Leukämie nachhaltig an der Wurzel packen

Laborgläser
Laborgläser(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
  • Drucken

Selbst nach einer erfolgreichen Leukämiebehandlung erleiden viele Patienten Rückfälle. Forscher der Vet-Med-Uni Wien begingen Ursachenforschung und fanden eine Möglichkeit, leukämische Stammzellen stillzulegen.

Mediziner können Leukämieerkrankungen bereits gut kurieren. Doch die leukämischen Stammzellen können auch nach der Chemotherapie oft jahrelang im menschlichen Körper sein, weil sie im Knochenmark ruhen. Wenn die Behandlung dort nicht anschlägt, lösen sie Jahrzehnte später erneut Leukämie aus. Forscher der Vet-Med-Uni Wien entdeckten nun eine Ursache für die Rückkehr der Krankheit.

Schuld daran ist die Funktion des Proteins CDK6, das in den meisten Körperzellen und in allen Blutzellen vorhanden ist. Es ist bekannt dafür, den Zellzyklus, also das Wachstum, zu kontrollieren. „Unser Interesse wurde ursprünglich dadurch geweckt, dass in den meisten Tumoren des blutbildenden Systems, wie Leukämie oder Lymphome, CDK6 sehr stark hinaufgedreht ist. Damit ist es dann in sehr großen Mengen vorhanden. Wir haben uns gefragt, warum gerade CDK6?“, sagt Veronika Sexl, Vorständin des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie und Projektleiterin.

Die Wiener Forscher gingen auf Spurensuche und fanden heraus, dass CDK6 auch leukämische Stammzellen und ruhende Blutstammzellen in Stresssituationen aktivieren kann. Stress entsteht, wenn sehr rasch neue Blutzellen produziert werden müssen, wie zum Beispiel bei großem Blutverlust, nach einer Knochenmarkstransplantation oder bei Chemotherapien. CDK6 aktiviert dann diese Zellen. Ohne CDK6 bleiben die Blutstammzellen im Ruhezustand. Besonders interessant ist, dass dieser Mechanismus nur im leukämiekranken Organismus stattfindet, nicht aber im gesunden Körper unter normalen, stressfreien Umständen.

Das zweite Leben des Proteins

Das Team hat erkannt, dass „CDK6 in Leukämien ein zweites Leben oder Gesicht hat. Es reguliert nicht nur den Zellzyklus, also das Wachstum, sondern steuert gleichzeitig auch die Gentranskription und entscheidet, ob bestimmte Gene an- oder abgedreht werden. Das war doch recht überraschend“, erklärt Sexl. CDK6 führt diese zweite wichtige Funktion nicht nur in normalen Stammzellen, sondern auch in solchen Stammzellen, die nicht alle, aber viele Arten von Leukämien verursachen.

Das heißt, dass leukämische Stammzellen unbedingt CDK6 brauchen, um die Erkrankung auszulösen. Das Protein aktiviert und teilt Krebsvorläuferzellen. Damit weiß man jetzt, wie die Leukämie nachhaltig an der Wurzel gepackt werden kann.

Hemmt man CDK6, attackiert man dadurch lediglich leukämische Stammzellen, die normalen Zellen bleiben dabei verschont. Die Untersuchungen wurden an Mäusen durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass Tiere ohne CDK6, trotz Transplantation von Leukämiestammzellen, keine Krankheit entwickelten. Daraus folgern die Forscher, dass mit der Hemmung des Proteins die Krankheit nicht zurückkehrt.

Die leukämischen Stammzellen sind bisher eine therapeutische Herausforderung gewesen, denn man erreichte sie mit herkömmlichen Medikamenten nur ganz schlecht. Aber die Forscher der Vet-Med-Uni Wien hoffen nach ihrer Entdeckung, dass sie „die leukämischen Zellen mit dem CDK6 nachhaltig lahmlegen können“. An konkreten Ideen, wie das funktioniert, wird nun intensiv geforscht.

LEXIKON

Stammzellen sind noch nicht spezialisierte Vorläuferzellen für alle Zellen, die sich im Organismus befinden. Sie differenzieren sich in jede erdenkliche Zellart des Menschen aus, etwa Nerven-, Muskeln- oder Hautzellen.

Proteine oder Eiweiße sind Moleküle, die die Zellen jedes Lebewesens zusammenbauen. Proteine transportieren viele Stoffe im Organismus und sorgen für ein ausgewogenes Verhältnis derselben. Das CDK6-Protein regelt das Wachstum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.