Kurort Bled: Sommerfrische mit Tito

(c) Die Presse (Jutta Sommerbauer)
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Im slowenischen Kurort Bled steht Titos frühere Sommerresidenz. Heute ist das Bollwerk aus Beton und Marmor ein Viersternehotel, Gäste mit dem nötigen Kleingeld können in der „Präsidentensuite“ residieren. Ein Kurzurlaub im dezenten Luxus des 50er-Jahre-Sozialismus.

Es ist die Perspektive des Mächtigen, die sich auf der bewaldeten Anhöhe einnehmen lässt. Unverbindlich, probeweise.

Und flugs nimmt dieser Ausblick gefangen. Als wäre der bläulich glitzernde Bleder See ganz allein für den werten Betrachter angelegt worden. Als würden die hellen Glocken des Barockkirchleins, auf einer winzigen Insel inmitten des Sees gebaut, zu einem Privatkonzert erklingen. Als wären die Karawanken, einer Theaterkulisse gleich, über Nacht von eifrigen Bühnenarbeitern aufgestellt worden.

Schauen, hören, riechen, ja – urlauben wie einst Tito. Ein paar Kilometer außerhalb des slowenischen Kurorts Bled liegt der Sommersitz des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Josip Broz Tito. Hinter einer efeubewachsenen Pforte, am Ende einer schnurgeraden, gepflasterten Einfahrt, sitzt die Residenz in verwaschenem Weiß gleich einem verwunschenen Schloss.

Vier Jahre nach Titos Tod, 1984, wurde die Residenz als Luxushotel wiedereröffnet. Seit vergangenem Jahr wird die „Vila Bled“ von der slowenischen Sportina-Gruppe geführt. Noch immer ist das Anwesen in Staatsbesitz – und auch die Architektur und die Einrichtung aus den 50er-Jahren haben die wechselvolle Geschichte überdauert.


Nach dem Zweiten Weltkrieg, Tito war gerade vom Partisanenführer an die Spitze der neuen sozialistischen Volksrepublik aufgestiegen, ließ er das Anwesen erbauen. Der malerische Ort, schon zu Zeiten des Kaisers eine Sommerfrische für den Adel, hatte es Josip Broz angetan. Deutsche Kriegsgefangene errichteten den Sommersitz im stalinistischen Stil: strenge Symmetrie, Beton in Massen, ein wuchtiger Säulengang, Fenster wie Gucklöcher.

Petra ?uk öffnet die Türen der „Vila Bled“ in den sozialistischen Luxus. Energischen Schrittes führt die jugendliche Marketingmanagerin vom Entrée – schwarzer Marmor „aus dem slowenischen Drenov Gri?“, erklärt sie im Vorbeieilen – über die Lobby aus braunem Marmor „von der kroatischen Insel Bra?“ zum weißen Stiegenhaus – „Marmor aus Kanfanar, Istrien“. Weiter geht es durch Gänge aus hellem Kirschparkett, ausgelegt mit roten Läufern, an ihren Enden ist die obligatorische Sitzgruppe aus rotem Samt platziert.

Die Zimmer haben eine dezente – man könnte auch sagen: bieder anmutende – Eleganz. Schlichte Hellholzmöbel, kein Pomp, keine Schnörkel. Sogar in Titos geräumiger „Präsidentensuite“ – zwei Schlafzimmer, zwei Badezimmer, ein Wohnzimmer, ein Schreibzimmer (Titos frühere Ankleide!) – können Touristen heute residieren. Politische Zugehörigkeit zählt nicht mehr, nur noch das Geld: 850 Euro muss man für eine Übernachtung im ehemaligen Reich des Marschalls ablegen.

Im ersten Stock hat es sich ein britischer Gast am früheren Schreibtisch des Marschalls, einem dunklem Ungetüm aus Holz, bequem gemacht und surft im Internet. Hier befindet sich auch der Konzertsaal – Tito nutzte ihn für Filmvorführungen – mit einem Fresko, das in dramatischen Bildern die Geburt der jugoslawischen Nation beschreibt: den Angriff der Wehrmacht auf Belgrad, klandestine Versammlungen der Tito-Partisanen in den Wäldern, die legendäre Schlacht an der Neretva, schließlich eine triumphierende Fahnenträgerin. Das Interieur der „Vila Bled“ mag manchen Gast erschaudern lassen. Doch es ist auch ihr Kapital. „Das suchen unsere Gäste“, erklärt Marketingmanagerin ?uk. „Sie möchten die Vergangenheit spüren.“ Wenig verwunderlich, dass vor allem westliche Ausländer – Amerikaner, Japaner, aber auch Österreicher, Deutsche, Italiener – hier nächtigen. Nicht allein der Preise wegen. Es sei „schwierig“, den Slowenen das hiesige Historienprogramm zu verkaufen, so ?uk. Nur hin und wieder kämen einheimische Besucher auf einen Kaffee in der Hotelbar vorbei – „aus Nostalgie“.
Während in Bled das Hotelmanagement darüber trauert, dass die früheren Betreiber ein Tito-Porträt aus der Bar einfach so mitgenommen haben, hat man in der Hauptstadt Ljubljana für derartige Sozialismus-Nostalgie wenig übrig. Als der Stadtrat Ende April beschloss, eine Einfallstraße – erstmals nach 18 Jahren – nach dem früheren Staatschef zu benennen, hagelte es Proteste. Angeheizt wurde die Debatte auch durch den Fund eines Massengrabs Anfang März: In einem slowenischen Bergwerk wurden mehrere tausend Leichen von Hitler-Kollaborateuren entdeckt. Für das nach dem Krieg begangene Verbrechen trage Tito die politische Verantwortung, gestand der slowenische Partisanenverband erstmals ein. Titos Ruhm – er ist auch im Park der Residenz verflogen. Dort, wo einst eine Betonbrücke auf monumentalen Pfeilern vom Sieg über die Natur kündete, wuchert heute das Grün, quillt respektlos über die Wege. Der frühere Raubtierkäfig – verfallen. Hier ließ Tito Tiere anbinden, für den Abschuss, sagt man. Dichtung oder Wahrheit? Ein plausibles Bild ergäbe es: der sich allmächtig wähnende Staatschef. Und all das nur ein paar Meter entfernt von diesem Ausblick. Diesem traumhaften Ausblick.

Luxus, sozialistisch

Im Doppelzimmer mit Balkon und Seeblick kostet die Übernachtung 230 Euro. Etwas teurer sind die Suiten (250–290 Euro) mit getrenntem Wohn- und Schlafbereich. Die Superior Suite lockt mit großem Bad (320 Euro). Titos Präsidentensuite (zwei Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Wohnzimmer, zwei Badezimmer) kommt auf stolze 850 Euro pro Nacht. Hotelrestaurant. Küchenchef ist der slowenische Topkoch Igor Jagodic. www.vila-bled.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2009)

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