Sepp Holzer: Ein "Depp", auf den man hört

Grad oesterreich Depp hoert
Grad oesterreich Depp hoert(c) Norbert Rief
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Sepp Holzer schneidet keine Sträucher und streut keinen Kunstdünger. Hätten das die Wiener Landwirte auch gemacht, würden ihre Obstbäume trotz des Kälteeinbruchs noch leben, sagt der "Agrarrebell".

Es gibt Menschen, die haben einen wunderschönen, gepflegten Garten, mit kurzgeschnittenem Rasen und preußisch gepflegten Sträuchern. Und es gibt Menschen, die haben ein Leben. Das ist jetzt vielleicht gemein, aber noch lange nicht so gemein, wie das, was Sepp Holzer sagt: „Die haben ja alle an totalen Schuss, die an ihrem Garten so herumtuan.“

Sepp Holzer tut an seinem Garten nicht herum. Er pflegt keinen Rasen und streut keinen Kunstdünger. Allein das würde schon genügen, um ihn im Schrebergartenland Österreich zum Rebellen zu machen. Aber er pflanzt auch Kiwis im Lungau, Äpfel- und Kirschbäume auf der Alm, er legt Seen an und setzt japanische Koi aus. Und weil man das in Salzburg noch nie so gemacht hat, bekam er ziemliche Probleme mit den Behörden. Dafür muss er heute, nach etlichen Prozessen (unter anderem wegen „Waldverwüstung“), dankbar sein: Denn das hat ihn berühmt, reich und zu einem weltweit gefragten Agrarexperten gemacht.

„Von Montag bis Mittwoch ging's“, sagt die Sekretärin. Das Fenster für ein Treffen mit dem „Agrarrebellen“ ist schmal. Bis Sonntag war Sepp Holzer in den USA, zwei Wochen lang, für Gespräche mit Wissenschaftlern, für Seminare und eine Gestaltungsberatung an einer Universität. Danach ist er in Russland, drei Wochen lang, wo er gleich mehrere Projekte betreut – „insgesamt sind es dort 30“. Dann ist er wieder für vier Tage in Österreich und danach in Portugal. Drei Viertel des Jahres ist er irgendwo, nur nicht in Salzburg.

Für einen 70-Jährigen eigentlich ein recht anstrengendes Programm. „Na, überhaupt nit. Des macht mir ja an Spaß. Nur des Fliegn is manchmal a bissl unangenehm.“ Weil Business fliegt er nicht, auch wenn ihm das die Hilfesuchenden zahlen würden und er es sich leisten könnte. „Des ist doch a Wahnsinn, was di verlangen. Fast 7000 Euro in die USA. So viel Geld für so etwas – da fühl i mi nit wohl.“

Tief in sich drinnen, meinen manche, sei Sepp Holzer ein Bauer geblieben. Das stimmt nicht: Er ist es nicht tief drinnen, er ist es ganz oben. Er spricht in breitem Dialekt, trägt eine ausgewaschene Jean, einen Cowboyhut aus Leder, das Auto ist ein VW, das Bauernhaus das gleiche, in dem er aufgewachsen ist. Nur die Jacke trägt das Logo eines bekannten deutschen Outdoor-Ausstatters. Von den Millionen, die er vermutlich mit seinen Seminaren, Beratungen, den Vorträgen, Kursen und seinen fünf Büchern, übersetzt in etliche Sprachen, verdient hat, sieht man nichts.

Vielleicht sind es auch gar keine Millionen. 1250 Euro plus Spesen und Anreise kostet Sepp Holzer für einen Tag. Früher hat er dafür erklärt, wie man seinen Garten naturnah nach den Prinzipien seiner Holzer'schen Permakultur anlegt. Heute berät er dafür beispielsweise eine Prinzessin, die sich von ihm in Spanien aus einer Steppe eine fruchtbare Naturlandschaft machen lässt, inklusive 15 Seen. Oder in Schottland die Familie Swarovski, für die er in den rauen Highlands mit den sauren Böden Getreide anbaut.

Gefährlicher als Borkenkäfer. „Es is alles da in der Natur, man muss es nur verstehen und nutzen“, sagt er. Das sagen viele andere auch, und wäre Holzer nicht so angefeindet worden, wäre er wahrscheinlich heute noch ein gewöhnlicher Bauer im Lungau mit einer ungewöhnlichen Landwirtschaft.

Aber sein leidenschaftlicher Kampf darum, Ungewöhnliches tun, gegen alle landwirtschaftlichen Normen und Regeln verstoßen zu dürfen, Dinge zu versuchen, von denen alle anderen nur sagten, „der spinnt, das funktioniert sicher nicht“, gab ihm das Image des unkonventionellen Vorkämpfers.

Holzer spricht selbst heute noch, wo für tausende Anhänger jedes seiner Worte wie ein Gebot ist, wie jemand, der sich gegen Widerstand und Ablehnung durchsetzen muss. Wenn er über landwirtschaftliche Schulen und Agrarexperten spricht, redet er von „Theoriekrüppeln“. Forstbeamte sind für ihn „eine größere Gefahr für den Wald, als der Borkenkäfer“.

Wie zur Bestätigung weist er auf den gegenüberliegende Hang mit den großen Kahlschlägen. Borkenkäfer und Schnee haben die Fichten zerstört. „Ich hab' sie schon damals vor der Monokultur gewarnt.“ Da haben sie gelacht über ihn, als er hier im Lungau einen Mischwald pflanzte. Und heute „das“, sagt er mit einer Kopfbewegung in Richtung der baumlosen Hügel. „Und was tuan s' jetzt? Sie pflanzen wieder nur Fichten.“

Sepp Holzers Prinzip ist recht einfach: Man muss die Natur beobachten, muss sich in sie hineinversetzen – „wenn i a Regenwurm bin, fühl i mi da in diesem Boden wohl?“ –, die Zusammenhänge verstehen und sie nützen. „Heut' is alles völlig überzüchtet und verdorben.“ Die Sträucher und Bäume, die man in den Gärtnereien bekomme, seien abhängig von Kunstdüngern, „wie a Rauschgiftsüchtiger von Heroin“. Und genauso schwach und anfällig: „Wennst an Wald fällen willst, holst dir an starken Mann oder an Rauschgiftsüchigen? Eben.“

Deshalb auch die enormen Frostschäden in Wien. „Bei uns war's auch eiskalt, aber koa Apfelbaum is hin.“ Das komme daher, dass seine Apfelbäume entwöhnt seien von dem Rauschgift der modernen Gärtner. „Unsere Bäume schützen sich selbst.“

Aber mache nicht erst die industrielle Produktion Äpfel erschwinglich? Würde nicht mit seinen Methoden jeder einzelne Apfel fünf Euro kosten? „Ganz im Gegenteil.“ Man könnte viel mehr ernten, und das billiger. Genügend Plantagenbesitzer weltweit würden das auch schon machen.

Und wie ist es mit dem Propheten im eigenen Land? „Langsam wird's besser“, sagt Holzer. Aber es prägt, wenn einen zuerst alle als Deppen beschimpfen, ständig vom Scheitern reden und jetzt „sind halt schon viele a neidisch“. Ins Dorf, das 300 Höhenmeter weiter unten liegt, geht er selten.

Aber das braucht er nicht. Seine Bestätigung ist, wenn nach einem der langen, kalten Winter im Lungau im Frühjahr wieder die Rhododendren blühen. Oben, auf 1500 Metern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2012)

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