Simon Zöchbauer: Elegie trifft Wald- und Wiegentanz

Simon Zöchbauer ist mit seiner Trompete diesmal solo unterwegs.
Simon Zöchbauer ist mit seiner Trompete diesmal solo unterwegs.(c) die Presse (Carolina Frank)
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Trompeter Simon Zöchbauer, Mastermind von Federspiel, legt mit „Achad“ ein meditatives erstes Soloalbum vor. Heute stellt er es im Radiokulturhaus vor.

Sein Hauptinstrument setzt er praktisch täglich an die Lippen. Trompeter Simon Zöchbauer, der sich in seiner vielgestaltigen Musik zwischen Jazz, Klassik, Folklore und freier Improvisation bewegt, verwendet Sportmetaphern dafür. „Der physische Anteil ist sehr wichtig. Einen Tag Pause sollte ich pro Woche machen, sagten mir früher meine Lehrer. Daran halte ich mich nicht ganz. Aber ich weiß, dass jeden Tag auf Vollgas zu spielen nicht gut tut.“

Nur an Reisetagen, an denen er mehr als sechs Stunden im Auto sitzt, lässt er es sein. Oder wenn er das Gefühl hat, zu viel geübt zu haben. Ähnlich einem Sportler, der zu viel trainiert hat, macht er dann etwas Pause. Mit seiner beliebten Formation Federspiel hat er zuletzt zwei USA-Tourneen absolviert. Danach war die Zeit gekommen, es einmal solo zu probieren.

Ausgangspunkt für das jetzt erschienene Album „Achad“ war erstaunlicherweise das hebräische Alphabet. Der titelgebende Terminus bezeichnet einen Zustand der Ganzheit. Es definiert einen Idealzustand, in dem man etwa das Gegenüber nicht mehr als Gegenüber, sondern als Teil seiner selbst wahrnimmt. „Seit etwa fünf Jahren beschäftige ich mich mit dem hebräischen Alphabet. In ihm gibt es sehr interessante Verbindungen zwischen Buchstaben und Zahlen. Mit der Zeit habe ich hochinteressante Wörter kennengelernt, Wörter, die einem eine neue Welt eröffnen. Achad war eines davon.“

Eins werden mit dem Gegenüber

Das Gefühl des Einswerdens mit einem Gegenüber kennt Zöchbauer selbstverständlich nicht nur aus seiner Partnerschaft mit der Musikerin Julia Lacherstorfer. Er kennt es aus seiner musikalischen Praxis. „Das passiert, wenn der Funke überspringt. Das wirkt dann wie eine Droge.“ Laut Zöchbauer leidet er diesbezüglich unter keinerlei Mängeln, obwohl überall sinkende Aufmerksamkeitsspannen seitens des Konzertpublikums beklagt werden.

Tatsächlich können ja auch die Hörer versagen, wenn es im Saal nicht klappt. „Es gibt natürlich ein gebildetes, waches Publikum, das jede Nuance spürt. Und dann gibt es ein anderes Publikum, das nicht so sensibilisiert ist. Bei ihm bekommt man als Musiker die Energie nicht zurück. Das merkt man dann in der Sekunde.“

Das Einswerden mit den Klängen, wie es Zöchbauers Albumtitel „Achad“ meint, müsste mit den neuen Titeln allerdings recht gut funktionieren. Elegie und Melancholie und frohgemuter Wald- und Wiegentanz sind wohlaustariert. Die Anordnung der elf Stücke ist bedacht und endet wohl nicht zufällig in einem Stück namens „Hymnus“. Es geht also eher um Erhöhung, zuweilen auch im spirituellen Sinn. Zur Vorbereitung hat sich Zöchbauer allerdings nicht bewusst mit sakraler Musik beschäftigt. „Ich habe da gar keinen so guten Zugang. Das meiste auf diesem Gebiet finde ich verstaubt.“

Und doch gab es Momente, in denen er glaubte, durch Musik eine Art Fühlung mit dem Numinosen aufgenommen zu haben. Etwa, als er einmal am Imago-Dei-Festival in Krems einem Konzert des norwegischen Trompeters Arve Henriksen beiwohnte. Oder, als er in der New Yorker Carnegie Hall das berühmte Alfred-Schnittke-Requiem hörte. „Da klang etwas Ewiges an, etwas, was in mir einen Energieschub auslöste.“ Später hatte er dann in einem Aschram in Indien ähnliche Erlebnisse auf anderer Basis. „Da passierte eine Art Läuterung, eine Art Klärung.“

Für sein erstes Soloalbum, das auch das Phänomen der Stille eindrucksvoll ausleuchtet, war er nicht gewillt, auch nur irgendwelche Kompromisse einzugehen. „Auch wenn rundherum der Kommerz regiert, mir war es wichtig, mich drauf zu konzentrieren, dass die Musik wirklich aus mir kommt.“ Zöchbauer fühlt eine gewisse Verantwortung seinem Talent gegenüber. Der Markt und das Diktat der Quote sind ihm dabei herzlich egal. „Wir sind nicht nur Marionetten, die von irgendetwas geschubst werden. Wir können gestalten, wer wir sind.“

Zur Person

Simon Zöchbauer (geb. 1988) wuchs in Herzogenburg auf und ist Trompeter, Komponist, Improvisator, Sänger und Zitherspieler. In die Trompete verliebte er sich als Neunjähriger in New Orleans. Er ist Teil des Bläserensembles Federspiel, mit Julia Lacherstorfer bildet er das Duo Ramsch und Rosen und leitet das Lunzer Festival Wellenklänge. Mit „Achad“ präsentiert er mit dem Koehne Quartett sein erstes Soloalbum. Heute, Mittwoch, 19.30 Uhr, Radiokulturhaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2019)

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