Spanische Treppe in Rom.

Rom erkunden ohne Raunzen

Asterix-Fans unter sich: Wenn eine Horde von zehn Buben bei einer speziellen Familienstudienreise die Ewige Stadt erkundet, ist das Tempo hoch. Gleiches gilt für die Begeisterung.

Der Tag, an dem man Rom zum ersten Mal sieht, ist keiner, den man leicht vergisst. „Das war so toll“, seufzt das Kind abends. „Hoffentlich vergeht die Zeit hier langsam.“ Sehr viel war bereits geschehen: ein voll besetztes Auto verloren gegangen, ein antikes Stadion entdeckt, ein Hotel bis in den letzten Winkel erforscht und stundenlang gespielt; das alles seit dem Nachmittag. Dabei hat es ganz ruhig begonnen, mit einem Treffen der Gruppe in der Lobby: zehn Kinder, zehn Erwachsene, Reiseleiterin Sophie. Die Kinder sollten ihre Begleiter vorstellen und erzählen, warum sie hier sind. Julian hat die Reise zum Geburtstag bekommen, weil er und sein älterer Bruder Leandro, der auch dabei ist, große Asterix-Fans sind. Felix ist mit der Oma da, ein Firmungsgeschenk. Der zehnjährige Oskar hat die Reise von den Großeltern bekommen. Dann sind da noch der kleine Julius nebst Bruder Tim sowie Finn, Justus und Vincent. Und wir: der elfjährige Julius und seine romsüchtige Mutter. Fast alle Kinder sind zwischen zehn und zwölf Jahre alt. Alle sind zum ersten Mal in Rom. Und alle – zufällig – Buben.

Piazza Navona in Rom.
Piazza Navona in Rom. (c) imago images / UIG (via www.imago-images.de)


In vier Taxis fuhren wir zur Piazza Navona – doch eines kam nie an. Der Fahrer hatte erst verständig genickt und war dann einfach woanders hingefahren. Das war schade, denn so verpasste Finn das erste Eis. Sophie zeigte uns einen Brunnen mit einem Obelisken auf diesem schönen Platz, der früher ein Sportstadion war. Julius Cäsar ließ es bauen, später vergrößerte es Kaiser Domitian. Wo heute Häuserreihen stehen, saßen bis zu 30.000 Zuschauer, wo wir Schokoladen- und Mangoeis aßen, fanden Wettkämpfe statt. Der Eingang ist noch zu sehen: mehrere Meter unter der Straße, denn die Stadt ist auf ihrem Schutt in die Höhe gewachsen.

Spiele und Pizzastopps

Dass Erwachsene und Kinder beim Abendessen getrennt sitzen, nahm der eher schüchterne Elfjährige zunächst mäßig vergnügt zur Kenntnis. Doch schon bei der Pasta all'amatriciana fanden alle intensiv ins Gespräch. Während die Großen noch beim zweiten Gang saßen, begannen die Kinder Verfolgungsjagden durch die Etagen des Hotels. Gefasst ließ das Personal das Treiben geschehen.

Der Einstieg wird wegweisend für die nächsten vier Tage. Die Familienstudienreise prägen hohes Tempo, unablässiges Spielen, viel Pasta und Pizza. Während bei klassischen Studienreisen Kinder zwar zugelassen sind, aber belastbar sein müssen, betrachtet das eigens für Familien konzipierte Gegenstück eine Destination durch Kinderaugen. Die Erwachsenen dürfen aber auch mitmachen. Sie möchten Rom wiedersehen, Kindern, Enkeln zeigen und selbst Neues erfahren. Dafür sorgt Sophie Ratschow, Reiseleiterin und promovierte Mediävistin, die sechs Kindheitsjahre in Rom verbrachte. Dass sie neben Fachwissen auch pädagogisches Geschick und viel Geduld besitzt, erweist sich als sehr nützlich. Bei den abendlichen Gelagen in den Trattorien der Umgebung wird sie Asterix-Bände, kindgerechte Rom-Literatur und Spiele verteilen; während der Busfahrt zu den Ausgrabungen Ostias liest sie vor; nie bremst sie kindlichen Wissens- und Bewegungsdrang.

Denn die Kinder möchten rennen. Ein kleiner Kopfhörer im Ohr verbindet sie – wie die Großen – mit Sophie. Mit ihrem Mikrofon hält sie die Jungen wie an einer langen unsichtbaren Leine. Einmal scharen sie sich dicht um sie, einmal machen imaginäre Zaubererduelle ein so weites Ausschwärmen erforderlich, dass den Großen in der übervollen Stadt schon mulmig wird. Per Mikrofon dirigiert Sophie sie dann zu einem Brunnen oder Obelisken. Kein Kind geht verloren. Und sehr schnell zeigt sich, dass die gemeinsame Eroberung Roms im Lauf- und Klettermodus die Reise so besonders macht. Müdigkeit oder Langeweile können in der kleinen Horde nicht Fuß fassen. Dass trotz Tobens eine Menge hängen bleibt, zeigt sich beim Quiz am letzten Tag in Ostia. Da sitzen die Kinder auf den Stufen des antiken Theaters und notieren korrekt Roms Gründungsjahr, den Namen des ersten Bischofs der Stadt und das Mindestalter von Gladiatoren.

Das Pensum ist sportlich. Mit der Metro fahren wir zur Spanischen Treppe, wo die Stadtrallye beginnt. Eine Gasse öffnet sich auf die Piazza und das in den „Lorbeeren des Cäsar“ als „erstaunlichste Stadt des Universums“ gepriesene Rom. Sonne flutet den Platz, statt Autos stehen hier Kutschen. Sofort schießen die Kinder davon. Doch als Sophie Stifte und Hefte verteilt, sind alle wieder da. An was sie der Brunnen am Fuß der Spanischen Treppe erinnert, möchte Sophie wissen. An eine Badewanne, meint ein Bub; an ein Boot, sagt ein anderer. Richtig: An einem Weihnachtstag vor langer Zeit wurde bei Hochwasser ein Boot vom Tiber angespült. Das brachte Pietro Bernini – Vater von Gian Lorenzo, Schöpfer des Vierströmebrunnens auf der Piazza Navona – auf die Idee, den Brunnen einem Boot nachzubilden.

Sophie erzählt, dass der Platz wegen der Spanischen Botschaft gegenüber Piazza di Spagna heißt. Die von französischem Geld gebaute Treppe sollte eigentlich ein Standbild des Sonnenkönigs krönen. Die Kirche oben hatte auch schon ein französischer Monarch gestiftet. Ziemlich viel französisches Zeug, dachte verdrossen der Papst, der hier das Sagen hatte. Er wollte lieber einen Obelisken aufstellen. Lang passierte nichts. Dann kam die Französische Revolution, der König hatte andere Sorgen. Schlau nutzte der Papst die Gelegenheit und ließ seinen Obelisken aufrichten. Er ist einer von 13, die wir in Rom finden können; acht stammen aus Ägypten. Brunnen sind noch reichlicher vorhanden, mehr als 3000. Wir schaffen nur die schönsten.

Antiker Comic und Gelato

Noch bevor wir den nächsten sehen, hören wir Wasser rauschen. Hinter einer Menschenmenge erhebt sich die Fontana di Trevi, weiß und groß wie ein Palast. Die Kinder turnen über Stufen und Pfosten, dann wirft jeder mit der rechten Hand eine Münze über die linke Schulter. Das garantiert, dass wir nach Rom zurückkehren. Eine Million Euro landet jedes Jahr im größten Brunnen der Stadt; bis vor Kurzem bekam alles die Caritas. Bürgermeisterin Virginia Raggi will das ganze Geld in die Stadtkasse spülen, weshalb wir nur Ein-Cent-Münzen hineinwerfen.

Mit unverminderter Energie erreichen wir die von Regierungsgebäuden und Palästen gerahmte Piazza Colonna, auf der sich die Mark-Aurel-Säule erhebt. Wie ein Comic ohne Sprechblasen zeigt ein Reliefband die Feldzüge des Kaisers: Reihen von Figuren mit Schwertern, Schilden und Helmen. Von oben grüßt der Apostel Paulus. Er trägt ein Schwert, dabei wurde er selbst mit einem enthauptet. Aber auch mit Kopf hätte der Ärmste kein Eis von Giolitti probieren können. Diese womöglich beste Eisdiele Roms gibt es nämlich erst seit 1900. Wir bestellen Gelato von kaum gekannter Köstlichkeit. Ein Besuch des Pantheons, dessen Kuppeldurchmesser noch größer ist als der des Petersdoms, ist die letzte Station der Stadtrallye. Der Petersdom selbst kommt später dran. Dort erfahren wir, wo Papst Franziskus wohnt und dass er Fiat Panda fährt.

Der intensivste Tag der Reise führt ins antike Rom. Er beginnt im Kolosseum, das in der Morgensonne liegt. Sophie erzählt von Hetzjagden, Kämpfen und vom Gestank, der einst unter der Arena im Labyrinth aus Raubtierkäfigen, Lastenaufzügen und den Gängen für die Gladiatoren herrschte. Im Forum Romanum erklettern die Kinder einen Olivenbaum, erfrischen sich an Trinkwasserbrunnen, stecken die Köpfe zwischendurch über einem Smartphone zusammen und finden doch immer wieder zu Sophies Erklärungen zurück. Im Eiltempo geht es zum Kapitol hinauf. Die ungleichmäßigen Stufen sehen aus, als hätte Numerobis sie gebaut, der Baumeister aus „Asterix und Kleopatra“.

In der Basilika San Clemente führen Treppen in die Vergangenheit. Von der Kirche aus dem 12. Jahrhundert steigen wir in die frühchristliche Kirche aus dem 4. Jahrhundert hinab und dann zu den noch älteren römischen Häuserresten darunter. Ein Anflug von Mattigkeit zeigt sich erst, als die Kinder später an der Kreuzung vorm Circus Maximus während der Rotphase auf Stufen sinken. Doch bei Grün sausen sie zur antiken Wagenrennbahn, von der nebst Tribünenfragmenten nur das lange Oval erhalten ist, auf dem viele Fahrer (und Pferde) ihr Leben ließen. Die Kinder rennen davon und sind erst geraume Zeit später wieder einzufangen. Erschöpft fahren wir ins Hotel zurück, wo die Buben sich sofort zum Spielen treffen. An diesem Abend verzeichnet der Schrittzähler des großen Julius mehr als 20.000 Schritte.

Antike für Junge

Familienstudienreise: fünftägige Reise „Cäsar, Päpste, Gladiatoren“ bei Studiosus, für Familien mit Kindern von sechs bis 14 Jahren, www.studiosus.com


Lektüre: Der Reiseführer „Rom für dich!“ mit Comics und Rätseln von Kristina Pongracz ist auch für Erwachsene informativ. Verlag Lonitzberg, 88 Seiten.

Sehr amüsant ist „Das Tagebuch des Dummikus Maximus im alten Rom“ des Engländers Tim Collins, das im Jahr vor der Ermordung Julius Cäsars spielt, Verlag CBJ, 192 Seiten.

Unterhaltsam ist Margit Auers Kinderkrimi „Der römische Geheimbund“, der im Jahr 133 n. Chr. spielt – unter germanischer Beteiligung. Emons Verlag, 208 Seiten.


Compliance: Die Recherche wurde von Studiosus unterstützt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.