Verhalten: Wie und warum Raben Verstecken spielen

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Auch Vögel sind verspielt, aber nicht nur aus Lust und Laune: Sie erkunden damit ihre soziale Welt.

Mag eine Krähe der anderen kein Auge aushacken, das Futter neidet sie ihr doch: Alle Rabenvögel – Krähen, Raben, Häher – verstecken Futter. Und alle sehen sich dabei sorgsam um. Denn sie werden oft von anderen beobachtet, und sie wissen das auch. Bemerken sie einen potenziellen Dieb, verstecken sie den Fund neu und woanders – außerhalb des Blickfelds des anderen – oder sie treiben die Raffinesse auf die Spitze: Sie verstecken ganz offen Scheinfutter, einen Stein etwa.

Das sind hohe intellektuelle Leistungen, man kann sie mit denen der großen Affen vergleichen, sie blieben nur lange verborgen, weil Vögel die Gehirnregion nicht haben, in denen bei Säugern die Intelligenz sitzt. Dass eine andere einspringt und das Gleiche leistet, bemerkte man erst vor wenigen Jahren. Aber dann verstellte noch ein Vorurteil den Blick: Man betrachtete Vögel als Maschinen, die keine Freiheitsgrade im Verhalten haben und die nichts vorderhand Nutzloses tun, spielen etwa (viele Säuger tun es, jeder Hundebesitzer weiß es). Erst in den 90er-Jahren fiel Forschern an Raben auf, dass es beim Verstecken zwei Verhaltensweisen gibt, je nach Fund. Futter wird anders versteckt als irgendein Gegenstand, mit dem man spielen kann. Dass Rabenvögel das tun – alleine mit einem Objekt –, ist schon lange bekannt. Dann stuft es sich auf: Das Verstecken von Spielzeug selbst sieht stark nach Spiel aus, nach sozialem.

„Aber Experimente gab es nicht“, berichtet Thomas Bugnyar (Konrad Lorenz Forschungsstelle Grünau). Er unternahm das erste: Raben bekamen zunächst Spielzeug, dann kam Konkurrenz in ihre Nähe, keine Raben, sondern Forscher, zwei: Der eine stahl das Spielzeug, der andere schenkte ihm keine Beachtung. Die Raben versteckten in beiden Fällen ihre Schätze woanders, weiter weg oder auch näher bei dem Menschen.

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Dann wurde es ernst, es gab kein Spielzeug, sondern Futter. Und es gab zwei Unterschiede: Futter wurde nur vor bekannten Dieben neu versteckt, nicht vor Harmlosen, und: „Beim Verstecken von Futter vermeiden sie jedes Aufsehen, beim Verstecken von Objekten erregen sie es oft, suchen andere auf, verstecken es vor ihrer Nase“, berichtet Bugnyar: „Sie fordern die anderen interaktiv heraus, um etwas über sie zu lernen.“ Sie erspielen sich mit Spielzeug Information darüber, ob der andere beim Futter zu fürchten ist (Current Biology, 18.10.).

So tun es also die Raben. Und andere Vögel? Vladimir Prasudov (Reno) hat bei Meisen beobachtet, dass auch sie Futter selektiv verstecken, je nachdem, ob sie einen verdächtigen oder harmlosen anderen bemerkt haben (Proceedings B, 17.10.). Allerdings können sie nicht, was Raben können: beobachten, wo andere etwas verstecken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2007)

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