Pharmakologie: Das muss doch ins Gehirn hinein

Viele Erkrankungen benötigen Arzneien im Gehirn.
Viele Erkrankungen benötigen Arzneien im Gehirn.(c) PIC4U - stock.adobe.com
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Bestimmte Hemmstoffe können die Blut-Hirn-Schranke durchlässig machen: Heimische Forscher wollen damit wichtige Medikamente erfolgreicher in das Gehirn bringen.

Die Blut-Hirn-Schranke ist einerseits gut, um das Ge hirn vor Fremdstoffen zu schützen. Andererseits ist sie so dicht, dass Medikamente, die im Gehirn wirken sollen, nur schwer vom Blut ins Gehirn wandern. "Die Blut-Hirn-Schranke ist ganz anders als andere Blut-Gewebe-Schranken", sagt Oliver Langer, der seit vielen Jahren an dem Thema forscht. Sowohl an der Med-Uni Wien als auch am Austrian Institute of Technology (AIT) untersucht der Pharmazeut im Labor, an Mäusen und Menschen, wie man diese dichte Schranke durchlässiger machen kann, um Arzneistoffe ins Gehirn zu bekommen.

"Viele Erkrankungen benötigen Arzneien im Gehirn, etwa wenn ein Hirntumor behandelt wird, oder um Alzheimer oder Schlaganfall besser zu therapieren", sagt Langer. Die restlichen Blut-Gewebe-Übergänge im Körper sind lockerer gebaut, mit dünnen Lücken, durch die Nährstoffe zu den Körperzellen gelangen - und eben auch Arzneien. "Nicht nur, dass die Zellen der Blut-Hirn-Schranke im Gegensatz zu anderen Schranken ,Tight Junctions', also dichte Kontaktstellen, haben: Es gibt auch Transporterproteine in der Hülle der Gehirnkapillaren, die unerwünschte Substanzen schnell zurück ins Blut pumpen, damit sie nicht ins Gehirn eindringen", erklärt Langer. Solche Transporterproteine haben sich entwickelt, um Giftstoffe loszuwerden, bevor sie dem Gehirn schaden.

Es gibt viele solcher Proteine, nicht nur im Gehirn. Vor etwa 20 Jahren konzentrierte sich die Pharmaindustrie weltweit darauf, diese Transporterproteine in Krebszellen zu hemmen: Tumore bilden besonders viele der Gift-Hinaus-Pumper-Proteine, wodurch es schwierig ist, Chemotherapeutika in den Tumor hineinzubekommen, wo sie ihre zelltötende Wirkung entfalten sollen. "Im Labor haben diese Hemmer der Transporterproteine gute Erfolge gezeigt, um mehr Arzneien in den Tumor zu bringen. Doch bei Studien an Patienten blieb der Erfolg aus, und es kam zu vermehrten Nebenwirkungen", weiß Langer. "Die Pharmafirmen ließen die Forschungen an den Stoffen wieder fallen, es wurde viel Geld in den Sand gesetzt."

PET-Kameras blicken ins Hirn

Langers Team nahm diese Forschungen wieder auf, um zu kontrollieren, ob die damals entwickelten Substanzen vielleicht an der Blut-Hirn-Schranke bessere Ergebnisse erzielen als in Tumoren. "Wir können ja nicht in das Gehirn hineinschauen. Daher haben wir eine Methode verfeinert, mit der man gut zeigen kann, welche Substanzen in welcher Konzentration ins Gehirn gelangen".

Die Methode ist Krebspatienten auch bekannt und heißt Positronen-Emissions-Tomografie (PET). Dem Probanden wird eine kleinste Menge an leicht radioaktiv markiertem Arzneistoff verabreicht. Die Forscher vergleichen dann, wie viel des Arzneistoffes ins Gehirn gelangt, wenn die Transporterproteine nicht geblockt werden, und wie viel mehr davon hineinkommt, wenn die Transporter chemisch gehemmt werden.

Was funktioniert in Lebewesen

"Durch die geringe Dosis gab es keine Nebenwirkungen, und wir konnten zeigen, dass vier bis fünf Mal so hohe Mengen ins Gehirn gelangen, wenn wir die Transporterproteine an der Blut-Hirn-Schranke hemmen", sagt Langer.

Das Problem bei der Umsetzung ist, dass die getesteten Substanzen schwer verfügbar und nicht zugelassen sind. "Und dass sie intravenös verabreicht werden müssen", so Langer. Sein Team sucht in einem von der niederösterreichischen Forschungs- und Bildungs-GmbH (NFB) geförderten Projekt nach sicheren und zugelassenen Arzneistoffen, die oral verabreicht - also geschluckt - werden.

Es gibt viele In-vitro-Studien, die in Laborschälchen zeigen, welche Substanzen in Frage kommen. Langers Team schaut nun, welche davon in vivo, also im komplexen System eines Lebewesens - bisher noch in Mäusen - tatsächlich möglich machen, dass Medikamente, die ins Gehirn sollen, auch in ausreichend hoher Dosis dorthin gelangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2017)

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