Renault Twizy: Mein Freund, die Kabeltrommel

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Alltag mit einem Elektroauto ist kurzweilig, kann aber auch durchaus anstrengend werden.

Wenn man in einer Großstadt wie Wien mit dem Renault Twizy unterwegs ist, darf man kein Kommunikationsmuffel sein. An fast jeder Ampel wird man mit diversen Fragen bombardiert, die interessanterweise kaum etwas mit dem Antrieb zu tun haben. Vielmehr interessiert, warum das Gefährt denn keine Fensterscheiben habe. Umso erstaunter ist der Frager, wenn er erfährt, dass auch die nach oben klappenden Türen zur Sonderausstattung zählen und mit immerhin knapp 600Euro zu Buche schlagen. Scheiben sind auch für Geld und gute Worte nicht erhältlich. Dafür sind die sogenannten Halbtüren umso mehr zu empfehlen, halten sie doch im Regen das von entgegenkommenden Fahrzeugen verursachte Spritzwasser von der Besatzung ab. Apropos Besatzung: Kaum jemand glaubt, dass es möglich ist, mit dem Twizy einen Begleiter mitzunehmen, aber es geht, und zwar besser, als man glaubt. Hat man sich einmal in die Kuhle im Heck gehievt, sitzt man recht bequem.

Auf die Fahrleistung und die Reichweite hat der Beifahrer kaum Einfluss, sie hängt allein davon ab, wie sehr man die doch recht flotte Beschleunigung des Twizy ausnutzt. Soll es schnell gehen, dann sind nur etwa 50Kilometer drin, wer den auf 85 km/h abgeriegelten E-Motor nur dezent fordert, der kommt fast 100Kilometer weit. Dann ist es höchste Zeit, an eine Haushaltssteckdose zu kommen, die mit 16Ampere abgesichert sein muss. Nicht leicht in der Stadt, meist muss eine Kabeltrommel her, die die drei Meter lange Schnur, in der Fahrzeugfront untergebracht, verlängert. Zudem ist es vielen Zeitgenossen nur schwer zu erklären, dass nach dreieinhalb Stunden Ladezeit Strom im Gegenwert von etwa 1,5Euro entnommen wird, dafür aber der stärkere der beiden angebotenen Twizy fast 10.000Euro kostet, plus Batterieleasing von 50Euro im Monat. Dass der Twizy in der Pionierphase mehr auffällt als jeder Lambo, ist dem Gegenwert zweifellos dazuzuschlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2012)

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