Ein Kraut gegen Salmonellen?

Forscher schauen sich etwas vom Immunsystem der Pflanzen ab.

„Das Problem bei der Bekämpfung von Salmonellen-Infektionen sind – wie so oft bei Infektionskrankheiten – Resistenzen“, sagt Heribert Hirt, Forscher am Max Perutz Labor in Wien. Bakterielle Krankheitserreger wie Salmonellen können Resistenzen sogar von Zelle zu Zelle weitergeben, sodass Antibiotika, die eigentlich ihr biologisches System so ankratzen sollten, dem Erreger nichts anhaben können.

Je mehr Kontakt ein Erreger mit Antibiotika hat, umso eher bilden sich resistente Mechanismen, die dem Bakterium das Überleben ermöglichen. „In der Massentierhaltung werden in weiten Teilen große Mengen von Antibiotika eingesetzt, um die Tiere gesund zu halten“, sagt Hirt. Und genau dort – in den Ställen der Massentierhaltung – ist auch die Belastung mit Salmonellen besonders hoch. Zwar wurde der prophylaktische Einsatz von Antibiotika im Jahr 2006 EU-weit verboten, aber dadurch ist auch der therapeutische Einsatz (wenn die Tiere erkranken) angestiegen, der freilich weiterhin erlaubt ist. All das schafft eine breite Basis für die mehr als tausend verschiedenen Salmonellen-Arten, ihre Mechanismen gegen das Immunsystem und gegen Antibiotika immer effektiver zu machen.

Seit erkannt wurde, dass auch Pflanzenzellen mit Salmonellen-Infekten zu kämpfen haben, hoffen die Wissenschaftler auf einen neuen Ansatzpunkt, um die Keime zu besiegen: Die Pflanzenzellen reagieren mit dem eigenen Immunsystem auf eine Infektion. Könnte man die Substanzen der Pflanzenzelle isolieren, hätte man vielleicht eine neue Generation von Antibiotika gegen Infektionen beim Menschen. „Wir haben im Labor mit einem relativ wenig infektiösen Salmonellen-Stamm gearbeitet“, berichtet Hirt der „Presse“. So konnten die Sicherheitsvorkehrungen im täglichen Umgang der Forscher mit den Keimen im Rahmen gehalten werden. Es gibt jedoch viel aggressivere Stämme – hoffentlich ist auch gegen diese ein „Kraut gewachsen“. „Mit molekularbiologischen Methoden analysieren wir, welche Stoffe des Immunsystems der Pflanze zu welchem Zeitpunkt der Infektion wirksam sind“, so Hirt.

Das „Kraut“, das hierfür wie gewachsen scheint, ist der Kreuzblütler Arabidopsis thaliana, der seit den 1940er Jahren als Modellorganismus dient. Von dieser Pflanze gibt es genetisch veränderte Stämme, bei denen man Gene, die die Immunantwort lenken, gezielt an- und abschalten kann. „Auf diese Weise testen wir, welche Gene notwendig sind, damit eine Pflanze den Salmonellen-Infekt abwehren kann.“

Infektion bei Mensch und Pflanze

Zugleich wird die Genetik der Salmonellen genau untersucht. Dort geht es um „Virulenzfaktoren“. Das ist die Fähigkeit eines Krankheitserregers, das Immunsystem des Wirts zu unterdrücken. „Wir konnten sehen, dass bestimmte Virulenzfaktoren der Salmonellen in den Pflanzen gleich funktionieren, wie man es vom menschlichen Infektionsverlauf kennt.“ Das Spannende ist nun, die Faktoren zu analysieren, die in einer Pflanze wirken, wenn ein Infekt vorliegt, der bisher nur bei Menschen und Tieren auftrat. Während das Immunsystem von Pflanzen gegen Pflanzenkrankheiten gut erforscht ist, hoffen Hirt und seine Kollegen, zumindest in den nächsten zehn Jahren die Immunantwort zu entschlüsseln, die Pflanzen gegen Menschenkrankheiten entwickeln.

Bis es soweit ist, hat Hirt einige Vorschläge, um die Anzahl der Salmonellenvergiftungen einzuschränken: „Man könnte den Stallmist auf Salmonellen testen, bevor man Gemüsefelder damit düngt, und auch in Bewässerungsanlagen kontrollieren, ob das Wasser frei von Salmonellen ist. Aber das ist eben eine Kosten-Nutzen-Frage: Salmonellen-Checktests sind einfach, kosten aber. Man könnte aber die Behandlungskosten der Salmonellen-Patienten reduzieren.“ vers

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2008)

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