische Werbeaufsicht "Advertising Standard Authority" (ASA) wird nicht müde, American Apparel immer wieder für seine übersexualisierten Werbungen anzuprangern.

Vor Kurzem wurde auch die "Back to School"-Kampagne des US-amerikanischen Labels verboten. Die feministische Bloggerin hinter "Any Girl Friday" wurde zuerst auf die Sujets aufmerksam. Sie kritisierte die "Lolita-Fantasien und grassierenden Sexismus" auf den Werbebildern. Twitter/@anygirlfriday

Als sexistisch und voyeuristisch klassifiziert auch die britische Werbeaufsicht die Bilder. Die Begründung: "Wir betrachten die Bilder als grundlose Objektivierung von Frauen und deshalb als sexistisch. Dies wird höchstwahrscheinlich zu eine ernsten und weit verbreiteten Aufregung führen."

Das Abbilden des "Unter den Rock blickens" habe zudem das Potential Sexualstraftaten zu normalisieren.

American Apparel sieht das naturgemäß anders. Die Models seien nicht so jung, wie sie aussehen, eines sei sogar 30 Jahre alt. Zudem seien die Models nicht in irgendeiner Weise "verletzlich, negativ oder ausbeuterisch dargestellt worden".

Mittlerweile finden sich die Bilder nicht mehr auf der Website des Unternehmens oder auf Social Media Kanälen. (c) Nate Scott

Leicht bekleidete Frauen für Unterwäschewerbung sind zwar auch für die Werbeaufsicht zulässig, jedoch würden in der Werbung von American Apparel die nackten Körperteile der Models im Vordergrund stehen und nicht etwa die Kleidung.

Mehrmals wurde die Modekette bereits verwarnt, doch an der Werbestrategie hält man allem Anschein nach noch immer fest. Demnach würde man auf natürliche Schönheiten und Laienmodels setzen, die Bilder würden zudem nicht retuschiert werden.

Die Gegenargumente der ASA: Die Models werden oft amateurhaft und voyeuristisch und in einer nicht angemessener Weise sexuell dargestellt. (c) Nate Scott

(APA/AFP)