Reisender aus einem anderen Sonnensystem

Astronomen haben den ersten extrasolaren Asteroiden gesichtet. Er hat eine ungewöhnliche, längliche Form.

Viele der Asteroiden und Kometen, die durch unser Sonnensystem rasen, kommen von weit her, aus dem Kuipergürtel jenseits des Neptuns oder gar aus der Oortschen Wolke, der – hypothetischen – Heimat langperiodischer Kometen. Aber aus einem anderen Sonnensystem? Der nächste Stern, Proxima centauri, ist immerhin 4,2 Lichtjahre weit entfernt. Zum Vergleich: Der Abstand vom Neptun, unserem äußersten Planeten, zur Sonne beträgt nur 4,2 Lichtstunden!

Die Astronomen um Karen Meech (Honolulu) sind jedenfalls überzeugt: Das Objekt, das sie am 19. Oktober 2017 westwärts durchs Sonnensystem rasen sahen, kommt von einem anderen Stern, das schließen sie aus seiner Bahn. Aus seiner Lichtkurve schließen sie auf eine ungewöhnliche Form: zehnmal so lang wie breit, wie eine Zigarette. Und es dreht sich um seine eigene Achse, mit einer Periode von circa sieben Stunden.

Name: 'Oumuamua = Botschafter

Komet ist es keiner, das zeigen Auswertungen von Aufnahmen aus den Septembertagen, als es der Sonne am nächsten war: Es gibt keine Anzeichen von Kometenaktivität, populär gesprochen: keinen Schweif. Also spricht man von einem Asteroiden. Einen Namen hat er auch schon: 'Oumuamua, das ist hawaiianisch und heißt Botschafter oder Scout.
Seine Farbe ist dunkelrot, „ähnlich wie bei Objekten im äußeren Sonnensystem“, sagt Karen Meech: „Er ist dicht, möglicherweise steinern oder mit hohem Metallgehalt, enthält keine signifikanten Mengen von Wasser oder Eis.“

Wieso sieht der erste Asteroid, den wir als extrasolar erkennen, just so anders aus als die hiesigen? In Nature (21. 11.) grübeln die Forscher, ob er aus einer Staubscheibe um einen Stern kommen könnte, dessen Planetensystem sich gerade erst formiert. Von der Himmelsrichtung her käme heute der Stern Wega infrage, schreiben sie, doch der ist immerhin 25 Lichtjahre weit weg: Das heißt: Auch wenn der Asteroid sehr schnell gereist ist – mit fast 100.000 Stundenkilometern –, hätte er von Wega bis zu uns an die 300.000 Jahre gebraucht. Und damals war Wega noch anderswo. „Kann gut sein, dass er Hunderte Millionen Jahre durch die Milchstraße gereist ist, ohne sich an irgendein Sternsystem zu binden“, sagt Meech, „bevor er die Chance einer Begegnung mit dem Sonnensystem hatte.“

Es war eine kurze Begegnung. Zur Zeit seiner Entdeckung entfernte sich 'Oumuamua schon wieder von der Sonne. Wann er wohl dem nächsten Stern nahe kommt? Und ob bei diesem wieder intelligente Wesen lauern, die ihn beobachten und ihm einen Namen geben?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2017)

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