Sechs Hotels in Österreich haben Kunst als Konzept gewählt. Wir gingen mit einem ganzen Bund an Zimmerschlüsseln auf Museumstour. Text: Almuth Spiegler Fotos: Julia Stix, beigestellt
Er war vor 18 Jahren in Wien der Erste, der durchgängig Kunst in seine Hotelzimmer hängte. Und vielleicht war diese Idee auch eine nostalgische Reminiszenz des Hoteliers Otto Ernst Wiesenthal an seinen aufgegebenen zweiten Berufswunsch – Galerist. Geht man nach seiner heute rund 200 Stück reichen Kunstsammlung, von der Teile in den Zimmern und Aufenthaltsräumen des ungemein charmanten Vier-SterneHotels hängen, hätte er wohl kein sehr strenges, aber ein sehr spannendes Galerieprogramm gemacht. Jedes der fünf Stockwerke des 1902 erbauten Patrizierhauses am Wiener Spittelberg trägt eine völlig andere Handschrift
Am eindrucksvollsten sind sicher die von Matteo Thun nach dem Motto „Mutzenbacher“ gestalteten Fluchten: In den extravaganten, boudoirartigen Zimmern hängen mondäne Vintage-Fotografien, selbst am Plafond über dem Bett räkelt sich da plötzlich ein erotischer Akt. Eigenwillig, aber, so Wiesenthal, es komme nur zwei-, dreimal im Jahr vor, dass ein Gast dem nicht gewachsen sei. Nicht umsonst ist das Altstadt eines der beliebtesten Hotels bei Künstlern. Bis auf die Herrentoilette neben dem Salon verfolgt sie hier die Kunst, da wartet dann Irene Andessner in herrischer Pose.
3000 bis 6000 Euro berechnet Wiesenthal für die Kunstausstattung jedes Zimmers. Man spürt sie: hier junge Malerei von Robert Muntean, da ein Druck von Kiki Kogelnik, dort ein kleiner Brandl oder ein früher Damisch. In den letzten Jahren hat Wiesenthal aber noch ein Sammelgebiet entdeckt: die Zwischenkriegszeit. Junge Kunst, findet der Vielreisende, ist sowieso meist überzahlt. Und so hängt jetzt in der Freud-Suite ein Akt des Malers Robin Christian Andersen (1890–1969). Ein männlicher, natürlich. www.altstadt.at
Der einzige kunstfreie Ort in diesem absoluten Ausnahmehaus ist der Lift. In den kann man sich zumindest kurzzeitig retten, wenn einen der Neid allzu heftig überwältigt. Wer hätte nicht gerne diesen Kunstluxus bei sich zu Hause? Die Architektur von niemand Geringerem als Günther Domenig, die Kunstsammlung nicht geliehen oder mühsam zusammengespart, sondern so üppig, dass sie sogar auf zwei Häuser aufgeteilt werden muss. Im Business-Hotel Augarten hängen eher die jüngeren, im luxuriöseren Schlossberg Hotel die reiferen Meister wie Weiler, Nitsch, Attersee.
Schillernd. Wie ein Hotel zu solchen Schätzen kommt? Wenn der Besitzer einer der größeren Privatsammler des Landes ist. Helmut Marko hat eine schillernde Biografie: In den 70ern war der Grazer Rennfahrer, heute ist er Motorsportchef des Red-Bull-Racing-Team – und ganz nebenbei eben noch Hotelier und Kunstsammler. Da hängt ein Großformat Maria Lassnigs fast schnöde im Abgang zur Tiefgarage, immerhin neben einem echten Frank-Stella-Metallteil. Matta Wagnest hat den Brunnen und die Garage gestaltet, das Panoramabild im Hallenbad hat Gunter Damisch beigesteuert, selbst im Lichtschacht tut sich was: Hier dreht sich auf Knopfdruck eine Federmaschine von Jean Tinguely.
Elke Krystufek etwa, man lernt nie aus, malt auch Katzen. Ronald Kodritschs Hunde kennt man, sein „Flit- scherl“-Bild über einer roten Designerliege soll es dem Wiener Motto-Chef Bernd Schlacher angetan haben. Die Atmosphäre scheint zu genauen Bildbetrachtungen anzuregen: Einmal, erzählt Direktorin Eva-Maria Bardel, wollte ein Gast ein Bild Erwin Ringels mit einem Leintuch verdecken. Er habe darauf eine Vagina entdeckt. www.augarten-hotel.at
Gleich neben der Kunstakademie gelegen, eingerichtet in drei Ringstraßenpalais und dem denkmalgeschützten, in den 50ern von Roland Rainer errichteten „Böhler-Haus“: Das 2004 eröffnete Wiener „Le Meridien“ scheint gar keine andere Wahl gehabt zu haben, als zum Kunst- und Design-Flaggschiff der internationalen Hotelkette zu werden. Schon in der Drehtür wird man von Kunst umfangen, die Folien mit Skyline stammen von der 1971 geborenen chinesischen Künstlerin An Xiaotong. Sie ist Teil eines Pools aus 100 Künstlern, die der Kurator Jérôme Sans – heute Direktor eines Privatmuseums in Peking – ausgewählt hat. Die Mitglieder hatten die Aufgabe, für Le Meridien unvergleichliche Erlebnisse zu kreieren, von der Schlüsselkarte bis zur Lichtgestaltung. Aus bislang netten Absteigequartieren sollten atmosphärische Auftrittsmöglichkeiten für den Gast werden. „Das Hotel als Bühne“ ist das Motto.
Überfluss. In Wien nützt dieses Angebot beinahe schon eine Unzahl an Kunstinstitutionen – im Le Meridien gibt es eine Wand, an der sich immer wechselnd Galerien präsentieren können, die Kunsthalle Wien stattet das Café mit Werken aus, die Modeklasse der Angewandten hat sich ein paar schicke Vitrinenteile gesichert, und die Videoklasse der Akademie hat sich auch eine Lounge eingerichtet. Nicht zu vergessen die haus-eigene Galerie im Untergeschoß, wo regelmäßig noch weniger bekannte Künstler gefördert werden.
Neben all diesen wechselnden Elementen verändert sich die Lobby selbst nicht – hier sind fixe Arbeiten von Irene Andessner, der eindeutigen Queen der Kunsthotels, und Ilse Haider zu sehen. Fast ein wenig enttäuschend sind nach diesem wahren Schwall an Kunst im öffentlichen Bereich die Zimmer und Suiten selbst: Hier wird in Leuchtkästen anonyme Fotoware zu rein dekorativen Zwecken verwendet. www.lemeridien.de
Alte Meister. Sie trifft man in einem österreichischen Hotelzimmer noch seltener als ein zeitgenössisches Original. Das Schlosshotel Fuschl aber – bekannt als Film-„Double“ von Sissis bayrischem Heimatschloss Possenhofen – bietet für den Kunstkenner in seinen Turmsuiten die ultimative Opulenz: Eingerichtet nach Epochen von Barock bis Biedermeier darf der Trash-gepeinigte Alltagsblick hier auf ausgesuchten Museumsstücken ins Nirwana gleiten. Zum Beispiel in der Sissi-Suite, wo sonst, bettet man sein Haupt unter einem prächtigen Gemälde des Rokokomeisters François Boucher zur Ruhe. Süße Träume sind hier sicher, wenn über einem Venus Cupido das Spiel der Lyra lehrt ...
1461 als Jagdsitz der Salzburger Erzbischöfe gebaut und seit 1947 als Hotel geführt, entschloss man sich hier nach einer Generalsanierung, mit dem renommierten Münchner Altmeisterhändler Konrad O. Bernheimer zusammenzuarbeiten. Seit 2004 baute er für Hotelbesitzer Stefan Schörghuber eine Altmeistersammlung auf. Über 150 Gemälde sind es bisher, Teile hängen in den Suiten und den öffentlichen Räumen des Schlosshotels, in der Bar etwa grüßt Jean François de Troys „Allegorie des Geschmacks“ mit einem Weinglas in der Hand.
Und wer sich nach ein paar Gläsern vielleicht dazu entschließt, dieses reizvolle Leben mit Alten Meistern in den eigenen vier Wänden fortzusetzen, wird nicht im (Salzburger) Regen stehen gelassen. 2006 eröffnete Bernheimer hier eine kleine Dependance seiner Galerie, in der er Wechselausstellungen mit Gemälden, Zeichnungen und Fotografien präsentiert – bis Ende September etwa noch Musikerporträts von Mat Hennek und Karajan-Bilder von Werner Neumeister. www.schlossfuschl.at
„Ich liebe dieses Leben“ steht da frech in Pink auf dem kanarigelben Riesen-T-Shirt. Eine positivere Begrüßung kann man sich in einem Hotel gar nicht erwarten, unübersehbar hängt das Objektbild von Zenita Komad mitten im Entree des „Kunsthofs“ nahe dem Praterstern. Das von Bianca Regl mit einer grausigen Prater-Jagdszene bemalte Panorama-Hotelschild draußen muss leider wieder entfernt werden, es leuchtet den Anrainern zu grell. . .
Obwohl heute noch immer mehr unter seinem früheren Namen „Reichshof“ geläufig, bekennt sich hier Rainer Axel Scheithauer, Hotelier in vierter Generation, schon seit geraumer Zeit zur zeitgenössischen Kunst. Bereits 1990, nach einem Umbau, engagierte er Fotokünstler Fritz Simak für eine speziellere Zimmerausstattung, die sich seither mit Bildern anderer Künstler aufgelockert hat. Gestohlen werde nichts, nur manchmal, da findet man ein Bild nicht mehr an der Wand, sondern verkehrt im Kasten stehend, erzählt Scheithauer lachend.
Gestrickter Wein. Seit 2002 werden die öffentlichen Räume auch für Ausstellungen jungen Künstlern zur Verfügung gestellt, wofür man sich sogar von einer Profikuratorin, Silvie Aigner, unterstützen lässt. Doch die hauseigene Sammlung wächst und wächst, „bald werden wir keinen Platz mehr für Ausstellungen haben“. Ins Stiegenhaus hat Peter Pilz eine Lichtsäule gestellt, auf die Wand daneben hat der Berliner Tim Trantenroth die Fassade des Hilton N. Y. gemalt. Besonders angetan haben es dem Hotelier aber die grauen Strickobjekte Barbara Bernsteiners. Zwei Säulen in der Lobby hat sie wollene Stulpen übergezogen, und die schlaffen, weil gestrickten Weingläser auf ihrem Tischchen im Frühstückszimmer teilen kollegial die Müdigkeit der rundum Sitzenden. www.reichshof.at
Hier ist so ungefähr alles anders, als man es sich im ältesten Gasthaus von Salzburg (650 Jahre), noch dazu in der Touristenmeile Getreidegasse, erwarten würde. Aber spätestens 2001 war Hotelier Andreas Gfrerer klar, dass es ihm schlichtweg zu langweilig ist, ein gediegenes Altstadthotel zu führen. Und er gönnte sich und seinen Gästen ein neues Hotelkonzept: zeitgenössische Kunst. Was noch recht vorsichtig begann, führte mittlerweile schon dazu, dass vor dem Hotel mitten in der Festspielzeit eine Schlammrakete des jungen Künstlers David Moises gestartet wurde, Scheitern mitprogrammiert. Die Rakete ging nur ein paar Zentimeter hoch und der ursprüngliche Treibstoff Schlamm war durch fleckenfreies Wasser ersetzt worden. Aber egal, jetzt steht das Relikt im Innenhof der Blauen Gans, der zu einem kleinen Skulpturengarten ausgebaut werden soll.
Vielleicht hinterlässt dann auch dort nächtens einer der gern hier logierenden Künstler ein Gastgeschenk, wie es Franz Graf auf der Wand eines der leichthändig designten Zimmer tat. Diesen Sommer hat er seine spontan begonnene Zeichnung pflichtbewusst finalisiert. Die Mischung von bekannter und weniger bekannter Kunst, von Erkennen und Entdecken macht den Rhythmus eines Rundgangs durch die Gans aus.
Hier – wie könnte sie fehlen – Irene Andessner, Siegfried Anzinger oder Joseph Beuys. Da eine Serie von 70 Bildchen der jungen Wienerin Sofia Goscinski und eine große Schweinestall-Zeichnung der unterschätzten Linzer Zeichner Ritter/Hauenschild in der Kellerbar. „Die Kunst soll bei uns nicht plakativ sein“, erklärt Gfrerer seine Idee, „aber das Haus bekommt durch sie eine bestimmte Aura.“ Oh ja. www.blauegans.at
Zimmer mit Mehrblick
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