Löscheinsatz im virtuellen Raum

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Feuerwehrleute können sich erstmals bei virtuellem Training frei bewegen: Mit Smartphone und VR-Brille üben sie Szenarien wie Verkehrsunfall und Kleinbrand.

Eine abgeriegelte Straße. Ein oder zwei Fahrzeuge stehen in Flammen. Statisten spielen Unfallopfer. Übungen für Einsatzleiter der Feuerwehr fehlt es, das weiß Andreas Peer aus Erfahrung, nicht an Realismus. Peer war über 20 Jahre Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, zuletzt Kommandant-Stellvertreter in der Tiroler Gemeinde Patsch. Doch Übungsstunden im Feld wie diese sind rar: „Die Kommunikations- und Führungsfähigkeit unter realistischen Bedingungen zu trainieren verschlingt eine Menge Ressourcen“, erzählt Peer.

Webtrainings sind keine echte Alternative. Bleibt die virtuelle Realität (VR). Ortsgebundene Systeme, mit denen Einsatzkräfte im virtuellen Raum trainieren können, sind zwar bereits etabliert. Im von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Projekt „VROnSite“ aber verfolgte Peer, heute Chef des Unternehmens M22D MasterMind Development, mit Informatikern der TU Wien einen anderen Ansatz: Erarbeitet wurde ein Simulator für Gruppen- oder Zugskommandanten, der auch Faktoren wie Physis und Stress miteinbezieht und standortübergreifend einsetzbar ist. „Ob Brand oder Verkehrsunfall – alle Szenarien, in die der User per VR-Brille eintaucht, sollen sich real anfühlen“, erläutert Peer.

Kommandos perfektionieren

Dass Einsatzleiter für gewöhnlich nicht selbst an Pumpe und Schlauch Hand anlegen, ändert daran wenig. Für das Perfektionieren von Kommandos, etwa zum Absichern der Einsatzstelle, ist Realismus gefragt. Die TU-Forscher setzten daher auf eine Kombination von VR-Brille mit Smartphone. „Auf Letzterem berechneten wir die virtuelle 3-D-Umgebung“, sagt Christian Schönauer vom Institut für Softwaretechnologie und Interaktive Systeme.

Verstärkt wurde der Realismus durch eine Gehplattform des TU-Spin-offs Cyberith. Sie ermöglicht dem Nutzer Bewegungen in alle Richtungen. „Bewegungsdaten gehen dabei drahtlos und in Echtzeit an das Smartphone“, sagt Schönauer. Mehr als 7000 Stunden flossen in die Entwicklung der vollständig simulierten virtuellen Welt. Die Herausforderung: die Abfolge von Ereignissen und Kommandos abzubilden.

Ende Juli wurde ein Softwareprototyp mit den ersten Szenarien Verkehrsunfall sowie Kleinbrand fertiggestellt. Benutzerstudien mit über 100 Testpersonen, darunter Einsatzkräften der Feuerwehren Telfs und Zeltweg sowie der Hilfsorganisation Johanniter, fielen ermunternd aus. Eine Mehrheit gab an, die VR-Trainingsumgebung biete „viel“ (30 Prozent) oder „eher viel“ (52 Prozent) Unterstützung bei der Ausbildung.

Ein früh geäußerter Wunsch: Auslaufende Flüssigkeiten oder Gasflaschen und deren Kennzeichnung müssten identifizierbar sein. Andreas Peer erweiterte die Software bereits. Anfang 2018 soll das Produkt bereit für den Markt sein. Kosten: unter 10.000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2017)

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