20 Jahre Hilfe für Srebrenica "Ein Teil von mir ist in Bosnien"

Jahre Hilfe fuer Srebrenica
Jahre Hilfe fuer Srebrenica(c) APA (LPD/FRANZ NEUMAYR)
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Seit 20 Jahren unterstützt "Bauern helfen Bauern" Menschen in Bosnien. Motor ist Doraja Eberle, Sozialarbeiterin und Vorstand der Erste Stiftung.

Noch ist es ein Traum: Der Name Srebrenica soll einmal nicht nur für das Massaker an 8000 Menschen im Jahr 1995, sondern für die schönste und beste Musikschule Bosniens stehen. Als hörbares Zeichen dafür, dass bosnische und serbische Kinder gemeinsam lernen können. Die Frau, die diesen Traum träumt, bürgt dafür, dass die Vision schon bald Realität werden könnte.

Doraja Eberle hat vor 20 Jahren angesichts des Elends in der Kriegsregion die Hilfsorganisation „Bauern helfen Bauern“ (BhB) ins Leben gerufen. Seither hat die Salzburgerin mit ihrem Team an Helfern und Spendern mehr bewegt als so manche große Organisation. Und auch wenn Bosnien längst nicht mehr auf dem Radar der globalen Aufmerksamkeit ist, ist Eberle mit ihrem Team vor Ort, verteilt Hilfsgüter, baut Häuser und bringt Projekte wie die Musikschule zum Laufen. „Unsere Kinder dort unten können noch nicht ohne die Hilfe unserer Hände gehen“, sagte Eberle im Gespräch mit der „Presse“. Die vielfältige Arbeit dokumentiert das Buch „Spuren der Nächstenliebe“, das kürzlich anlässlich des 20-Jahres-Jubiläums im Styria-Verlag erschienen ist.

Begonnen hat alles 1992, als Eberle beschloss, den Menschen im Kriegsgebiet zu helfen. Der Zufall wollte es, dass Eberle in der Sendung „Wetten dass...?“ sah, wie 100 Männer in 100 Stunden 100 Holzhäuser bauten. Die Sozialarbeiterin rief die flinken Handwerker am nächsten Tag an. Einfache Holzhäuser, damit Menschen in die von Krieg und Verwüstung gekennzeichneten Dörfer wieder zurückkehren können, sind der ruhende Pol, um den die Unterstützung von BhB kreist. Rund 1000 dieser Häuser wurden seither aufgestellt. Geld- und Sachspenden um rund 22 Millionen Euro gingen von Salzburg nach Bosnien.

Dass heute, da die Betroffenheit über den Bosnien-Krieg im kollektiven Gedächtnis längst in Vergessenheit geraten ist, noch immer Menschen für BhB engagiert sind, hat für Eberle einen Grund: „Wir machen die Menschen zu Zeugen, wir nehmen sie mit nach Srebrenica“, erzählt Eberle. Und das verändert die Perspektive. So wie bei Schülern der Landwirtschaftsschule Kleßheim, die 2011 als Klassenprojekt sechs Häuser für „Bauern helfen Bauern“ gebaut haben. „Danke, dass Sie mich mitgenommen haben. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich das Gefühl habe, gebraucht zu werden“, sagte einer der Schüler zu Eberle. Und auch für die Salzburgerin gilt: „Ein Teil meines Herzens ist in Bosnien.“

Viele Dinge, die sie bei „Bauern helfen Bauern“ gelernt hat, sind ihr auch in ihrer Zeit in der Salzburger Landespolitik zugute gekommen: Teamfähigkeit, Zielstrebigkeit, der Mut, Visionen umzusetzen. Vor zwei Jahren – im November 2010 – trat die VP-Landesrätin zurück. „Ich bin mit Leib und Seele in der Politik gewesen und möchte die Zeit nicht missen“, sagte Eberle. Doch es sei auch richtig gewesen, wieder auszusteigen. Mittlerweile hat die Salzburgerin, die aus der Familie Mayr-Melnhof stammt, neben BhB und ihrer Familie wieder eine neue Herausforderung: Eberle ist Vorstand der Erste Stiftung, die sich um Kultur- und Sozialprojekte in Osteuropa kümmert. „Eine unheimlich spannende Aufgabe.“

In Bosnien geht ihr die Arbeit nicht aus. Noch immer leben rund 50.000 Menschen in Lagern. Der Schritt in ein selbstständiges Leben braucht viel Mut. Wer ein Haus will, muss ernsthaft wieder Fuß fassen wollen. Dazu braucht es Arbeit, aber auch den eigenen Grund, um zurückkehren zu können. Immerhin 28 zerstörte Orte hat BhB in Bosnien wieder aufgebaut, 3000 Menschen zurückgebracht an Orte, von denen sie während des Kriegs vertrieben worden waren.

Standen früher Hilfspakete und Häuser im Vordergrund, geht es nun öfter um die Vergabe von Mikrokrediten, damit sich die Rückkehrer eine Existenz aufbauen können, oder um Kulturprojekte wie die Musikschule, die vor eineinhalb Jahren eröffnet wurde. Und geht alles nach Wunsch, dann wird sie auch bald in die oberste Liga der Musikschulen Bosniens aufsteigen.

Auf einen Blick

Die Salzburgerin Doraja Eberle hat vor 20 Jahren „Bauern helfen Bauern“ gegründet. Die Organisation konzentriert sich auf Hilfe für den ländlichen Raum im ehemaligen ex-jugoslawischen Kriegsgebiet. Ihre Arbeit dokumentiert das Buch „Spuren der Nächstenliebe“, das kürzlich im Styria Verlag erschienen ist. Spendenkonto 10900, Raiffeisenbank Grödig, BLZ 35018.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2012)

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