Matrix der Sinne

Nase
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Nicht nur der Sehsinn zählt, wenn es um gutes Design geht. Sinnesforscher möchten das im Rahmen des Projekts TastDuftWien ändern. Nase, Haut, Hände, bitte vortreten!

Mit welchen Worten lässt sich das Gefühl beschreiben, wenn man mit dem Finger über das Loch in einer CD streicht? Wie nennt man das unangenehme Scharren der Plastikkappen eines Metallstuhls auf dem Boden? Und wie riecht die Geschichte von „Pu dem Bären“? Schwer, sinnliche Eindrücke in Worte zu fassen. Sie entziehen sich der Umklammerung durch die Sprache oft vehement. Außerdem fehlt uns vielfach noch immer das Bewusstsein für die sinnliche Komponente von Gegenständen, für ihre olfaktorische oder haptische Ausstattung.

Das wird Designern immer wieder klar, wenn es um Studien zu Produktentwicklungen geht. Die Probanden sind zwar meist in der Lage, eine Entscheidung zwischen zwei Möbelstoffen oder mehreren Schubladengriffen zu treffen, warum sie sich aber auf diese oder andere Art entscheiden, bleibt oft im Dunkeln. So müssen auch solche Befragungen immer wieder aufs Neue durchgeführt werden. Eine Art Matrix der Sinne als Ausgangspunkt für Kreative zu erhalten ist das Ziel des Projekts TastDuftWien mit dem Untertitel „Tast- und Duftdesign. Ressourcen für die Creative Industries in Wien“. Seit 2007 untersuchen Vertreter unterschiedlicher Disziplinen, darunter die Pharmazie, Philosophie oder Designpädagogik, unser Alltagsumfeld auf seine sinnliche Ausprägung.


Haptic Dictionary. Zu den Ringvorlesungen, die nun im vierten Semester an der Universität für angewandte Kunst laufen, sowie diversen Workshops und Symposien werden internationale Sinnesexperten mit ganz unterschiedlichen Portfolios eingeladen. Wie die japanische Architektin und Designerin Masayo Ave, mit der man ein Haptic Dictionary herausbringen will. „Natürlich kann das keine allgemeine Gültigkeit haben“, sagt Ruth Mateus-Berr, die mit James Skone an der Angewandten die Haptikprojekte durchführt. „Schließlich können Begriffe wie krrrlll oder hotschtropock keine endgültige Beschreibung für haptische Erlebnisse sein.“ Dennoch versuche Ave, gewisse Regelmäßigkeiten in der haptischen Wahrnehmung zu kategorisieren. Ave erarbeitete unter anderem mit Studenten Buchhüllen für deren Lieblingskinderbücher, die dann etwa, wie bei „Pu der Bär“, weich sind und nach Honig riechen können.

Den Tast- und den Geruchssinn in den Designresearch miteinzubeziehen, etwa mittels Bodystorming, ist mittlerweile selbstverständlich. Für Designer, wohlgemerkt, nicht unbedingt für deren Kunden, sagt Mateus-Berr. Denen sei oft gar nicht bewusst, wie wichtig der Geruch oder die Haptik des in Auftrag gegebenen Objekts sei, für sie zähle primär das visuelle Ergebnis. „Denen muss man klarmachen, wie stark alle Sinne zusammenspielen müssen, wenn gutes Design das Ergebnis sein soll.“

Die Bekämpfung der Vorherrschaft des Visuellen hat neben Projektleiterin Madalina Diaconu auch Sissel Tolaas im Sinn. Die international gefragte Duftsammlerin und Künstlerin, die am zweiten TastDuft-Symposium (16. und 17. Mai) teilnimmt, entwickelt darum gemeinsam mit Linguisten eine neue Sprache, die der genaueren Benennung von olfaktorischen Eindrücken dienen soll. Quasi analog zum Haptic Dictionary von Masayo Ave, für das sich gewiss auch der Berührungsforscher Martin Grunwald interessieren wird, der ebenfalls in Wien zu Gast ist. Er erarbeitet in seinem Touchlabor Haptikgrundlagen für Design und Industrie. Der Nutzen des Sich-gut-Anfühlens als Wettbewerbsvorteil in den Creative Industries steht für ihn außer Zweifel. Vielleicht bald auch für Gestalter und deren Auftraggeber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2009)

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