Kulturforen: Flaggschiffe für Österreich

London. In Zeiten des Brexit ist das Kulturforum eine wichtige Kontaktbörse.
London. In Zeiten des Brexit ist das Kulturforum eine wichtige Kontaktbörse.(c) Damian Griffith
  • Drucken

Von New York und Paris über Moskau und Tokio: Die Österreichischen Kulturforen sind wichtige kulturelle Player.

Gerade einmal 7,5 Meter breit und doch Ausstellungshaus, Konzertbühne und nicht zu unterschätzendes Zentrum der Kulturdiplomatie – das Austrian Cultural Forum New York. Mit seinem einzigartigen Bau von Raimund Abraham ist es eines der Flaggschiffe der österreichischen Auslandskultur. Zur Eröffnung des Neubaus 2002 kam sogar der damalige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg und lobte den Mut Österreichs, sich so zeitgenössisch zu präsentieren. Nicht einmal 60.000 Dollar hat das Stadtpalais nur wenige Schritte von der Fifth Avenue, gleich zwischen Cartier und Tiffany & Co, 1958 gekostet. Wohl eine der klügsten Investitionen der Zweiten Republik. Der Beschluss, das Institut zu gründen, fiel in Wien, nach 16 Jahren Vorarbeit in Manhattan. Anfang der 1940er-Jahre gründete ein Zusammenschluss aus Exil-Österreichern bereits The Austrian Institute. Nicht nur, um in der neuen Heimat einen Teil der verlorenen Kultur wieder aufleben zu lassen, sondern auch mit dem Gedanken, die amerikanische Regierung für einen Fortbestand Österreichs zu gewinnen.

Der Pianist Paul Wittgenstein, die Schriftstellerin Mimi Grossberg, aber auch der ehemalige Bundesminister Guido Zernatto trafen sich zu Lesungen, Diskussionen, Konzerten – bei seinen Besuchen der Stadt kam auch Stefan Zweig vorbei. In den letzten fünf Jahren hat Direktorin Christine Moser von hier aus im Schnitt 200 Veranstaltungen in 45 amerikanischen Städten organisiert. Im Oktober wird es einen Wechsel geben und Michael Haider das diplomatische Amt am ACFNY, die gängige Abkürzung für das Austrian Cultural Forum New York, übernehmen.

Das Kulturforum Rom ist das ­älteste eigenständige Kulturinstitut.
Das Kulturforum Rom ist das ­älteste eigenständige Kulturinstitut.(c) Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Christine Moser resümiert einen ihrer Schwerpunkte: „Ich konnte die 52nd Street für die jüdische Gemeinde in New York öffnen und als Heimstätte für die Präsentation jüdischer Kunstschaffender und Wissenschaftler wie auch die Sichtbarmachung der Schicksale von Holocaust-Opfern, Überlebenden und von deren Familien etablieren." Zum Abschied sagt die erste Direktorin des ACFNY laut: „Women.Now" – die Ausstellung mit österreichischen und US-Künstlerinnen wird am 25. September 2018 eröffnet.

Auch das Netzwerken mit Partnern steht im Fokus von Christine Moser. Dieser zentralen Aufgabe sind sich alle Foren bewusst, geht es doch vor allem darum, über den Weg der Kultur neue Dialoge zu öffnen. Etwa 6200 Veranstaltungen mit rund 9000 Künstlern und Wissenschaftlern bestreiten die Institutionen der Auslandkultur. Das dazu infrastrukturell nötige Netzwerk ist ein dicht gestricktes. Gegenwärtig zählt es 31 Österreichische Kulturforen und Kooperationsbüros, rund 90 Botschaften und Generalkonsulate, 65 Österreich-Bibliotheken, 20 Österreich-Institute und zwei Wissenschafts- und Technologiebüros. So werden im Ausland mehr Leute erreicht, als Österreich Einwohner hat.

Marktplätze für Ideen. Österreich ist eben „Kulturnation". Das weiß nicht nur der hiesige Tourismus gut für sich einzusetzen, sondern verschafft auch der Politik des Landes wertvollen Nährboden – die jeweiligen Leiter der dem Außenministerium zugeordneten Foren haben diplomatischen Status. „Die Österreichischen Kulturforen sind ein erfolgreiches Instrument österreichischer ‚soft power‘. Ihr Erfolg beruht darauf, dass sie Marktplätze für Ideen und für den Dialog sind und nicht den Auftrag haben, fertige positive Österreichbilder zu exportieren", so Emil Brix, Direktor der Diplomatischen Akademie Wien.

New York. Das Kulturforum zeigte  „Zeichnen gegen das Vergessen“.
New York. Das Kulturforum zeigte „Zeichnen gegen das Vergessen“.(c) Beigestellt

Die Kulturforen, ehemalig als Kulturinstitute geführt, sind Teil des „Nation Branding" Österreichs und als solche unheimlich erfolgreich. Im Unterschied zum gängigen Wien-Tourismus-Bild ist aber der Fokus auf das moderne Österreich gerichtet. „Österreich ist als Kulturnation weltweit bekannt und anerkannt, die ‚Klassiker‘ und ‚Meisterwerke‘ finden auch ohne unsere Hilfe ihren Weg in Museen und Konzerthallen. Wir sehen unsere Rolle vor allem im Bekanntmachen von zeitgenössischem Kunstschaffen", erklärt die Direktorin des Kulturforum Londons, Katalin Tünde Huber.

An der Brücke zwischen Heimat- und Gastland reflektieren die Kulturforen aber auch aktuelle Entwicklungen der jeweiligen Umgebungen: „Der Brexit hat derzeit Einfluss auf viele Projekte und so setzen wir heuer, anlässlich der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, und 2019, wenn der Austritt stattfinden soll, Europa in Szene. Wir sind auch zunehmend Anlaufstelle für britische Künstler und Institutionen geworden. Gerade aufgrund der ungewissen Zukunft haben diese den Wunsch, den Kontakt zu europäischen Ländern aufrechtzuerhalten."

Zugänge zur zeitgenössischen Szene schaffen ist einer der Ansprüche an die Kulturforen. „Die Auslandskultur ist traditionell innovativ und kann sensible Antennen haben", erzählt Teresa Indjein, die für Auslandskultur zuständige Sektionsleiterin im österreichischen Außenministerium. Sie berichtet zum Beispiel von einem Projekt im Dialog mit der Wissenschaftsdiplomatie: „Creative Austrians, VordenkerInnen für die Gesellschaft von morgen" steht an der Schnittstelle von Kreativität und dem Weltthema Ökologie. „Wenn man einen ‚Zuständigkeitsbereich‘ hat, der ‚die Welt‘ heißt, dann muss man den Himmel, unter dem wir mit und für unser ‚Österreich‘ agieren, ganz groß aufziehen."

Leyya. Die ­österreichische Elektropop-Formation war am Kulturforum Prag zu erleben.
Leyya. Die ­österreichische Elektropop-Formation war am Kulturforum Prag zu erleben.(c) Meyrem Bulucek

„Hinsichtlich der personalen und budgetären Ressourcen sind die Erwartungen in New York, Rom, Paris, London oder Moskau besonders hoch", weiß Emil Brix zu berichten. Mehr Fokus würde er auf die Kulturforen der mitteleuropäischen Nachbarschaft und am Balkan setzen um an einem gemeinsamen Kulturraum, der für die friedliche und positive Weiterentwicklung Europas entscheidend ist, zu feilen. Etwa in Krakau und Lemberg könnte Österreich präsenter sein. Aber auch in China, wo es nur in Peking ein Kulturforum gibt, sieht Brix Nachholbedarf: „Es ist heute wichtiger, wenn irgendwo in China ein Fahrrad umfällt, als wenn irgendwo in Europa ein Minister zurücktritt."

Michael Haider betont unterdessen, wie reizvoll die Arbeit in Warschau oder Teheran ist, wo in politisch spannenden Zeiten besondere Kreativität in der Kulturdiplomatie gefragt und auch möglich ist. Jedes Jahr widmet sich die Auslandskultur schwerpunktmäßig einem Land, das diplomatisch noch besser erschlossen werden kann, 2018 ist es Albanien.

In einem sind sich Kunst und Politik wohl einig – dem Wunsch, dass über sie gesprochen wird. Emil Brix weiß um diese glückliche Paarung: „Diplomaten ist es völkerrechtlich untersagt, sich in die inneren Angelegenheiten ihres jeweiligen Gastlandes einzumischen. Aber genau das machen gute Kulturdiplomaten. Sie mischen sich in das kulturelle Leben anderer Staaten ein und fordern zum Dialog auf. Es mag überraschen, aber ich plädiere bei der Auslandskultur dafür, die ‚Kultur des Scheiterns‘ ernst zu nehmen. Eine Auslandskulturarbeit, die nichts riskiert, könnte jederzeit durch private Agenturen oder durch die Österreichwerbung ersetzt werden."

Tipp

„Women.Now" Derzeit findet im ­Österreichischen Kulturforum New York die Abschiedsschau der scheidenden Direktorin Christine Moser statt.

www.acfny.org

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.