Panigl: Wie ein Lokal zur Bühne wurde

Enrico Panigl
Enrico PaniglDie Presse
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Das Enrico Panigl feiert seine ersten 25 Jahre in der Josefstadt. Der passionierte Betreiber Kurt Heigl zieht Resümee.

Ein bisserl Angst ist schon aufgekommen, wenn in den frühen Achtzigern Exzentriker wie der Dichter Joe Berger oder der einstige Leichtathlet Volker Tulzer den Schankraum betraten. Auch Theatermann Karl Welunschek neigte unter Alkoholeinfluss zu spektakulären Aktionen“, sagt Kurt Heigl, Chef des Josefstädter Panigl mit ein wenig Bedauern in der Stimme. Früher konnte sich das Wirtshaus leicht zur Bühne wandeln, vor allem, wenn mehrere schräge Charaktere gleichzeitig dem Rebensaft huldigten.

Der gebürtige Oberwarter Heigl hatte zunächst nicht vor, Gastronomie zu betreiben. In deren Sog geriet der gelernte Buchhändler zufällig. In den frühen Achtzigern war er Vertriebsleiter der Akademie der Wissenschaften am Ignaz-Seipel-Platz. Diese eher trockene Arbeit verlangte regelmäßig nach feuchter Labung. Lokale wie die Wunderbar, das Oswald&Kalb und das diskrete, weil schön schummrige Enrico Panigl boten sich dafür an. In dieser in der Schönlaterngasse befindlichen Urzelle des Panigl traf Heigl zwei frühere Schulkollegen hinter dem Tresen an.

Die Herren Wolfgang Jelinek und Christian Wukonigg, die heute das famose Café Engländer führen, kannte er aus der Berufsschule. „Die beiden haben in der Buchhandlung Gerold gelernt, ich im Bundesverlag.“ Heigl schloss sich ihrer neuen Lebensweise kurzerhand an.

Tagsüber wurden die dicken Feuilletons in den Kaffeehäusern studiert, nächtens in den Gesichtern der lebenslustigen Bohème gelesen. Enrico Panigl! Was für ein Name! Ersonnen wurde er vom Antiquitätenhändler Thomas Gamperl und dem Galeristen Kurt Kalb. „Wien – Triest – Marienbad“ ließ man von wissender Hand über das Portal pinseln. Der imaginäre Weinhändler aus Triest soll dem Vernehmen nach Liebeshändeln nie abgeneigt gewesen sein. Dieser Ruf sprach sich herum. Freunde der angewandten Anakreontik fanden sich rasch ein.

Krise durch Schüssels Sparpaket

Heute sieht die Sache anders aus. „Als wir 1989 die Panigl-Dependance in der Josefstädter Straße eröffneten, war es immer noch recht wild“, erinnert sich Heigl. „Seit Wolfgang Schüssels Sparpaket und der auf 0,5 Promille herabgesetzten Alkoholtoleranzgrenze beim Autofahren ist das Geschäft aber deutlich zurückgegangen.“ Trotzig hält er an seinem Motto fest: „Liebe, Schönheit und ein kleiner Schwül.“

Letzterer verlangt heutzutage anderen Brennstoff. „Damals waren wir unter den Ersten, die erlesene italienische Weine offen ausgeschenkt haben. Sonst hat es in der ganzen Stadt ja nur Valpolicella und Frascati gegeben. Heute werden kaum noch italienische Weißweine nachgefragt. Rotweine haben wir schon noch. Das Gewicht liegt dieser Tage auf österreichischen, meist steirischen Weinen.“ Ist der Patriotismus größer geworden oder die Weingüte höher? „Die Weine sind einfach viel besser geworden. Mir wäre es egal, ob ich italienische oder österreichische Weine verkaufe, Hauptsache, den Gästen schmeckt es.“

Unter der aus vielen, lieb gewonnenen Stammgästen bestehenden Klientel gab es über die Jahre auch prominente Panigl-Connaisseure. Al Bano Carrisi kochte in der Panigl-Küche seine ganz speziellen Spaghetti, der amerikanische Schauspieler Johnny Depp nippte am Roten. Immer wieder gerne kamen der ehemalige deutsche Bundeskanzler Schröder und Theaterkrawallschani Claus Peymann.

So unterschiedliche Künstler wie Hermann Nitsch, Helmut Eisendle und Peter Kruder schau(t)en auch gerne vorbei. Es sind diese Begegnungen mit dem Nervenadel, die Heigl reizen. Die Homepage des Panigl ziert ein Zitat des amerikanischen Romanciers Jack London. „Wirte sind anständiger als Geschäftsleute.“ Heigl: „Man hat ein größeres Herz. Ist mal einer in der Bredouille, dann schreiben wir schon an, ohne dass wir einen Reisepass oder ein Pfand verlangen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2014)

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