Amanshausers Album: Angriffswaffe

Transparenz. Handgepäcks-durchleuchtungen fordern das Personal. Vor ihren Augen rauschen die schrägsten Infos vorbei, eine nach der anderen, pausenlos.
Transparenz. Handgepäcks-durchleuchtungen fordern das Personal. Vor ihren Augen rauschen die schrägsten Infos vorbei, eine nach der anderen, pausenlos. (c) Clemens Fabry
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74 - Ich und meine Nagelschere erleben Abenteuer. Manchmal gelangen wir gemeinsam an Bord.

Neulich flog ich nach Tiflis. Durch ihre absurde Alles-kostet-plötzlich-was-Politik halten die Airlines einen ja dazu an, ausschließlich mit Handgepäck zu fliegen, also nahm ich halt nur Handgepäck. Ich beschloss, meine alte, windschiefe Nagelschere zu riskieren, denn der Gedanke, ohne sie zu reisen, machte mich traurig. Nein, ich wollte an Bord niemanden erstechen, am allerwenigsten wollte ich die Maschine entführen. Ich tat dann auch beides nicht. Ich verpackte die Schere behutsam im Kulturbeutel, obwohl ich wusste, dass aufmerksame Gepäcksdurchleuchter sie trotzdem sehen würden. Doch mir war aus Erfahrung klar, dass die Wiener Kontrollen nicht den Gipfel der Genauigkeit darstellen.

Handgepäcksdurchleuchtungen überfordern das Personal ja grundsätzlich. Vor ihren Augen rauschen die schrägsten Infos vorbei, eine nach der anderen, pausenlos. Ich bewundere Menschen, die da hellwach bleiben. Ich selbst könn- te nach 15 Bildschirmen keine Kalaschnikow mehr von einer Packung Bahlsen-Kekse unterscheiden. Ich fürchte, ich würde bei diesem Job automatisch jenen Charme der Resignation entwickeln, den man an solchen Bewunderns- und Bemitleidenswerten beobachtet. Es lief, wie ich dachte. In Wien-Schwechat kam die Nagelschere mit mir an Bord.

In Georgien verwendete ich sie sachgemäß. Der Rückflug? Ich traute den dortigen Beamten ehrlich gesagt gar nichts zu und wähnte meine Nagelschere bereits in Sicherheit. Doch da hatte ich mich mit den Falschen angelegt. Am Tifliser Flughafen saß ein aufgewecktes Kerlchen, das die Schere auf den ersten Blick als Angriffswaffe identifizierte. Es bellte seinem Kollegen etwas Knappes zu. Dieser klärte mich aufs Freundlichste darüber auf, dass er mir die gefährliche Schere abnehmen und in einen Container mit Hunderten Leidensgenossinnen werfen würde. Seine Mimik, nicht frei von Schulung, signalisierte mir die Zwecklosigkeit, mein Missfallen auszudrücken. Ich nickte ihm anerkennend zu und salutierte der Nagelschere zum Abschied, die zu ihren Kolleginnen in die Tonne flog. Immerhin wusste ich nun, dass ich eine bombensichere Maschine bestieg.

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