Schon seit vielen Jahren setzt sich Prinz Charles, hier auf einem Archivbild aus dem Jahr 1990, für den Erhalt des Regenwalds und den Umweltschutz ein. Heute hat eine knappe Mehrheit der Briten ein positives Bild vom Thronfolger.(c) Tim Graham/Getty Images
Der ewige Thronfolger Charles feiert am Mittwoch den 70. Geburtstag. Je älter er wird, desto beliebter wird er. Auf die Krone muss er trotzdem noch warten.
London. In den stürmischen Zeiten des Brexit erweist sich das britische Königshaus mehr und mehr als ein Fels in der Brandung. Während das Vertrauen in die gewählten Politiker von Tiefststand zu Tiefststand fällt, erreicht die Zahl der Anhänger der Monarchie mit 70 Prozent historischen Höchststand. So steht das Land auch weitgehend geschlossen in seinen Glückwünschen für Prinz Charles, der am Mittwoch seinen 70. Geburtstag feiert. Ob er den Tag mit einem besonderen Frühstück einläuten wird, ist nicht bekannt. Der frühere BBC-Journalist Jeremy Paxman berichtete einst, dass sich Charles jeden Tag sieben Eier kochen lasse, von denen er schließlich nur eines verspeise. Bekannt ist freilich, dass Mutter Queen Elizabeth zu Ehren ihres ältesten Sprösslings am Abend zu einem Galadiner in den Buckingham Palace einladen wird, zu dem nicht nur die königliche Familie, sondern auch der halbe Hochadel Europas in London erwartet wird.
In ihrem Toast wird die 92-jährige Königin ihrem Sohn viele gute Wünsche auf den Weg geben. Doch den größten Wunsch wird sie ihm weiter nicht erfüllen: Seit seiner Erhebung zum Prince of Wales 1958 ist Charles britischer Thronfolger. Mit mittlerweile 60 Jahren hat er die wohl längste Lehrzeit der Geschichte hinter sich. Doch immer noch muss er sich gedulden. Ein Thronverzicht sei für Queen Elizabeth schlicht „undenkbar“, meint der Royal-Watch Richard Fitzwilliams.
Mit 70 bereiten sich die meisten Menschen langsam auf die Pension vor. Nicht so Prinz Charles. Er hat seinen Hauptberuf noch vor sich: König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland. Reuters
Der "Prinz im Wartestand" sagte einmal, er sei besorgt, dass viele Dinge, um die er sich derzeit kümmere, nicht zu Ende gebracht werden könnten, "ehe sich die Gefängnistüren schließen". Reuters
Die Prinzenrolle und die damit einhergehende Dauerbeobachtung lasteten schon früh auf Charles. Als er als Jugendlicher im fernen Australien an einem Schüleraustausch teilnahm, warteten mehr als 300 Journalisten auf ihn. Imago
Auch auf der Universität in Cambridge war er als Student der Archäologie und Anthropologie Objekt der Neugierde. "Mitstudenten sahen ihn als ein Phänomen, Fremde auf der Straße glotzten, die Medien saßen über ihn zu Gericht", schrieb der Biograf Gyles Brandreth. Imago
Vor allem die unterkühlte Beziehung zu seinem Vater, Prinz Philip, bedrückte Charles, wie er zum Unmut seiner Eltern mehrmals öffentlich bekannte. Als "Romantiker" bezeichnete Philip seinen Sohn, während er selbst "Pragmatiker" sei. Vielleicht haftet Charles auch wegen der Klagen über seine Eltern das Image des weinerlichen Prinzen an. Imago
Mit seiner Mutter konnte Charles Herzensangelegenheiten schwer besprechen. Dabei hätte es genug Gesprächsstoff gegeben. Das Liebesleben des Prinzen kann man wohl als eines der turbulentesten der europäischen Königshäuser bezeichnen; seine erste Ehe mit Prinzessin Diana wurde von der Öffentlichkeit beobachtet wie kaum eine andere. Reuters
Als das Paar 1981 vor den Augen eines Millionenpublikums heiratete, war die Euphorie groß. Doch die Ehe stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Imago
Charles sei kalt, gefühllos und entscheidungsschwach, monierte Diana bald. Im Gegenzug teilte sie keine von Charles Leidenschaften: Statt den Garten umzugraben, ging sie lieber shoppen, der Jagd konnte Diana wenig abgewinnen. Reuters
Doch das größte Problem war die Frau, die das Herz des Prinzen schon in Jugendjahren erobert hatte: Camilla. "Sie war eine Sucht, von der er nicht loskam; eine Besessenheit, von der er sich nicht befreien wollte", sagte sein Ex-Kammerdiener Stephen Barry. Reuters
Den Gipfel der Affäre markierte ein Vorfall, der als "Camilla-Gate" in die Geschichte eingehen sollte: 1993 wurde ein Telefonat öffentlich, in dem Charles unter anderem den Wunsch äußerte, Camillas Tampon zu sein. Um das Ansehen des Prinzen war es geschehen, ein "Tampon auf dem Thron" wollten sich viele Untertanen nicht vorstellen. Reuters
Als der Ehebruch in allen Facetten in den Medien breitgetreten wurde, zerbrach Charles und Dianas ohnehin schon zerrüttete Ehe vollends. Imago
Diana und Charles trennten sich 1992, vier Jahre später folgte die Scheidung - auch auf den Druck der Königin, die sich um das Ansehen des Landes sorgte. Die Scheidung war noch kein Freibrief für seine Beziehung zu Camilla. Reuters
Bei den Briten sammelte Charles mit seinem ehebrecherischen Verhalten gegenüber der vergötterten Diana keine Bonuspunkte. Seinen Ruf konnte er erst nach Dianas Tod aufbessern. Reuters
Nach dem tödlichen Autounfall im August 1997 eilte Charles nach Paris, um seine Ex-Frau nach Hause zu geleiten. Als allein erziehender Vater kümmerte er sich um die beiden Söhne William und Harry, zu denen er auch heute ein gutes Verhältnis hat. Als er 2005 Camilla heiratete, kehrte Ruhe in sein Privatleben ein. Reuters
Man wird Prinz Charles allerdings nicht gerecht, wenn man ihn nur auf Diana und Camilla reduziert. Er ist Präsident von Dutzenden Wohltätigkeitseinrichtungen, die meisten hat er selbst gegründet. Reuters
Sein Engagement reicht von der Bio-Landwirtschaft über alternative Medizin, Architektur und Städtebau bis zum Klima- und Regenwaldschutz. Reuters
Mit umstrittenen Äußerungen setzt er sich zwar immer wieder in die Nesseln, im Allgemeinen rechnen ihm die Briten sein soziales, kulturelles und ökologisches Engagement jedoch hoch an. Reuters
Auch deshalb mag es ihn schmerzen, wenn spekuliert wird, dass Charles zugunsten seines älteren Sohnes William auf den Thron verzichten muss. Viele Briten schwärmen mehr für Prinz William und dessen Frau Catherine als für Charles und die Ex-Diana-Nebenbuhlerin Camilla. Reuters
Doch dass sein Erstgeborener noch vor Charles die Krone trägt ist wenig realistisch. So schreibt die Journalistin Emma Soames: "Niemand wird ernsthaft die lächerliche Idee unterstützen, die Verfassung zu ändern, um einen Mann zu übergehen, der sich sein Leben lang auf die Rolle vorbereitet hat." Reuters
Der ewige Thronfolger
Damit aus der Lehrzeit keine Leerzeit wird, soll Charles aber immer mehr die Führung im Commonwealth, dem losen Staatenbund aus Ex-Kolonien des British Empire, übernehmen. Das ist eher ein Titel ohne Mittel. So nimmt er sich auch des Umweltschutzes an, bekämpft moderne Architektur und versetzte jahrelang Minister mit handgeschriebenen Briefen in Angst und Schrecken.
Angesichts des jahrhundertealten Einverständnisses, dass sich der Monarch aus dem Tagesgeschehen heraushält und dafür das Parlament das Königshaus nicht infrage stellt, löste Charles damit Befürchtungen aus, die er nun zu seinem Geburtstag auszuräumen suchte: „Ich werde nicht so blöd sein“, sagte er in unzeremoniell deutlicher Sprache, „und ein König sein, der sich überall einmischt.“ Er wisse genau über die Aufgaben und Rolle des Monarchen Bescheid.
Eine knappe Mehrheit der Briten hat heute ein positives Bild von Charles. In der Jugend oft als „begehrtester Junggeselle der Welt“ tituliert, wurde die 1981 geschlossene Ehe mit Diana Spencer nicht nur zu einer öffentlich ausgetragenen Tragödie mit shakespearehaften Zügen, sondern ruinierte auch Charles' Ansehen nachhaltig. Als die „Prinzessin der Herzen“ 1997 nach einem Verkehrsunfall in Paris im Alter von 36 Jahren starb, löst das beinahe einen Volksaufstand gegen das vermeintlich herzlose Königshaus aus, für viele personifiziert in Charles.
„Er ist unser Held!“
Die Rehabilitierung des Thronfolgers begann just in diesem Moment. Der ewig verspannt und gehemmt wirkende Charles ließ in der Rolle des Vaters für die beiden Söhne William und Harry völlig andere Seiten seiner Persönlichkeit erkennen. Die beiden – gemeinsam mit der Queen mit Abstand beliebtesten Royals – singen ihm heute Lobeshymnen: „Er ist unser Held“, sagte William in einer Dokumentation. Mit seinen Söhnen ist es Charles offenbar bewusst gelungen, einen Kontrapunkt zu seiner als kalt und unmenschlich empfundenen Jugend zu setzen. Seine Eltern haben ihm derartige Äußerungen nie wirklich verziehen. Mutter Elizabeths Liebling ist Bruder Andrew, Vater Philip hat nie verborgen, dass er seinen Erstgeborenen für ein königliches Weichei hält.
Gelernt haben die Royals auch das Medienmanagement. Charles brilliert heute an der Seite seiner zweiten Frau, Camilla Parker Bowles, als Großvater. Drei Enkel von Williams und Kate hat er schon, 2019 kommt das nächste von Harry und Meghan. „Er ist großartig mit den Kleinen, und ich würde mir wünschen, er hätte mehr Zeit für sie“, sagt Prinz William. Geht es nach der Queen, kann diesem Wunsch wohl entsprochen werden.