Fritz Plöckinger: „Ich verkaufe Emotionen“

(c) Mirjam Reither
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Fritz Plöckinger ist eine Institution. Als DJ und noch mehr als Plattenhändler. Sein winziges Vinylgeschäft „Market“ feiert zehnjähriges Bestehen.

„Hast du die neue Schenkelspreizer?“, fragt die junge Frau. Mehrere Augenpaare wenden sich ihr erstaunt zu. „Selbstverständlich!“, erwidert der auch schon 60-jährige Fritz Plöckinger, die verwunderten Blicke manch Anwesender negierend. Das, was sich so obszön anhört, das ist ein kleines Plattenlabel, das Remixes von bekannten Stücken feilbietet. Mehr als zehn Jahre lang existiert der winzige, von Plöckinger geführte Plattenladen Market nun schon. Das hätte sich bei der Eröffnung kurz nach dem Börsenkrach 2008 wohl niemand gedacht. Schon gar nicht in einem Laden, der sich auf Techno, House, Electro und Disco spezialisiert hat.

„Mittlerweile habe ich das Sortiment etwas erweitert. Man muss für Kunden Überraschendes bereithalten, allein um sich von den algorhythmusgesteuerten Internethändlern zu unterscheiden.“ So verkaufte Plöckinger von Obskuritäten wie einer Kompilation der japanischen Sängerin Maki Asakawa oder dem Reissue der kuriosen Privatpressung von Joe Tossini mehr als hundert Stück. „Als Plattenhändler verkauft man Emotionen. Und die sollten breit gefächert sein.“

Den aktuellen Minitrend, die wieder aufgetauchte Musikkassette, die aktuelle Hipster von Billie Eilish bis Yung Hurn anbieten, lässt er bleiben. Und CDs waren ihm immer schon ein Greuel. „Für mich war die CD von Anbeginn ein totes Medium, weil der Klang für mich nicht stimmt,“ sagt er, der immer schon Vinyl präferiert hat. Kaufen wirklich so viele junge Leute echte Schallplatten? Plöckinger bejaht. „Und beileibe nicht nur DJs. Die spielen ohnehin meist mit USB-Sticks, warum auch immer. Dennoch legen sie sich eine Vinylsammlung an, die sie dann eben überspielen. Es gibt auch viele Alte, die sich nicht vom Schallplattenkauf abbringen haben lassen. Und das, obwohl es auch Kostenfrage ist. Tendenziell sind Schallplatten ja nicht billiger geworden.“

Die ungeliebten Lieder

Obwohl er viele Maxis im Programm hat, will Plöckinger nicht dem Album abschwören, wie es derzeit die Industrie zu tun versucht, weil es im Zeitalter des Streamings angeblich nur noch um einzelne Songs geht. „Die Idee des perfekten Albums hielt ich immer schon für einen Blödsinn. Nur wenige kommen diesem Anspruch nahe. Aber es ist trotzdem interessant, jene Nummern zu hören, die zu jenen Songs geführt haben, die man liebt. Und manchmal mag man einige Jahre später, genau diese zunächst ungeliebten Lieder lieber, als die, die man spontan für gut befunden hat.“

Als Plattenverkäufer hat Plöckinger schon zwei, wenn nicht drei Generationen weitergeholfen. Der eigentliche Wechsel vom Käufer zum Verkäufer vollzog sich im Rave Up, für das er eine halbe Ewigkeit gewerkt hat. „Aus dem Rave Up bin ich rausgeflogen, nachdem ich Prozente für die Verkäufer gefordert hatte. Danach habe ich mich an den Alexander Hirschenhauser erinnert und im Black Market angeheuert. Dort blieb ich bis zum Bankrott.“ Nach dieser Erfahrung ein eigenes Geschäft aufzusperren, das brauchte gar nicht so viel Mut. Es war schlicht zu spät, um beruflich zu neuen Ufern aufzubrechen, schließlich hatte er auch die Nacht als Musikvermittler genützt. Sozialisiert in den Siebzigerjahren in der Innenstadtdiskothek Montevideo, aber auch in einem Jazzlokal von Uzzi Förster, startete Plöckinger seine bunten Abende zunächst in einem Indiepop-Lokal.

„30 Jahre lang legte ich jeden Sonntag im Chelsea auf. Dann wurde ich aus betriebstechnischen Gründen eingespart“, sagt er ein wenig bitter. Davon abgesehen gab es zahllose Einzelevents, darunter auch Abende mit einigen seiner Idole wie Larry Heard, Theo Parrish und Moodyman.

Ein später Vater

Trotz konsequentem Nightlife führten seine Wege letztlich in jene Bürgerlichkeit, die er so lange abschütteln wollte. Plöckinger wurde ein später Vater. Einmal mit 54 und noch einmal mit 57. „Es ist anstrengend, aber wunderschön. Ich hätte früher damit anfangen sollen.“ Seine 90-jährige Mutter wird ihm diesbezüglich wohl lebhaft beipflichten.

Zur Person

Fritz Plöckinger (60) betreibt seit inzwischen zehn Jahren den Schallplattenladen Market in der Zieglergasse in Wien-Neubau. (Dienstag bis Freitag 13.00-20.00 Uhr, Samstag: 12.00-17.30h). Als Plattenverkäufer hat Plöcklinger schon zwei, wenn nicht drei Generationen weitergeholfen. Er hat unter anderem 30 Jahre lang im Chelsea aufgelegt. Mehr: dasmarket.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2019)

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