Design

Echte Küche, falsches Handy

Architektin Eldine Heep und Designer Klemens Schillinger wurden bei der Sozialmarie für ihre „Wiener Kuchl“ ausgezeichnet.
Architektin Eldine Heep und Designer Klemens Schillinger wurden bei der Sozialmarie für ihre „Wiener Kuchl“ ausgezeichnet.(c) Michele Pauty
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Mit Eldine Heep hat Klemens Schillinger die nun prämierte "Wiener Kuchl" entworfen. Für Aufsehen sorgt indes auch seine Handyattrappe.

Gefunkt hat es beim Speeddating: „Kulturtransfair“ heißt die Schiene, bei der sich Kulturinstitutionen und soziale Einrichtungen kennen lernen, mit dem Ziel, gemeinsam ein Projekt zu realisieren. Jenes zwischen Wieder Wohnen und dem MAK darf als Erfolgsbeispiel gelten: Schon bei ihrer Entwicklung im Vorjahr sorgte die „Wiener Kuchl“ für Aufsehen – bei der gestern verliehenen Sozialmarie wurde sie nun auch als bestes österreichisches Projekt prämiert.

Dahinter steht die Erfahrung, dass ehemals obdachlose Menschen, die eine Wohnung bekommen, sich schwer damit tun, eine Küche zu finanzieren – und dass, wer keine Küche hat, auch eher die Wohnung wieder verliert. Nun gibt es eine zum Selbstmachen, für weniger als 200 Euro, entworfen von Klemens Schillinger, der als einer der jungen Stars der Wiener Designszene gilt. Entwickelt hat er sie gemeinsam mit seiner Projektpartnerin, der Architektin Eldine Heep, und einer ganzen Peer-Group: ehemals Obdachlosen, die schon wieder eine Wohnung haben und die sich immer wieder zu gemeinsamen Aktivitäten treffen. Zu den Kuchl-Workshops, erzählt Heep, seien die Peers besonders regelmäßig erschienen.

Dabei, gesteht sie, hätten sie und Schillinger vor dem ersten Treffen durchaus Bauchweh gehabt, wollten nicht als die besserwisserischen Designer erscheinen. Die Besorgnis war unbegründet, das Eis schnell gebrochen. Nach gemeinsamen Ausflügen mit der Sackrodel in den Baumarkt (die Materialien für die Küche sollten mit öffentlichen Verkehrsmitteln transportierbar sein) entstanden der Prototyp aus Fichtenholz, dazu ein Handbuch und ein Video – zumal die minimalistische Do-it-Yourself-Designerküche für jeden nachbaubar sein soll.

Mit Eldine Heep, die als Assistentin von Hani Rashid an der Angewandten arbeitet, hat Schillinger inzwischen schon öfter kooperiert. Ursprünglich Schulkollegen, waren die beiden nach Jahren im Ausland ziemlich gleichzeitig wieder in Wien gelandet: Schillinger, Absolvent der Grazer FH in Produktdesign, vom Masterstudium am Royal College of Art in London kommend, Heep aus China, wo sie mit einem Architekturbüro „alles vom Wohnpark bis zur Shoppingmall“ gebaut hatte und sich nach Kleinerem, Ruhigerem sehnte.

Richtig idyllisch klingt das aktuelle Projekt: Gerade in der Entwicklung ist ein Siegerentwurf der beiden für einen Aussichtsturm in der Wachau. Für internationales Aufsehen gesorgt hat indes ein ganz anderes Schillinger-Projekt: eine Handyattrappe. „Substitute Phone“ heißt die elektronikfreie Tafel in Form eines Smartphones, auf der man ein paar eingebaute Kugeln bewegen kann: Das haptische Erlebnis eines Smartphones – ganz ohne digitale Ablenkung.

„Kritik, kein Therapiegerät“

Entworfen, erzählt Schillinger, hat er das Handy im Herbst für die Vienna Design Week, wo er mit den Studios Breaded Escalope, Patrick Rampoletto und Chmara.Rosinke im „Spazio Pulpo“ stets zu einem selbst gewählten Thema ausstellt. Im konkreten Fall lautete es: „Offline“. Schillinger entwarf dazu sein spielerisches Gerät – basierend „auf dem Gefühl, das man hat, wenn in der U-Bahn alle ihr Handy in der Hand haben und man automatisch selbst nach seinem greifen will“.

Wie genau die Geschichte viral ging, schilderte er soeben auf dem Forward Festival. Von überall her hätten Journalisten angerufen, wollten Menschen nach dem Preis fragen. Mit 200 Euro ist das Ding nicht eben okkasionell; inzwischen, erzählt er, würde sich ein Museumsshop-Verlag dafür interessieren. In Summe war das Ganze jedenfalls (auch) ein Missverständnis: Sein „Substitute Phone“ sei „ein kritisches Kommentar, aber kein ernst gemeintes Therapiegerät“. Er selbst ist übrigens handyssüchtig wie eh und je, eher noch mehr: „Jetzt bin ich auch noch auf Instagram.“

AUF EINEN BLICK

Die Sozialmarie vergab gestern zum 14. Mal 15 Preise für soziale Innovationen. Einge-reicht wurden 249 Ideen aus Österreich, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Platz eins ging an „Housing First for Families“ in Brünn, Platz zwei an einen Buchklub für junge Roma in der Slowakei, Platz drei an die „Wiener Kuchl“. Trägerin des Preises ist die Unruhe-Privatstiftung, die im Jahr 2000 von Wanda Moser-Heindl und Friedrich Moser gegründet wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2018)

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