Trockenheit an der Wurzel packen

(c) APA
  • Drucken

Wurzelforschung. Wissenschaftler arbeiten daran, wie sich die Wasseraufnahme von Wurzeln landwirtschaftlicher Nutzpflanzen verbessern lässt. Für die Versuche verwenden sie Hartweizen.

Nicht nur wir Menschen atmen erleichtert auf, wenn ein kühler Regen die Hitzemauern erlösend durchbricht. Vor allem für Pflanzen ist die Erfrischung lebensnotwendig, weshalb Wasser in der Landwirtschaft einer der wichtigsten Faktoren ist. Fehlt das Wasser, etwa durch den Klimawandel, wirkt das als limitierender Faktor für das Pflanzenwachstum.

Pflanzen nehmen das Wasser über die Wurzeln auf, die optimal an ihren jeweiligen hydrologischen Standort angepasst sein müssen. „Alles, was Wasser spart, ist wegen des Klimawandels für unsere Gesellschaft wichtig – dies gilt besonders für die Nutzpflanzen“, sagt Gernot Bodner vom Department für Nutzpflanzenwissenschaften der Boku in Wien. Ziel seiner Forschung ist, die Wurzeln von Nutzpflanzen durch spezielle Züchtungen in Bezug auf die Wasseraufnahme zu optimieren.

Wenig erforscht

Die Wurzeln sind das noch am wenigsten erforschte Organ der Pflanze: „Die Wurzelforschung, die wir betreiben, ist in den Pflanzenwissenschaften immer noch ein eher exotisches Randgebiet, hat aber interessanterweise in Österreich eine lange Tradition“, so Bodner.

Man geht davon aus, dass sich die Wurzelsysteme der Pflanzen während der Evolution an die hydrologischen Bedingungen eines bestimmten Standortes perfekt angepasst haben. Daher soll die Beziehung zwischen Standort und Wurzelvielfalt bestimmt werden.

„Wenn es trocken ist, dann wachsen die Wurzeln in die Tiefe oder verzweigen sich mehr und werden dichter, so die Hypothese“, sagt Bodner. Mit der Wurzelspitze nehmen die Pflanzen Umweltreize auf, verarbeiten diese und wachsen gezielt zu feuchten Bodenschichten hin. Anders als Tiere und Menschen können Pflanzen nicht von einem Ort abwandern. Daher ist es besonders wichtig, dass zumindest die Wurzel Potenzial zum Wachsen hat. Das wird von der Wurzelspitze gesteuert, die schon Darwin mit dem Gehirn von niederen Tieren verglichen hat: eine Theorie, die bis heute hält.

Für die Untersuchungen verwenden Bodner und sein Team Hartweizen und dessen wilde Verwandte wie Einkorn und Emmer. Wurzeln in der Natur zu beobachten ist durch ihre unterirdische Lage schwierig, im Labor hingegen sind die Beobachtungen leichter: Hier werden sehr große Boxen mit einer Glasoberfläche verwendet, entlang der die Wurzeln wachsen und somit gut sichtbar sind. Auf diese Weise können die Veränderung des Wassergehalts direkt an der Wurzel beobachtet werden.

Zusätzlich setzen die Wissenschaftler das sogenannte spektrale Imaging ein, ein Beobachtungssystem, mit dem die Glasbox durchleuchtet werden kann. Trotz der Schwierigkeiten werden auch in freier Natur Beobachtungen durchgeführt. Mithilfe von Bohrkernen werden die Wurzeln herausgewaschen und vermessen.

Kreuzungspartner gesucht

Ziel dieser Untersuchungen ist vorherzusagen, welcher Kreuzungspartner für eine optimale Anpassung an eine bestimmte Umgebung geeignet ist. In Genbanken sind diverse Pflanzen schon gut beschrieben. Eine solche besteht bereits für Hartweizen aus Ländern wie Italien, Portugal, Türkei, Ägypten bis Äthiopien. Jedoch gibt es dort noch keine Charakterisierung der Wurzeln.

Wenn es gelingt, die Wurzeln von Pflanzen, die an einen Standort optimal angepasst sind, zu beschreiben, kann dies für die jeweilige Pflanze in den Genbanken gespeichert werden. Auf diese Weise können dann je nach hydrologischen Bedingungen Pflanzen in der Genbank ausgewählt und gezüchtet werden. Diese wären dann in Bezug auf das Wurzelwachstum optimal angepasst, um effizient der Trockenheit zu trotzen.

LEXIKON

Die Wurzeln sind für die Verankerung der Pflanze im Boden, die Wasseraufnahme und die Aufnahme von Nährstoffen verantwortlich. Die Wasseraufnahme erfolgt über die Wurzelhaare der Wurzelspitze. Über Zellen der Wurzelrinde wird das Wasser zum Zentralzylinder geleitet. Von da gelangt es in das Leitgewebe und steigt in alle Teile der Pflanze auf. Je nach Standort gibt es verschiedene Arten von Wurzeln: Tiefwurzler nutzen das Grundwasser, Flachwurzler das Oberflächenwasser.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.