Insta-Reise: Wer gern teilt, wird auch gesteuert

Gold. Disneyland ist ein
Gold. Disneyland ist ein (c) Joe Aguirre/The Disneyland Resort
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Die Bedeutung leistungsstarker Netze für Destinationen wächst rasant. Reisende verlangen nach „Instagrammability", Anbieter bekommen dafür Informationen und Steuerungsinstrumente.

„Pics or it didn’t happen" lautet das Mantra der Generation Instagram. Und das gilt auch und vor allem für Reisen, Ausflüge, Freizeitaktivitäten. Wenn es kein Bild – oder genauer: Selfie – vom Besuch in Disneyland, auf der Chinesischen Mauer oder beim Karneval in Rio gibt, hat dieser einfach nicht stattgefunden. Wer keine Fotos aus stylishen Hotels oder von angesagten Locations postet, ist nicht relevant. Das Essen, das nicht die Runde durchs Netz macht, hat es nicht gegeben. Wer sich nicht in Aktion zeigt, hat physisch nichts vollbracht. Was weniger fotogene oder netzschwache Ziele entsprechend mäßig attraktiv macht und Tourismusverbände, Veranstalter, Hoteliers, Gastronomen und Betreiber von Freizeiteinrichtungen immer stärker auf den „Insta-Faktor" setzen lässt, der inzwischen gewaltigen Einfluss auf die Urlaubsentscheidung hat. Hoteliers reagieren zunehmend auf das Bedürfnis einer meist jüngeren Klientel nach lifestyleoptimiertem Ambiente, das sich mit möglichst vielen Followern teilen lässt. So beeinflusst die Darstellbarkeit zunehmend die Gestaltung neuer Hotels, Lokale und Attraktionen.

Damit die richtigen, die kommerziell gewünschten Bilder entstehen und es jeder auch wirklich versteht, gehen manche so weit, spezielle Foto­points auszuweisen und spezielle Einladungen auszusprechen. Das macht die Sache für Instagrammer einfacher. Auch von jenen, die vom Posten und Produkt­placement (manche gut, einige wenige sehr gut) leben  – einerseits organisatorisch, andererseits distinktiv. Wenn immer neue Bilder produziert und geteilt werden, um eine k-Zahl an Followern begeistert halten zu wollen, entwickeln sich auch eigene Stile und Zugänge.

Top. Das Marina Bay Sands in
Top. Das Marina Bay Sands in (c) Pixabay

Bilderflut und Overtourism. Laut Schofields-Studie sollen über 40 Prozent der unter 33-Jährigen Reiseziele bevorzugen, die über eine hohe „Instagrammability" verfügen – sich also fotogen in den sozialen Netzwerken in Szene setzen lassen. Dieser Faktor schlage bereits Kriterien wie die Kosten, die lokale Küche und sogar die Frage, ob es günstigen Alkohol vor Ort gibt. Eine Situation, auf die immer mehr Destinationen reagieren – in die eine wie die andere Richtung: So haben die Pläne der griechischen Insel Santorin, die Zahl der Tagesbesucher zu limitieren, laut dem „Forbes"-Magazin damit zu tun, dass die Instagram-Bilder völlig überfüllter Gassen der Attraktivität der (ohnehin schon gestürmten) Insel geschadet haben und man nun die pittoreske Idylle wieder herstellen will. Das genaue Gegenteil konnte dagegen die kleine Stadt Wanaka in Neuseeland erzielen, die ihre Besucherzahlen durch gezieltes Umwerben von Influencern um 14 Prozent steigern konnte – und sich ausdrücklich bei Instagram dafür bedankte. Wobei auch Neuseeland über den Hype als Destination nicht durchwegs glücklich ist. Ein Schicksal, das es mit vielen Orten teilt, die in den vergangenen Jahren von Besuchern aus neuen Märkten, vor allem aus Asien, regelrecht überschwemmt wurden. Das betrifft Barcelona wie Hallstatt, Venedig wie Amsterdam, wo sich zunehmender Unmut über den Overtourism offen zeigt. Welcher zudem von Bildern befeuert wird, die nicht zeigen, was ist, sondern zeigen, wie es sein könnte. Optimierte, inszenierte, nachbearbeitete, beschlagwortete Welt, nicht ungeschönte Wirklichkeit.

Rankings um Rankings. Längst kursieren im Netz allerlei Rankings der belietesten Instagram-Destinationen, die bei Influencern gefragtesten Hotels – vom Marina Bay Sands in Singapur bis zum Aqua Dome im Ötztal. Oder die lohnendsten Ziele für Vlogger: Erwartungsgemäß finden sich darunter Sights wie der Louvre oder der Times Square, Städte wie London oder Istanbul. Auch Instagram selbst gibt jährlich die meistfotografierten Plätze bekannt, die traditionell von einem Ort dominiert werden, der kommerziell, dramaturgisch wie technologisch ein Role Model für vieles im Tourismus ist: Disneyland. Nirgendwo entstehen mehr Instagram-Bilder von glücklichen Menschen, werden mehr Likes kreiert als an den diversen „Happiest Places on Earth", wie Disneyland in den USA genannt wird. Und darauf kommt es den Instagram-Reisenden an: Dass die Zeugnisse ihrer Reisen geliked, geteilt und gepostet werden – und das möglichst schnell. Weshalb der Weg zu den Herzen der Reisenden in dieser Zielgruppe vor allem über eines führt, und das ist ein leistungsstarkes und vor allem kostenloses WLAN, mit dem sich die Selfies mit Micky Mouse oder dem Weißen Hai umgehend ins Netz stellen lassen, um der Gefolgschaft daheim zu zeigen, wo man gerade welche Abenteuer erlebt. Wie wichtig der Ausbau dieser Netze ist, haben verstärkt in den vergangenen zwei Jahren die großen Themenparkanbieter nicht nur in den USA erkannt. Inzwischen werden sechs- bis siebenstellige Beträge in die WLAN-Netze der großen, aber auch kleinerer Parks investiert, um in den Insta-Rankings präsent zu bleiben und die Kunden zufriedenzustellen. „Für die meisten Menschen ist WLAN inzwischen so selbstverständlich wie Elektrizität", bringt es Dan Speigel, Präsident der US-amerikanischen Beratungsfirma International Theme Park Services, im Gespräch mit dem „Schaufenster" auf den Punkt. „Es wird einfach ganz selbstverständlich vorausgesetzt und trägt zur Gästezufriedenheit bei." Das haben die Park-Betreiber überall auf der Welt mittlerweile verstanden, betont der Berater, der auch ein ­großes Projekt in China betreut. „Das ist allen klar, schließlich sind Park-Betreiber im Entertainment-Business, und da ist dieser Service Bestandteil des Masterplans."

Satt. Die Flut der Bilder und die ­
Satt. Die Flut der Bilder und die ­(c) APA/AFP/JOSEP LAGO

Schnell rentiert. Erst kürzlich hat das Disneyland-Resort neue WiFi-Spots in beiden Parks im kalifornischen Anaheim installiert; auch die Universal Studios gaben an, ihr WLAN-Angebot während der vergangenen Jahre im ganzen Park ausgeweitet zu haben. Das Six Flags Magic Mountain – die Six-Flags-Kette unterhält insgesamt 18 große Freizeitparks in den USA, Kanada und Mexiko – bietet seit 2016 freies WLAN in allen Parks an. Zwar wollte keines der Unternehmen zugeben, wie viel sie in dieses Angebot investiert haben, zum Vergleich nennt die „L. A. Times" in einem Bericht aber die Summe von 1,5 Millionen Dollar (knapp 1,3 Millionen Euro), die der Flughafen Los Angeles für das Upgrade seines freien WLANs investiert hat.

Ähnliche Größenordnungen sieht auch Matt Brown, Besitzer von CarrierBid Communications, dessen Unternehmen sich auf die Ausrüstung von Themenparks mit Telekommunikationstechnologie spezialisiert hat und bereits 15 Themen- und Freizeitparks aller Größenordnungen in den Vereinigten Staaten entsprechend vernetzt hat. „Für ein gut fünf Hektar großes Gelände muss man rund 300.000 Dollar (rund 250.000 Euro) für ein WLAN-Netzwerk investieren", berichtet er. Für die ganz großen Parks wie Disneyland, in dem täglich bis zu 40.000 Besucher posten und surfen wollen, dürften die Kosten der dafür benötigten 160 Access Points auf umgerechnet rund 410.000 Euro kommen. Allerdings werden diese Summen bei Weitem nicht nur aus Dienst am Kunden oder zur Förderung der Instagram-Präsenz investiert.

Gepusht. Manche Destinationen setzen gezielt auf Social Media, der Run auf Wanaka (NZ) wuchs mit Instagram.
Gepusht. Manche Destinationen setzen gezielt auf Social Media, der Run auf Wanaka (NZ) wuchs mit Instagram.(c) Jay French

Vielmehr eröffnen die „freien" Netz-Zugänge den Marketing-, Verkaufs- und Distributionsabteilungen ungeahnte Möglichkeiten, durch die sich die Investitionen bald wieder hereinholen lassen. Denn wer innerhalb der Anlage das freie WLAN nutzen möchte, muss sich – wie auch an Flughäfen und vielen anderen Orten, in denen es inzwischen zum Service gehört – zunächst registrieren. „Und das machen die Betreiber ihren Kunden natürlich so leicht wie möglich", erklärt Brown, „etwas indem man sich schnell über seinen Facebook- oder Twitter-Account einloggen kann." Was nicht nur dem Upload-freudigen Besucher Zugang zum begehrten Netz gibt, sondern auch den Betreibern Zugang zu dessen Social-Media-Profil – und damit häufig zu einem endlosen Strom an Informationen. Die sich für zielgruppengerechtes Marketing nutzen lassen, indem etwa dem laut Facebook-Profil überzeugten Veganer ein anderes Restaurant für die Mittagspause ans Herz gelegt wird als dem stolz posierenden Gewinner der örtlichen Grillmeisterschaften. Und es damit möglich machen, Sponsoren an Land zu ziehen, die recht bald zur Amortisierung der Investition beitragen, wie Brown erklärt: „Damit kann es beispielsweise für einen Sponsor wie Coca-Cola interessant werden, mit einem Park zusammenzuarbeiten", so der Experte. Mithilfe von Werbepartnern zahlen sich die schnellen Netze bald aus: „Auch bei den kleineren Parks können auf diese Art 5000 bis 8000 Dollar im Monat lukriert werden", rechnet er vor, womit die Investition sich binnen eines Jahres in ein Profit Center verwandele.

Besucherströme lenken. Das kann mehr, als nur dem Spieler am letzten Loch der Minigolf-Anlage ein SMS zu schicken, dass es in der örtlichen Pizzeria gerade knusprige Teigfladen gibt. Vielmehr lassen sich auf diese Art auch die Besucherströme lenken und zur gleichmäßigen Auslastung aller Attraktionen nutzen, aber auch Zusatzdienstleistungen verkaufen. So bieten die meisten US-Parks eigene Apps zum Download an, mit denen unter anderem Upgrades wie die Fastlane-Pässe gekauft werden können, mit denen man Warteschlangen umgehen kann. Aber auch diejenigen, die nichts extra bezahlen wollen, können davon profitieren, indem sie etwa die Wartezeiten an anderen Bahnen und Attraktionen abrufen, Fahrten im Voraus buchen oder Essen im Park bestellen können. So können etwa auf der vor zwei Jahren gelaunchten Universal-App auf einer Karte die Fahrten mit den kürzesten Wartezeiten und alle WCs gefunden werden, aber die Gastronomie ist hier gut sichtbar vertreten. Gründe genug, warum sich mancher Betreiber die Frage stellen dürfte, ob ein begrenztes Investitionsbudget nicht besser für ein starkes WLAN als für die neueste Attraktion ausgegeben werden sollte. „Die Kosten sind zumeist deutlich geringer als jene für ein neues Fahrgeschäft", lacht Brown. Zumeist werde aber nach wie vor in beides gleichermaßen investiert, berichtet Berater Speigel. „und die Erträge sind höher. Wie wichtig ein gutes WLAN ist, ist inzwischen allen bewusst."

Info

Beliebteste Städte: Gemessen an den Hashtags ist (laut https://de.statista.com, Jänner 2018) London in Führung (88,5 Millionen Bilder mit #London), gefolgt von NY und Dubai. Weiters Istanbul, Miami, Barcelona oder Moskau. Andere Rankings listen auch São Paulo oder Jakarta.

Beliebteste Sights: Auch das ist eine Frage der Zählmethodik. Die ersten fünf: Disneyland, Times Square, Central Park, Eiffelturm, Tokyo Disneyland (laut www.guinnessworldrecords.de).

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