Trockene Luft? Schmale Nase!

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Ganz dem Zufall überlassen ist nicht, was da so markant aus dem Gesicht wächst: Es unterliegt ökologischer Selektion – und sexueller auch.

Nichts im Gesicht hat so vielfältige Formen wie die Nase, die Aufzählung würde Bände füllen. Aber gibt es doch Muster, die nicht von individuellen Zufällen kommen, vulgo: von genetischer Drift, in der sich Kennzeichen einfach entwickeln, ohne Selektionsdruck? Arthur Thomson, schottischer Anatom und Anthropologe vermutete es Ende des 19. Jahrhunderts: Eher lang und dünn würden die Nasen in trockenen und kalten Regionen ausfallen, in feuchten und warmen hingegen blieben sie eher kurz und zögen sich in die Breite.

Das ging als „Thomson's Nose Rule“ in die Lehrbücher ein, empirisch geprüft wurde es nicht, Mark Shriver, Anthropologe an der Pennsylvania State University, hat es nun nachgeholt und rund um die Erde Nasen vermessen. Theoretischer Hintergrund war die Funktion der Nase, die nicht einfach Luft in den Körper bringt, sondern sie so zubereitet, dass sie wohl temperiert und befeuchtet in die Lunge kommt. Das wieder hat vermutlich den Grund, dass damit Erkrankungen des Atemapparats und vor allem der Lunge vermieden werden, Erreger werden vorher abgefangen, wenn nur die Luft richtig präpariert wird.

Luftbefeuchter

Und das wird sie: Die Nasenform hängt an der Umwelt bzw. am Klima. Sie tut das nicht so stark wie die von Shriver zum Vergleich herangezogene Hautfarbe – die Menschen unter sengender Sonne mit dunklen Tönen vor UV-Licht schützt –, aber stärker als die auch verglichene Körpergröße: Nasen sind dort breit, wo die Luft eine hohe Feuchtigkeit hat – absolut, nicht relativ –, die Temperatur spielt eine viel geringere Rolle, auch dort, wo es kalt ist. Wieder geht es um die Feuchtigkeit bzw. Trockenheit: Die Nasen sind schmal bzw. eng, offenbar sorgt das für eine Strömungsdynamik, die die Luft enger an den schleimüberzogenen Innenwänden vorbeiführt, wo sie befeuchtet wird, gewärmt natürlich schon auch (PLoS Genetics, 16. 3.).

Eine zweite physiologische Vermutung konnte hingegen nicht bestätigt werden: Bei vielen Tieren, Onyxantilopen etwa, dient die Nase auch zur Kühlung des Gehirns, bei Menschen ist es offenbar nicht so. Und bei Menschen richtet sich auch nicht alles nach der Physiologie bzw. Natur, die Kultur hat schon auch noch mitzureden. Und auf diesem Umweg dann doch auch wieder die Natur: Viele Kulturen haben Vorlieben für bestimmte Nasenformen – die je nach Geschlecht ganz anders aussehen können, generell haben Männer größere Nasen –, in jedem Fall spielen sie bei der Partnerwahl mit hinein. Die Nase wird also von dreierlei geformt: von genetischer Drift, überlagert durch sexuelle und ökologische Selektion. Und ob bei Letzterer nur Feuchtigkeit und Temperatur mithineinspielen, will Shriver im nächsten Schritt erkunden: Da geht es um Nasen unten am Meer und Nasen hoch in Gebirgen, wo die Luft dünn ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2017)

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