Der Fahrplan ins Grüne: Endstation Wald und Wiese

(c) Die Presse (Julia Stix)
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Die Stadt verlassen, ohne die Stadt zu verlassen. Natur pur, einfach immer der Straßenbahn- oder Buslinie nach.

Wenn der Asphalt in der Stadt glüht, steigen sich alle auf die Zehen: die Flip Flops und die Sandalen in den Eissalons, die Barfüßigen am Beckenrand und am Donauufer. Spätestens jetzt sollte der Kopf den Füßen sagen: raus in die Natur! Dorthin, wo Gras die Sohlen kitzelt, schattiger Waldboden die Fersen kühlt und die Sonnenschirme aus grünem Laub und Zweigen sind. Praktisch vor allem: Für die Stadtflucht braucht man kein Fluchtauto, kein Zugticket, kein Reisebüro. Nur einen  Fahrschein, und eine Idee, wohin. Schon gelangt man an Orte, die Erholung – und die eine oder andere kleine Entdeckung versprechen. Und wo man vor dem Heimkehren auch noch bestens einkehren kann.

Diesseits und jenseits. Selbst innerhalb Wiens kann man eine Weltreise machen. Knapp 45 Minuten dauert sie, vom Zentrum aus. Die ers-ten davon verbringt man im U-Bahn-Tunnel bis zur U3-Station Enkplatz. Von dort führt der klimatisierte 76A kreuz und quer durch unentdecktes Land, wo im Sommer die Industrie schnauft und der Schwerverkehr ächzt. Bis zur Station Alberner Hafen. Wer hier aussteigt, braucht einen guten Grund. Und den gibt es: An riesigen Getreidespeichern und durch die Staubwolke der Lkw geht man auf eine grüne Böschung zu. Und dahinter liegt, wie verzaubert, eine andere Welt. Friedvoll, beschaulich schön. Ein Friedhof, wo die „Namenlosen“ begraben sind.  Diejenigen, die das Schicksal oder persönliche Tragödien in die Donaufluten getrieben haben, und die der Strom unweit von hier angeschwemmt hat. Dort, wo früher ein Fischerdorf war und die Donau Wien den Rücken kehrt, ruhen auch stumm in alle Ewigkeit die traurigen Geschichten der Verstorbenen. Julie Delpy war hier und Ethan Hawke auch, in einer Szene des Films „Before Sunrise.“ Und auch die Wiener kommen. Nicht immer wegen der Melancholie des Ortes, vielmehr, weil ein paar Meter weiter schon die Donau durch den Auwald blinzelt. Gleich daneben warten recht diesseitige Genüsse: Im „Gasthaus zum Friedhof der Namenlosen“ oder weiter hinten bei einer Grillerei auf den Picknickwiesen.

Wildsäue und Fabeltiere.
Auch in Hietzing trennt diesseits und jenseits nicht viel – bloß eine Mauer, die errichtet wurde, weil die Wildsäue gar so wild wüteten im 18. Jahrhundert.

Jenseits der Mauer lag seit jeher kaiserliches Jagdgebiet, zu jener Zeit „Saugarten“ genannt, heute Lainzer Tiergarten. Anders als im Zoo begaffen die Wildschweine aus sicherer Distanz die Spezies, die sich hier herumtreiben: Ausflügler, Spaziergänger, Wanderer und die, die den optimalen Platz für die Picknickdecke suchen.

Diesseits der Mauer liegt die noble Wohn- und Villengegend von Ober St. Veit. Wo die Gärten immer üppiger werden und es scheint, als würde der Wald allmählich die Häuser verschlucken, dort treffen die Reviere der Menschen und der Wildschweine aufeinander. Der Bus 55B fährt dorthin, von der U-Bahn-Station Ober St. Veit aus. Von der Busstation Ghelengasse ist es nicht mehr weit zum St. Veiter Tor des Tiergartens. Eine Wildsau findet sich aber schon davor: ein Garten, ein paar Heurigen-Garnituren, ein Holzhäuschen, und ein extraschöner Blick auf Wien: Die „Weinschenke zur Wildsau“ ist schlicht, ein bisschen urig und die Gäste „ganz und gar nicht versnobt“, wie Wirt Martin Krommer meint. Vielleicht liegt’s an der Selbstbedienung – oder am Ambiente. Hier trinkt und isst man, als wäre man eingeladen auf ein gemütliches Gartenfest. Gleich dahinter beginnt der Wald. Und wenn es laut knackt, dann ist es kein Wildschwein im Unterholz, sondern das Hühnerschnitzel. Schließlich knuspert es lauter als anderswo. Das mag wohl an den Cornflakes in der Panier liegen.

Legende & Lindwurm. Bevor die Besserverdiener nach Hietzing kamen, lebten hier Lindwürmer, sagt die Sage. Geht man in Richtung St. Veiter Tor, stößt man auf eine jüngere Legende: Über 30 Jahre gibt es schon das „Gasthaus Lindwurm“. Dort unterbieten die Preise mühelos das übliche Hietzinger Niveau, die Kellner liegen in puncto Freundlichkeit klar über dem Wiener Durchschnitt. Und das alles inmitten eines großen Spielplatzes: Rutschen, Schaukeln, weicher Wiesenboden und vor allem ein natürlich gewachsenes Klettergerüst, auch Wald genannt.

Würde man der Tiergarten-Mauer folgen, irgendwann käme man auch nach Mauer im 23. Bezirk. Die meis-ten nehmen aber den Abschneider: die Straßenbahnlinie 60 von Hietzing aus, bis zum Maurer Hauptplatz. Wenn man den Heurigen dort widersteht, steigt man in den 60A. Die letzten Meter zum Georgenberg müssen einen die eigenen Füße tragen.

Dafür wartet am Gipfel eine begehbare Skulptur – die Wotruba Kirche, nach Plänen von Fritz Wotruba erbaut. 4000 Tonnen Beton stapeln sich zu einem Gotteshaus, wie Bauklötze zufällig übereinandergelegt. Dahinter beginnt der Maurer Wald. Und wenn einen die Ruhe und die Beschaulichkeit nicht hineinlocken können, dann vielleicht das „Gasthaus Schiessstätte“, das mittendrin liegt.

Eine andere Mauer steht in Penzing – sie umgibt die Steinhofgründe. Ein Spaziergang beginnt oder endet oft im Schutzhaus Rosental. Wie gemalt ist die Aussicht von der Terrasse dort, auf das Tal, in dem sich Schrebergärtchen an Schrebergärtchen schmiegt. Hügelaufwärts geht man über eine weite Wiese, an einem alten Stadel, etlichen Obstbäumen vorbei, bis es plötzlich golden durch die Wipfel glänzt – die Kuppel der Kirche am Steinhof von Otto Wagner, einer der bedeutendsten Sakralbauten des Jugendstils. Von dort folgt man den Stufen hinunter, an den Pavillons des Otto-Wagner Spitals vorbei. Bis zum Ausgang, von wo der 47A oder 48A entweder zur U4 oder zur U3 fährt.

Der dritte Hausberg.
In eine ganz andere Richtung führt die Straßenbahnlinie 31, vom Schottenring aus. Die Gegend, der Brünner Straße entlang, lässt sich Zeit, idyllisch zu werden. Doch unweit der Endstation in Stammersdorf, fädeln sich die Heurigen in der malerischen Kellergasse auf, die auf den Bisamberg führt. Und oben ragen 265 Meter Rundfunkgeschichte in den Himmel. Der Mittelwellensender wurde als erster Großsender schon 1933 gebaut und steht inmitten von Weingärten und Wiesen.

Richtig ein- und Aussteigen

Friedhof der Namenlosen:
U3 bis Station Enkplatz. Umsteigen in Bus 76A in Richtung Zinnergasse/Kaiserebersdorfer Straße bis zur Station Alberner Hafen. Dann fünf Minuten zu Fuß.

Lainzer Tiergarten – St. Veiter Tor
U4 bis Station Ober St.Veit. Mit dem Autobus 55B in Richtung Lainz/Wolkersbergenstraße bis Ghelenstraße. Zehn Minuten zu Fuß oder direkt bis St. Veiter Tor.

Maurer Wald – Wotruba Kirche
U4 bis Hietzing. Linie 60 bis Maurer Hauptplatz, von dort 60A bis Kaserngasse. Dann zehn Minuten zu Fuß bis zum Georgenberg.

Steinhofgründe
Mit der U3 nach Ottakring, dann mit dem Autobus 48B Richtung Baumgartner Höhe bis Psychiatrisches Krankenhaus. Zum Schutzhaus Rosental mit dem Bus 146B Richtung Wilhelminenberg über Predigtstuhl bis zu Station Feuerwache Steinhof.

Bisamberg – Kellergasse
Mit der Straßenbahnlinie 31 bis Endstation Stammersdorf


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