Kolonialgeschichte: Tegetthoffs stümperhafte Geheimmission

TEGETTHOFF - GEMAELDE von A.ROMAKO
TEGETTHOFF - GEMAELDE von A.ROMAKO(c) APA (.Wien)
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Der junge österreichische Marineoffizier Wilhelm von Tegetthoff scheiterte kläglich, als er 1857 heimlich die Insel Sokotra im Roten Meer kaufen sollte: Ganz Europa las zeitnah von seiner Mission.

„Sämtliche Gäste holen ihre Hände aus und baden sie in der Sauce. Dass dies sehr appetitlich aussieht, will ich gerade nicht behaupten, besonders wenn Mohren mit zu Tisch sitzen und gerade ein Milchreis verarbeitet wird.“ Wilhelm von Tegetthoff reiste 1857 im Auftrag von Erzherzog Ferdinand Maximilian – dem Bruder Kaiser Franz Josephs – durch Afrika und hielt seine Erlebnisse in seinem Tagebuch und in Briefen fest. Daraus geht hervor, dass er völlig verzweifelt war: Er schwitzte ständig, die Tinte zerrann ihm wegen der Hitze auf dem Papier, das Essen schmeckte ihm nicht, und Löffel und Gabel vermisste er wie auch seine Heimat Marburg an der Drau. Dass die Afrikaner ihren Brei mit den Händen aßen, gefiel dem interkulturell nicht geschulten Tegetthoff nicht. Der brave Offizier tat dennoch wie ihm befohlen.

Erzherzog Maximilian, der später in Mexiko hingerichtet wurde (siehe auch Beitrag oben), beauftragte Tegetthoff, die Insel Sokotra vor dem Jemen zu kaufen. Schiffe, die vom Roten ins Arabische Meer fuhren, mussten an dieser Insel vorbei. Das hätte in der Mitte des 19. Jahrhunderts hohe Einkünfte für das Habsburgerreich gebracht. Denn der Bau des Suezkanals hatte begonnen. Dieser verband das Mittelmeer mit dem Roten Meer. „Als das Projekt umgesetzt wurde, brach der Wahnsinn aus. Der Weg nach Indien verkürzte sich pro Schiffsreise um Wochen“, sagt Walter Sauer, Kolonialismusexperte am Wiener Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Alle Europäer wollten nun Küstenstreifen oder Inselchen erwerben: Das Rote Meer war zum strategischen Mittelpunkt ihrer Kolonialpolitik geworden.

Der Auftrag zum Inselkauf

Die Missionsplanung war aber geradezu gespenstisch stümperhaft. Marinekommandant Maximilian beauftragte den 30-jährigen Tegetthoff, der keine Ahnung von Afrika hatte. Er spannte Tegetthoff daher mit dem Vogelkundler und Afrika-Kenner Theodor von Heuglin zusammen. Dieser sollte Tegetthoff sicher und vor allem heimlich zur Insel Sokotra bringen. Die Mission war von den kaiserlichen Gremien nicht abgesichert. Niemand durfte davon wissen. Nach erfolgreichem Auftrag hätte sich allein Maximilians Kriegsmarine profilieren sollen.

Doch Heuglin zerstörte Maximilians Absichten: „Ihm war die Mission völlig egal. Er wollte nur seine Vögel erforschen“, sagt Sauer. Von Beginn an berichtet Heuglin in einer deutschen Fachzeitschrift über die Reise. Ganz Europa las zeitnah über die „geheime Mission“. Außerdem wollte Heuglin die Küstenvögel Afrikas erforschen, daher wählte er die denkbar längste Route nach Sokotra. Er schleifte Tegetthoff auf mastlosen Booten den Nil aufwärts, durchquerte auf Kamelen die Wüste des Sudan in Richtung Küste, von wo aus sie weiter auf kleinen Schiffen nach Somalia fuhren. Sie waren monatelang unterwegs. In Somalia angekommen, wollten sie eine Landkarte für spätere Aufenthalte zeichnen. Doch die Afrikaner wussten, dass Karten der erste Schritt zur Beschlagnahmung des Landes waren und nahmen die beiden Kolonialherren fest. Dabei wurde Heuglin mit einer Lanze verwundet.

Eine Mission impossible

Doch das Duo kaufte sich frei. Es blieb noch Geld für eine Überfahrt nach Aden im Jemen, dorthin hätten sie vom ägyptischen Port Suez aus mit dem Dampfschiff in einer Woche gelangen können. Heuglin gab auf. Er reiste heim. Tegetthoff stand allein und ohne Geld in Aden. Er schaffte es trotzdem irgendwie, nach Sokotra zu gelangen. Dort verlangten die Einwohner die enorme Summe von 200.000 Pfund für den Verkauf der Insel. Tegetthoff war pleite, 200.000 Pfund hatte er ohnehin nie zur Verfügung. Die Mission war von Anfang an zum Scheitern verurteilt: eine Mission impossible, sagt Sauer. (por)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

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