„Die Unis brauchen die guten Leute selbst“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Geld. Wie werden Mittel in der Wissenschaft vergeben? Nirgendwo sonst gebe es so strenge Kriterien, sagt Populationsgenetiker Christian Schlötterer. Exzellenz sollte nach amerikanischem Vorbild auch an den Unis stärker gefördert werden.

Die Presse: Sie kritisieren, dass viel Geld in den Aufbau außeruniversitärer Forschungsinstitute geht, zuletzt 22,5 Millionen Euro, um Genetiker Josef Penninger in Österreich zu halten.

Christian Schlötterer: Es geht nicht um Penninger, sondern darum, wie die Politik Wissenschaftsförderung betreibt: Auf Zuruf werden zehn Prozent des FWF-Jahresbudgets lockergemacht, und gleichzeitig muss dieser jeden Euro fünfmal umdrehen. Die Diskrepanz zwischen den erratischen Spendierhosen der Politik und den Standards in der Wissenschaft hat zuletzt viele auf die Palme gebracht. In der Öffentlichkeit wird wenig wahrgenommen, wie in der Wissenschaft üblicherweise Forschungsgelder vergeben werden.

Und wie passiert das?

Bei FWF-Projekten gibt es mindestens zwei internationale Gutachter. Diese Gutachter machen das ehrenamtlich, zusätzlich zu ihren anderen Tagesgeschäften. Und diese unabhängigen Gutachten dienen dann wiederum als Grundlage für die Diskussion im FWF-Kuratorium. Erst nach sorgfältiger Gewichtung wird entschieden, ob ein Projekt gefördert wird oder nicht. Das steht in krassem Widerspruch dazu, wie das Geld kürzlich vergeben wurde. Für die vergebenen 20Millionen Euro würde der FWF ungefähr 550 Gutachter brauchen, wenn man seine aktuelle Bewilligungsquote berücksichtigt.

In Ihren Augen war das also keine adäquate Maßnahme, um Exzellenz zu fördern?

Wir wollen alle Exzellenz, aber Exzellenz gibt es auch außerhalb der außeruniversitären Forschungsinstitute (wie die Österreichischen Akademie der Wissenschaften oder das Institute of Science and Technology in Klosterneuburg; Anm.).Diese Institutionen sind unbestritten erstklassig. Ich stelle aber infrage, ob solche Exzellenzinstitute die beste Methode sind, um Österreich in der ersten Forschungsliga spielen zu lassen. Eine bessere Alternative findet man in den USA. Hier fördert das Howard Hughes Medical Institute Exzellenz – aber innerhalb der Universität. Kapazunder, die wirklich exzellent und top sind, werden identifiziert und in ihrer Institution gefördert. Man pflanzt also in der Universität einen Leuchtturm. So kann man wirklich einen Mehrwert schaffen, weil alle von den Zusatzgeldern profitieren können. Ich habe das selbst erlebt, als ich als Forscher an der Rockefeller-Universität war.

Aber Erfolg lässt sich dadurch auch nicht garantieren...

Eines ist ganz wichtig: Der Geldsegen ist befristet. Man kann sein Howard Hughes Funding auch wieder verlieren. Das heißt, wenn man die Evaluation nicht überlebt, erhält man kein Geld mehr und ist wieder ganz normaler Professor. Das hat einen ungeheuren Effekt.

Heißt das für Österreich, dass man die bestehenden Institute stärker in die Unis integrieren sollte?

Eine stärkere Vernetzung ist gut, aber wesentlich wäre, solche gar nicht mehr einzurichten. Sondern innerhalb der Universitäten exzellente Köpfe zu identifizieren und zu fördern.

Die dann auch in der Lehre aktiv wären?

Natürlich ist es wichtig, jungen Studenten das Prickeln der Wissenschaft nahezubringen. Darum sollen auch Spitzenforscher in die Lehre integriert werden, und das nicht erst bei der Doktorandenausbildung. Wenn man die erste Forschungsliga nur noch außerhalb der Universitäten spielen lässt, dann droht uns eine Situation wie im Osten. Hier sind die Universitäten nicht mehr in der Lage, die Leute auszubilden, weil sie keine Ressourcen haben. Dann machen die Studenten im Labor nur Trockenübungen.

Also ein Plädoyer für die forschungsgeleitete Lehre?

Genau, dafür braucht es aber aktive Forscher, am besten auf höchstem Niveau. Wenn man die Welten voneinander trennt, führt das dazu, dass die Universitäten nicht mehr die volle Funktion wahrnehmen können. Und das möchte ich gern verhindert wissen.

Stehen sich die Unis dabei mitunter auch selbst im Weg?

Ich glaube, es gibt viele strukturelle Probleme, doch die Unis sind längst dabei, sich zu ändern. Ich möchte vielmehr fragen: Wie kann man es für die Universitäten besser machen? Ein Weg ist, den Unis Geld für Exzellenzprofessuren zu geben. Aber wenn die Qualität nicht passt, fällt die Finanzierung wieder zurück auf das Niveau eines ganz normalen Professors. Das wäre ein Zukunftsmodell für die Forschung in Österreich. Die Unis brauchen die guten Leute selbst und müssen die Gelder haben, sie anzuziehen – auf jeder Ebene.

Am Ende des Tages geht es also wieder ums Geld?

Natürlich geht es ums Geld! Es wäre toll, wenn wir uns beides, außeruniversitäre und universitäre Institute leisten können. Je mehr Geld für die Grundlagenforschung, umso besser für die Zukunft Österreichs. Den FWF, die Institution zur Förderung der Grundlagenforschung in Österreich, auf Sparflamme zu halten bewirkt leider genau das Gegenteil. Das Allerwichtigste ist, dem FWF wieder auf die Beine zu helfen. Wenn dort gute Projekte abgelehnt werden, dann ist der Wissenschaftsstandort Österreich wirklich in Gefahr. Für die zuletzt ausgegebenen 20 Millionen Euro könnte man acht Doktoratskollegs mit 80 Doktoranden für vier Jahre fördern, sie also in der ersten Forschungsliga spielen lassen.

Zuletzt wurde die Ausschreibung für FWF-Doktoratskollegs (DK) gestoppt. Sie sollen an die Unis gehen, wie sehen Sie das?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendjemand gut findet. Bei unserem DK sind mehrere Institutionen beteiligt. Wir haben eine Kombination aus reinen Mathematikern bis zu Leuten, die überwiegend im Labor stehen. Immer wieder hören wir, wie exzeptionell Wien ist, doch unsere Stärke besteht in der Bündelung der Expertise aus verschiedenen Institutionen. Keine einzelne Universität würde so viele Populationsgenetiker anstellen.

ZUR PERSON

Christian Schlötterer leitet das Institut für Populationsgenetik an der Vet-Med-Uni Wien und ist Sprecher eines FWF-Doktoratskollegs zum selben Thema. Mit einem ERC Advanced Grant, einer Förderung der Europäischen Kommission von 2,5 Millionen Euro, untersucht er, wie sich Tiere an veränderte Umweltbedingungen anpassen können. „Unser Institut ist eines von vielen Beispielen, dass man auch an einer Uni in der ersten Liga spielen kann“, sagt er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2015)

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