Mit „krampertem“ Klang an die Spitze der US-Charts

Orson Welles in "Der dritte Mann"
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Am 7. Juli wäre Anton Karas, der Schöpfer des "Harry-Lime-Theme" 110 Jahre alt. Zithervirtuosin Cornelia Mayer hat sein Werk transkribiert.

Ihre höchst private Lebenswende kam früh. In der dritten Klasse Volksschule brachte eine Mitschülerin eine Zither in den Unterricht mit, und Cornelia Mayer war von ihren Klängen so fasziniert, dass sie nichts anderes mehr machen wollte. Sie hatte noch zwei Geschwister, und die Eltern bauten in den frühen Siebzigern ein Haus. Da Geld war also knapp. Mayers Lehrer spielte ihnen dennoch das „Harry-Lime-Theme“ vor, um sie dazu zu motivieren, ihrer Tochter die ersehnte Zither zu kaufen. Das schlaue Manöver war erfolgreich. „5500 Schilling kostete so ein Instrument damals. Das war viel Geld“, sagt Mayer dankbar. Heute lehrt sie selbst Kinder und Jugendliche im Umgang mit dem vielsaitigen Zupfinstrument. Zudem absolviert sie zahlreiche Auftritte, unter anderem auch im liebenswerten Dritte-Mann-Museum im vierten Bezirk in Wien.

Es entstand aufgrund einer Privatinitiative der Japanisch-Dolmetscherin Karin Höfler und des Fremdenführers Gerhard Strassgschwandtner. Dann gibt es noch die Dritte-Mann-Kanalführungen sowie Vienna Walks & Talks, mit denen man sich auf die Spuren von Orson Welles und Joseph Cotten begeben kann. „Von offizieller Seite wird ,Der dritte Mann‘ eher geschnitten. Derzeit kann man nicht einmal Zither in Wien studieren, was wahnsinnig schade ist.“ Dafür, dass nicht jeder Zitherspieler das Werk von Karas spielen mag, hat sie hingegen Verständnis. Was fasziniert sie, eine klassisch ausgebildete Zither- und Fagottspielerin, am unorthodoxen Stil von Anton Karas? „Alles, was die Klassik verbietet, hat er zum Stil erhoben. Beispielsweise laute, leer klingende Saiten dazuzunehmen, gewisse Fingersätze übers ganze Griffbrett zu greifen oder auch die Saiten zwischen den Akkorden abzustoppen, was ein charakteristisches Knackgeräusch erzeugt.

Zudem hat Karas in seiner Musik wahnsinnige Tremoli, starke Tonwiederholungen.“ Zur intensiven Beschäftigung mit Karas kam sie, als ein Freund sie fragte, warum denn ihr „Harry-Lime-Theme“ so anders klinge als jenes von Karas. Am Ende haben die beiden, Mayer und Manfred Hofmeister, das Buch „Eine Zithermelodie erobert die Welt“ geschrieben und im Eigenverlag veröffentlicht. Fast drei Jahre lang hat Mayer dafür die teilweise recht erratischen Kompositionen von Karas genauestens transkribiert und mittels einer dem Buch beigelegten Lehr-DVD auch für Novizen erlernbar gemacht.

Dass ein einfacher Wiener Volksmusiker als erster Österreicher Platz eins in den USA schafft, mutet heute wie ein Wunder an. Vom 29. April bis 14. Juli 1950 führte Karas die US-Hitparade an. Abgelöst wurde er von Nat King Coles „Mona Lisa“. Mayer findet es nur logisch, dass Karas mit seinem so persönlichen Stil den großen Erfolg einfuhr. Sie hat herausgefunden, dass er gar nicht Autodidakt war, wie die meisten Musikfreunde glauben. „Im Zuge der Recherchen entdeckten wir das Plakat der behördlich konzessionierten Zitherschule von Fanny Munzar, auf dem der Name ,Anton Karas‘ stand. Er hat dort definitiv Harmonielehre, Tonsatz und so weiter machen müssen.“

Karas verstand kein Englisch

Dass Karas die Musik für den Film kreiert, war ursprünglich gar nicht geplant. Zunächst hatte Regisseur Carol Reed symphonische Musik eingeplant gehabt, aber weil ihm Karas' Klang so gefiel, hat er während der Postproduktion umdisponiert. Mayer lachend: „Der noble Herr Reed liebte den ,kramperten‘ Sound von Karas über alles. Reed wurde zum Svengali des Anton Karas. Er hat ihn ungeheuer gedrillt, aber es hat sich ausgezahlt. Karas verstand kein Wort Englisch, das britische Essen war damals scheußlich, und Reed stresste ihn zu etwas, was er noch nie zuvor getan hatte: selbst zu komponieren.“

Obwohl sich zunächst die Filmfirma das Copyright sicherte, setzte sich Reed später stark dafür ein, dass Karas beträchtliche Summen bekam. Die steckte er dann in eine Weinschenke namens „Zum dritten Mann“. Und wie oft hat Cornelia Mayer das „Harry Lime Theme“ schon gespielt? „Noch nicht oft genug. Immer noch entdecke ich neue Facetten daran.“

ZUR PERSON

Cornelia Mayer, klassisch ausgebildete Zither- und Fagottspielerin, spielt heute, Mittwoch, im Friseur-Müller, Hameaustraße 30–32, 1190 Wien ab 19 Uhr ein Anton-Karas-Geburtstagsprogramm.

Weitere Konzerte: 16. und 30. Juli im Dritte-Mann-Museum, Pressgasse 25, 1040 Wien, jeweils 18 Uhr.

Informationen zum Dritte-Mann-Museum finden Sie unter www.3mpc.net.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2016)

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