Wörthersee-Architektur: Sommerfrische feudal

Woerthersee-Architektur historisch und modern
Woerthersee-Architektur historisch und modern(c) Archiv Wšrthersee Tourismus (Archiv Wšrthersee Tourismus)
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Historische Objekte vom See aus bestaunen. Oder gleich darin einchecken.

Selbst Pörtschacher kann der Wörthersee an manchen Stellen noch überraschen. Wenn man beispielsweise auf den Balkon der Villa Miralago hinaustritt und den Blick über das Wasser schweifen lässt: Keine Bausünde stört den Bildausschnitt auf das gegenüberliegende Ufer. Nicht Zementgrau, nur sattes Grün rahmt die idyllische Ostbucht-Szenerie. Die nahe Hauptstraße hört man nicht. Still treiben die Segelboote um ihre Bojen. Von oben sieht man im seichten Uferwasser jeden Stein.

Ungetrübter Ausblick ist nicht selbstverständlich an Österreichs Szenesee. Viel Uferzone ist in den letzten Jahrzehnten in handtuchgroße Parzellen zerfallen, mit unverminderter Bauwut versuchen Investoren die wenigen verbliebenen Lücken zu schließen. Früher, in der Blütezeit der Sommerfrische, also rund um die Jahrhundertwende, war das anders. Da spielten Quadratmeter noch kaum eine Rolle. Großzügig wurden prächtige Villen, Schlösschen und Landhäuser nah ans Wasser gestellt, ohne dass die Idylle durch
diese ersten Zeugnisse des Fremdenverkehrs in Gefahr geriet.

Kompaktes Villenensemble

So umgeben auch die Miralago viele Quadratmeter Park. Kieswege und Freitreppen ziehen einen förmlich hinunter zum Bootshaus – welch ein romantischer Platz. Johannes Muchitsch, der Betreiber, war früher selbst Mieter hier, weil er die alten, leicht sanierungsbedürftigen Mauern schätzte. Heuer wagte er sich an das Projekt, darin eben kein übliches Hotel zu betreiben. Designermöbel und Hightech-Ausstattung sind kein Thema. Atmosphäre, Parkidylle und Romantik mit originalen Möbeln – darum geht’s. Und das wirkt.

Uralte Bäume schotten die Villa von den Nachbarliegenschaften ab. Es wäre in diesem Ausnahmefall kein Fehler, die drei weiteren Objekte des geschlossensten Wörthersee-Villenensembles zu sehen: Villa Wörth (Hotel mit Restaurant), Villa Seehort (Appartements) und Villa Seefried (privat). Alte Pläne zeigen eine symmetrische Parkanlage von Miralago und Seehort, ihre Grundrisse sind aber verschieden. Die jeweiligen Bauherren, die Industriellengebrüder Urban, dürften sich 1893 ein architektonisches Match geliefert haben. Romantisch verspielt versus klassisch historis-tisch – beides ist repräsentativ für die Wörthersee-Architektur, beides geplant von Architekt Carl Langhammer.

Zwei Namen wird man im Zusammenhang mit den Sommerfrischeresidenzen besonders oft begegnen: Franz Baumgartner und Josef Victor Fuchs prägten das Bild der Ufer, an denen Großbürger, Adel und Künstler wie Brahms oder Mahler Erholung, Gesellschaft(en) und Inspiration suchten.

Baumgartner war sehr fleißig, die betuchte Klientel mit feudalen Ferienwohnsitzen zu bedienen. Seine Handschrift könne der Laie leicht erkennen, erklärt Heimo Kramer, der auf einer Homepage die schönsten Bauten zwischen Velden und Klagenfurt erfasst und mit dem Haus der Architektur in Klagenfurt eine thematische Karte herausgebracht hat, mit der man vom See aus viele Objekte bestaunen kann. „Charakteristisch für Baumgartner sind etwa das Bruchsteinmauerwerk im Erdgeschoß und die Verwendung lokaler Materialien. Elemente wie Erker, Türmchen, Loggien, Korbbogenfenster und Ziergiebel. Dazu große Hallen statt langer Gänge, wie man’s von englischen Landhäusern kennt.“

Gern hätte Baumgartner seine Ästhetik auch auf andere Bauzwecke übertragen: Das Forstsee-Kraftwerk in Töschling etwa verhält sich mit seinen ineinander verschnittenen Walmdächern wie eine große Villa; man darf sich davon aus der Gastgartenperspektive überzeugen. Das Bemerkenswerte an Baumgartner war laut Kramer, dass er „es verstanden hat, lokale Traditionen mit internationalen Strömungen zu verbinden und daraus etwas Eigenständiges zu machen“. Das sieht man auch, wenn man in Velden an der Villa Kointsch (Hotel) vorbeiflaniert oder sich in Pörtschach auf einen Drink ins „Anna W.“ setzt.

Filigrane Wassereinbauten

Betrachtet man die zahlreichen Bauten von Josef Victor Fuchs, fällt eine andere Stilistik ins Auge. Fuchs entwarf frei von regionalen, heimatbezogenen Einflüssen mit dem Formeninventar des Historismus; seine Objekte unterschieden sich wenig von jenen in den Villenvierteln österreichischer Städte. Das schönste Relikt des tschechischen Architekten, dessen Spur sich rund um den Ersten Weltkrieg verliert, ist allerdings ein wörthersee-typischer Wassereinbau: eine alte Badeanstaltalt im heutigen Werzer Resort in Pörtschach. Sie ist die letzte ihrer Art in ganz Kärnten.

Wörthersee-Architektur ist eine stilistisch hybride Sommerfrische-architektur – und eine Begleiterscheinung des Südbahnbaus. Vorangetrieben wurde die Bautätigkeit in den Kurorten am See schon damals von großen Investoren. Der Wiener Porzellanfabrikant Ernst Wahliss ließ auf der Pörtschacher Halbinsel Villen, Wege und Infrastruktur anlegen. Das stachelte wiederum die ortsansässige Familie Semmelrock-Werzer zu Bauprojekten an. So wurde Pörtschach vor dem Ersten Weltkrieg zu einem besonders mondänen Urlaubsort in Kakanien – gleichauf mit Abbazia (Opatija).

Wörthersee-Architektur stand nicht immer hoch im Kurs. Das frühere Parkhotel auf der Pörtschacher Halbinsel ist vielleicht das bekannteste Beispiel. Seine Zerstörung begann nicht erst durch die englischen Besatzer. Es war 1939, als dem prächtigen Monumentalbau alle Feinheiten heruntergeräumt wurden, wie Peter Napetsch-nig, Chronist vieler Pörtschacher Baugeschichten, erzählt.

Sechziger und Renaissance

Heute steht dort schwerste Sechzigerarchitektur – und inzwischen irgendwie cool. Vor Kurzem wurde der siebente Stock des noblen Parkhotels redesignt und in die Sechziger zurücktransferiert. Steht man auf dem gläsernen Balkon, können die Augen über viele Ojekte der ach so guten alten Zeit wandern. Zum Glück ist vieles davon für den Urlauber zugänglich: edle Adressen wie das Seeschlössl in Velden. Oder Haus Schnür mit dem schönen Badehaus. Und natürlich Schloss Velden, in dem älteste Wörthersee-Architektur (1603) mit neuester (2007) kollaboriert. Nach einer umfassenden Sanierung, einem Besitzerwechsel und dem weitläufigen modernen Zubau gehört das
Khevenhüllerschloss zu den High-end-Adressen am See. Wieder.

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