Mit künstlicher Intelligenz gegen Kinderkrebs

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Das von der St. Anna Kinderkrebsforschung koordinierte Projekt „Visiomics“ nutzt künstliche Intelligenz, um Rückfälle beim Neuroblastom, einer bösartigen Tumorerkrankung, genauer vorherzusagen.

„Nur wer den Feind kennt, kann auch seinen Schwachpunkt nutzen“, sagt Peter Ambros, Tumorbiologe der St. Anna Kinderkrebsforschung. Er meint damit das Neuroblastom, einen der häufigsten Tumore im Kleinkindalter. In Wien werden Kinder aus ganz Europa behandelt, im Zuge der Diagnostik unheimlich viele Informationen gesammelt. So viele, dass ihre Auswertung inzwischen menschliche Fähigkeiten übersteigt. Im Projekt „Visiomics“ arbeiten nun Mediziner, Biologen und Informatiker zusammen. Sie wollen künstliche Intelligenz einsetzen, um die gesammelten Informationen für die jungen Patienten sinnvoll zu nutzen. Etwa um Rückfälle rechtzeitig zu erkennen.

„Die Menge an Daten, die wir gesammelt haben, ist unvorstellbar groß“, sagt Ambros. „So eine Menge kann nicht mehr händisch in Excel-Tabellen ausgewertet werden.“ Im Zuge jeder Untersuchung, jeder Blutabnahme und jeder Biopsie fallen Informationen an, in Form von Messwerten, Bildern oder genetischen Codes. Daten, die sehr wertvoll sind – sofern sie auch ausgewertet und interpretiert werden. Sie sind jedoch mittlerweile so unüberschaubar geworden, dass sie nur noch künstliche Intelligenz sinnvoll verarbeiten kann.

Computer kann Zeit sparen

Dieses Ziel verfolgt das Projekt „Visiomics“. Mithilfe von Computerprogrammen sollen Bilder aus dem Mikroskop, histologische Befunde und genetische Informationen gesammelt, kombiniert und systematisch ausgewertet werden. Auch wollen die Forscher viele Abläufe, die derzeit noch von Hand erfolgen, wie etwa das Beurteilen von Tumorzellen unter dem Mikroskop, automatisieren. Könnte ein Computerprogramm das Untersuchen von Zellkernen erlernen und übernehmen, wäre das eine enorme Zeitersparnis. Und Zeit ist etwas, was besonders sehr junge Krebspatienten meist nicht haben. Neben mehr Effizienz in der Diagnostik erhoffen sich die Forscher durch die neuen Methoden vor allem, Rückfälle frühzeitig erkennen zu können.

Das Neuroblastom ist ein Tumor des peripheren Nervensystems und tritt – obwohl es grundsätzlich selten ist – besonders häufig um das zweite Lebensjahr auf. Für gewöhnlich wächst es sehr aggressiv, erkrankte Kinder versterben in den meisten Fällen daran. Bei mehr als der Hälfte der Kinder, bei denen der Krebs erfolgreich behandelt werden kann, kehrt er früher oder später zurück. Junge Patienten mit solchen sogenannten Rezidiven haben meist eine geringe Chance auf Heilung, der Tumor kehrt meist gestärkter und aggressiver zurück.

Rückfälle schneller erkennen

Ein Rezidiv besonders früh zu erkennen macht eine erfolgreiche Behandlung jedoch wahrscheinlicher. Programme, die alle Informationen über einen spezifischen Tumor auswerten, könnten exakte Informationen über die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls geben und so den Ärzten wichtige Hinweise für die Therapie liefern. „Unser Schwerpunkt in diesem Projekt ist das Neuroblastom, weil wir auf diesem Gebiet schon sehr viel Erfahrung haben“, so Ambros.

Die Ergebnisse sollen aber Patienten in ganz Europa zugute kommen und sich in Folge auch auf andere seltene Erkrankungen anwenden lassen.

In Zahlen

60 Prozent der Patienten mit Neuroblastom erleiden einen Rückfall. Die Chancen auf Heilung sind in diesem Fall sehr schlecht. Rasch zu erkennen, wenn der Krebs zurückkommt, und diesen umgehend zu behandeln ist daher besonders wichtig.

20–30 Kinder erkranken in Österreich jedes Jahr am Neuroblastom. Obwohl es damit zu den seltenen Erkrankungen gehört, ist es eine der drei häufigsten Tumorerkrankungen im Kindesalter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2017)

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