Neue Medikamente aus Bakterien

Bakterienkultur
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Ein neues CD-Labor in Wien will E. coli-Bakterien fit machen für die Produktion von Arzneien, die derzeit nur schwer in Bioreaktoren herstellbar sind.

Das Bakterium Escherichia coli (abgekürzt E. coli) ist das Haustier der Biopharmaindustrie: In großen Tanks leben diese Bakterien, die genetisch so verändert wurden, dass sie als Stoffwechselprodukt Stoffe abgeben, die wir Menschen nutzen können: Antibiotika, Antikörper, Hormone, Gerinnungsfaktoren und vieles mehr ernten Biotechnologen aus diesen Tanks. „Nach wie vor werden 30 Prozent der biopharmazeutischen Medikamente mit E. coli gemacht“, sagt Gerald Striedner vom Institut für Biotechnologie der Boku Wien.

Sein Team eröffnete diese Woche das Christian-Doppler-Labor (CD) „zur Produktion neuartiger Biopharmazeutika in E. coli“ am Standort Muthgasse. Industriepartner ist das Boehringer Ingelheim Regional Center Vienna in Meidling, das etwa die Hälfte der Finanzierung übernimmt; der Rest kommt über die CD-Gesellschaft vom Wissenschaftsministerium.

Die Forscher wollen sich einem Problem widmen, an dem weltweit getüftelt wird: Immer mehr Moleküle für die Pharmaindustrie werden nicht aus Organismen gewonnen, sondern am Reißbrett entworfen, über Computersimulationen optimiert und im Labor synthetisch hergestellt.

Diese Moleküle haben großen Nutzen in der Medizin, da sie viele Funktionen gleichzeitig übernehmen können. „Aber sie sind nicht durch Evolution entstanden und daher weit weg von der Biologie einer Zelle“, sagt Striedner. Bei der Produktion in einer Zelle wie E. coli kommt es daher zu Problemen: Die Ausbeute sinkt, und es ist schwer möglich, diese synthetisch entwickelten Moleküle in E.-coli-Zellen wirtschaftlich herzustellen.

Für das CD-Labor, das bis 2024 läuft, kommt ein von Boehringer Ingelheim entwickeltes Expressionssystem zum Einsatz, mit dem man die Reaktionen der E. coli-Zellen genauer untersuchen kann: Was tut die Zelle, wenn sie den neuen Stoff produzieren soll?

Prozessschritte einsparen

„So wollen wir herausfinden, wo die Probleme auftreten und wie man eine Zelle fit machen kann für diese Herausforderung“, sagt Striedner. Wichtig ist dabei, dass man den vielstufigen Produktionsprozess ganzheitlich betrachtet: Wenn man weiß, welche Prozesse sich gegenseitig beeinflussen, kann man vielleicht Prozessschritte und damit Kosten einsparen.

Erste Testkandidaten sind Moleküle, die es bereits als Arzneien am Markt gibt, und Stoffe, an denen noch geforscht wird. „Anfangs konzentrieren wir uns auf Antikörperfragmente als eine sehr spannende Produktklasse, die in E. coli-Zellen bisher viele Probleme verursacht“, sagt Striedner. (vers)

LEXIKON

Biopharmazeutika nennt man Arzneistoffe, die in Organismen wie Bakterien oder Pilzen, die genetisch verändert wurden, hergestellt werden. Die Organismen geben die gewünschten Stoffe, die dann isoliert und gereinigt werden, in Fermentationstanks bzw. Bioreaktoren ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2017)

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